Prof. Dr. Dr. h.c. Heike
Jung SS 2001
Examensklausurenkurs
Strafrecht
I
„Drama am Berg“
Hubert (H) ist begeisterter
Bergsteiger und Bergführer. Er lebt mit Marei (M) seit langem in einer festen
Beziehung. Sie haben einen Hund und jeweils eine Lebensversicherung, die im
Todesfall dem überlebenden Partner 200.000 DM auszahlen wird. Seit einiger Zeit
ist H der M überdrüssig geworden; er sehnt sich nach Geld und Freiheit. Daher
faßt er den Entschluß, M zu töten.
H´s Lebensgefährtin M ist wie H
Bergsteigerin und die erste Frau im Landkreis, die den Sprung in die Bergwacht
geschafft hat. Dort wird sie wegen ihrer bergsteigerischen Fähigkeiten und
ihrer hervorragenden Kenntnisse in Erster Hilfe geschätzt. Besonders das
Klettern liegt ihr. Jeden Samstagmorgen steht sie um 4.00 Uhr
auf, packt ihre Bergausrüstung, wozu standardmäßig auch eine Erste
Hilfe-Ausrüstung gehört, und fährt ins Hochgebirge. Sie klettert üblicherweise
allein, sagt, sie brauche den Nervenkitzel. Allerdings sichert sie sich immer
mit einem Seil. Eines Freitagabends nutzt H einen unbeobachteten Augenblick, um
M´s neues Kletterseil mit seinem scharfen Bergsteigermesser anzuschneiden. Beim
Abendessen teilt M H mit, sie werde früh am nächsten Morgen loszuziehen, um die
Watzmann-Ostwand zu bezwingen.
Am nächsten Morgen zieht M um
4.00 Uhr los, euphorisch wegen der Aussicht, einen schönen Klettertag zu
verbringen. H verläßt kurz nach ihr ebenfalls mit kompletter Ausrüstung das
Haus. Er ist in Begleitung des fast 14-jährigen Nachbarsjungen Flori (F), dem
er mit der Bergtour ein vorgezogenes Geburtstagsgeschenk machen will. Die
beiden wollen den Watzmann über den einfacheren Normalweg besteigen.
H und der bergerfahrene F
erreichen den Gipfel erstaunlich schnell. Als H die Ostwand hinunterblickt,
erkennt er M, die bereits zwei Drittel der schwierigen Kletterroute hinter sich
gebracht hat. Hinter ihr klettert zu H´s Schreck M´s Schwester, die Vroni (V).
V ist keine sehr versierte Bergsteigerin. Daher klettert M vor und sichert V
mit dem neuen, angeschnittenen Seil. Plötzlich verliert V den Halt und stürzt
ins Seil. Das Seil reißt an der angeschnittenen Stelle, so daß V zehn Meter in
die Tiefe stürzt und auf den Felsen aufstößt. M nimmt ihr Ersatzseil und seilt
sich sofort ab. Sie muß leider feststellen, daß V tot ist. Erschüttert setzt M
ihren Weg nach oben fort, um vom Gipfel aus die Bergwacht zu alarmieren.
H ist verzweifelt. Alles ist
schief gegangen. V hatte er nicht töten wollen. Jetzt wo es so gekommen ist,
denkt er jedoch: „Gut, daß V abgestürzt ist, ich wollte der dummen Kuh schon
immer mal eine Lehre erteilen. Es geschieht ihr ganz recht“. Noch sieht H eine Chance, seine M doch noch
ins Jenseits zu befördern. Mit nur einem kleinen Stein kann man an der Ostwand
einen Steinschlag auslösen, der alles in die Tiefe reißt. Das weiß H. Um nicht
selbst gesehen zu werden, ruft er F zu sich. „ Komm mal her, Bub!“ sagt H, der
davon ausgeht, daß F die tödliche Gefahr eines Steinschlages nicht erkennt, „hast
Du nicht Lust, ein paar Steine den Berg
herunterkullern zu lassen. Hier kann man wirklich toll die rollenden Steine
beobachten.“ F ist begeistert. Er bückt sich, um einen großen Stein aufzuheben
und diesen die Ostwand herunterzuwerfen. Schon immer wollte er sehen, ob ein
Steinschlag wirklich so verheerend ist und die im Fels hängenden Personen in
den Tod reißt. Als F zum Wurf ausholt, überlegt es sich H anders. Er
beschließt, sein Vorhaben abzubrechen und wirft sich daher auf F, um diesen am
Werfen zu hindern. F und H fallen hin. Im Sturz läßt F den Stein fallen, der
die Ostwand herunterkugelt; dabei
werden mehr und mehr Steine mitgerissen, ein Steinschlag entwickelt sich. F
prallt durch den Sturz auf den felsigen Boden auf und verletzt sich am Kopf.
Aus der Wunde sickert in ruhigem Strom Blut und F wird bewußtlos. H bleibt
unverletzt. Doch ihm wird mulmig. Er
will nicht entdeckt werden und flüchtet daher. M hatte glücklicherweise
gesehen, wie F sich bückte und zum Wurf mit dem Stein ansetzte. Sofort sucht
sie Schutz in einer kleinen Ausbuchtung. Sie übersteht den Steinschlag
unverletzt.
M erreicht den Gipfel 10 Minuten
später. Dort sieht sie den verletzten F liegen und bemerkt die Kopfwunde. Ihr
Mitleid für F hält sich in Grenzen, hatte dieser doch - wie sie vermutet - den
ersten Stein geworfen. Sie setzt ihren Weg zum Nottelefon fort, ohne sich
weiter um F zu kümmern. Nachdem sie mit dem Nottelefon die Bergwacht alarmiert
hat, steigt sie ab zu nächsten Hütte, um sich und ihre zitternden Knie mit
einem Schnaps zu beruhigen. Die Bergwacht findet den inzwischen verstorbenen F.
Er hätte gerettet werden können, wenn ihm
spätestens 30 Minuten nach dem Unfall ein Druckverband am Kopf angelegt worden wäre, um die Blutung zu stillen.
Prüfen sie die Strafbarkeit von H
und M nach Maßgabe des StGB. Strafanträge sind, soweit erforderlich, gestellt.
Viel Erfolg!
Rückgabe und Besprechung: Freitag, 1. Juni 2001, 16 – 18 Uhr, HS 112
Lösungsskizze:
Teil 1: Strafbarkeit des H
1.Handlungsabschnitt: Anschneiden des
Seils und die Folgen:
A.
Totschlag an V durch Anschneiden des Seils, § 212:
I.
Tatbestandsmäßigkeit:
I.1.
objektiver Tatbestand:
a.
Das Anschneiden der Seile war kausal für Tod der V (condicio sine qua non)
b. Die
objektive Zurechenbarkeit ist gleichfalls gegeben, insbesondere liegt keine eigenverantwortliche Selbstgefährdung
der V vor.
I.2.
subjektiver Tatbestand:
Fraglich
ist, ob H hinsichtlich der Tötung der V vorsätzlich gehandelt hat. Vorsatz ist
Wissen und Wollen zum Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung.
a.
Dolus subsquens reicht nicht, da Vorsatz bei Tatbegehung vorliegen muß (§§
16,8)
b.
Durch Anschneiden des Seils und aus der Hand geben
desselben, setzte H willentlich ein Risiko, von dem er wußte, daß er nicht in
der Lage sein werde, es weiterhin zu beherrschen. Fraglich ist, ob der Tod der
V von seinem Vorsatz umfaßt war. Es
könnte der Fall einer sogenannten „mittelbaren Individualisierung“ vorliegen.
Dann bezieht sich der Vorsatz auf jedes Objekt, welches dem „Programmvorhaben“
entspricht. (Wessels/Beulke,
Strafrecht AT, 30. Auflage Heidelberg 2000, Rn. 255) Es liegt dann ein
unbeachtlicher error in persona vor (Fall: Bombe am Auto, BGH, NStZ 1998, 294).
Der Täter muß den konkreten Erfolg als möglich und nicht ganz fernliegend
erkennen. (BGH, NStZ 1998, 23). Es ist erforderlich, daß der Täter über
Tatopfer und Tat eine konkrete Vorstellung hat. (Tröndle/Fischer, StGB,
50.Auflage ,München 2001 § 15 Rn.11a). Im vorliegenden Fall hatte H bei Ausführung
der Tathandlung die Vorstellung, M werde wie immer alleine klettern. Das
angeschnittene Seil befand sich die gesamte Zeit in der ausschließlichen
Verfügungsgewalt der M. Davon war H auch ausgegangen. Er ahnte nicht, daß M
entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit V mitnehmen werde. Die konkrete
Tatvorstellung des H bezog sich sowohl hinsichtlich des Tatopfers als auch
hinsichtlich des Tatverlaufs ausschließlich auf M, so daß die Annahme eines
error in persona hinsichtlich V ausscheidet.
c.
H hat nicht das anvisierte Opfer M, sondern V
getroffen. Sein auf ein bestimmtes, von ihm individualisiertes Opfer
gerichteter Angriff ging fehl und traf ein anderes Objekt, welches der Täter
nicht verletzen wollte.
Strittig
ist, wie das Fehlgehen der Tat bei tatbestandlicher Gleichwertigkeit von
anvisiertem Opfer und tatsächlich getroffenem Opfer zu behandeln ist. Eine
Meinung bejaht gerade wegen dieser Gleichwertigkeit ein vollendetes Delikt beim
tatsächlichen Opfer. Sie stellt die mit
der Objektsvorstellung zwangsläufig verbundene Gattungsvorstellung in den
Vordergrund. Nicht berücksichtigt wird dabei, daß der Täter eine
Objektindividualisierung vorgenommen hat. Der Täter wollte das tatsächlich
getroffene Objekt nicht treffen. Er hatte ein anderes Objekt als alleiniges
Angriffsziel ausgewählt. Den so konkretisierten Vorsatz des Täters darf man
jedoch nicht außer Acht lassen. Im Tod des nicht anvisierten Opfers liegt eine
zu berücksichtigende Abweichung vom Tatplan des Täters vor. Die Tat, so wie
geschehen, war nicht vom konkreten
Vorsatz des Täters umfaßt. Daher ist im Falle der „aberratio ictus“
mangels Vorsatzes hinsichtlich des tatsächlich getroffenen Opfers keine
Vollendung anzunehmen. Da H nur M als
Opfer anvisiert, tatsächlich aber V getroffen hat, liegt der Fall einer aberratio
ictus vor, die aus den oben genannten Gründen zu einem Ausschluß des Vorsatzes
von H im Hinblick auf V führt.
Ebenso
gut vertretbar:
erste Möglichkeit: Es kann der Fall der
mittelbaren Individualisierung angenommen werden. H hat das Seil angeschnitten
und dann aus der Hand gegeben. Es war für ihn vorhersehbar, daß auch eine
andere Person dieses Seil nützen könnte, sei es im Rahmen einer Rettungsaktion,
sei es weil M eine Person mitnimmt. H hat im Zeitpunkt der
Tatbestandsverwirklichung das Opfer nicht konkret anvisiert. Die konkrete
Individualisierung des geplanten Opfers zum Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung
ist aber Voraussetzung für die Annahme einer aberratio ictus. Nur dann kann von
einem Fehlgehen der Tat gesprochen werden. Im vorliegenden Fall hat H sich
einen bestimmten Tatablauf vorgestellt. Genau dieser ist eingetreten, nur an
einem anderen Objekt. Es handelt sich um den Fall einer mittelbaren
Individualisierung, in dem sich der Vorsatz auf jedes Opfer bezieht, welches
dem „Programmvorhaben“ entspricht. Ergebnis: Strafbarkeit wegen Totschlags.
zweite Möglichkeit: Ausgehend von einer
aberratio ictus kann man auch zur Annahme einer Bestrafung wegen vollendeten
Totschlags gelangen. Denn H hat ein gleichwertiges Opfer getötet. Das Gesetz verlangt
keine Konkretisierung der Tätervorstellung über das abstrakte
Tatbestandsmerkmal hinaus. Die Konkretisierung auf ein bestimmtes Tatobjekt
kann den Täter daher auch nicht entlasten. wertungsrelevante Fehlvorstellungen
können zureichend in der Strafzumessung berücksichtigt werden. Ergebnis:
Strafbarkeit wegen Totschlags an V.
Unser
Fall kann geradezu als Paradebeispiel dafür gelten, daß die Frage der
Behandlung der aberratio ictus im Sinne der letztgenannten Lösungsvariante
überdacht werden muß. Es zeigt sich nämlich, daß Konkretisierung und Fehlgehen
typischerweise von der Konstellation des Schusses her gedacht werden. Bei anderen Fallkonstellationen verlieren die
Differenzierungen in der strafrechtlichen Bewertung an Stringenz (vgl. aber
Koriath, JuS 1997, 901).
(Zur
Vertiefung der aberratio ictus-Problematik: Hillenkamp,
32 Probleme aus dem Strafrecht Allgemeiner Teil, 10. Auflage 2001, S. 71)
Daher
ist H nicht wegen Totschlags an V strafbar.
B.
versuchter Mord an M (§§ 211, 23 I, 22, 12 I )
I.
keine Vollendung: M lebt.
II.
subjektiver Tatbestand (Tatentschluß):
1.
Hatte die Absicht, M zu töten und nahm die Tathandlung
vor, die nach seiner Vorstellung den Tod der M herbeiführen sollte.
2.
H schnitt das Seil der M heimlich an. Nach seiner
Vorstellung sollte das Seil bei einem Sturz der ahnungslosen M reißen und so
einen tödlichen Absturz verursachen. Hierin könnte ein Vorsatz im Hinblick auf
das Mordmerkmal der Heimtücke liegen. Heimtückisch handelt, wer in feindseliger
Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewußt zur Tötung
ausnutzt. Darüber hinaus wird von vielen Autoren noch ein besonders
verwerflicher Vertrauensbruch gefordert. (Nachweise bei Lackner/Kühl StGB, 24.
Aufl. 2001, § 211 Rn. 6). H wählte den Weg, das Seil der ahnungslosen M
anzuschneiden, gerade um deren Arglosigkeit auszunutzen. Da M den Defekt des
Seiles nicht kannte, konnte sie für den Fall eines Sturzes auch keine Vorsorge
treffen, sie war somit aufgrund der Arglosigkeit auch wehrlos, ja, in diesem
Fall läge auch ein Vertrauensbruch vor. Dieses nützte er willentlich und
wissentlich aus, als er in den Keller ging, um das Seil in einem unbeobachteten Augenblick
anzuschneiden. Der Tatentschluß des H umfaßte daher auch das Mordmerkmal der
Heimtücke.
3. H
konnte aus Habgier gehandelt haben. Habgier liegt bei einem noch über die
Gewinnsucht hinaus gesteigerten abstoßenden Gewinnstreben um jeden Preis. Das
Gewinnstreben braucht nicht das einzige Motiv zu sein, wohl aber muß es
tatbeherrschend und „bewußtseinsdominant“ sein, wobei bei einem Motivbündel auf
eine Gesamtbetrachtung abzustellen ist. (Tröndle/Fischer, aaO., § 211, Rn. 5) H
will M töten, um zu Freiheit und Geld (200.000,00 DM aus der Lebensversicherung
der M) zu gelangen. Der Wunsch, zu Geld zu gelangen, spielt eine wesentliche
Rolle für den Tatentschluß des H. Denn seine Freiheit hätte er auch ohne Tötung
der M erlangen können. Zwingend wird die Tötung dann, wenn man berücksichtigt,
daß H neben der Freiheit auch das Geld aus der Lebensversicherung der M nach deren
Tod kassieren will. Er ist neben dem Wunsch nach Freiheit Hauptgrund für die
Tat, daher tatbeherrschend. Der Tatentschluß des H umfaßt also die Habgier.
4. H
könnte auch aus niedrigen Beweggründen gehandelt haben, da er M töten wollte, nur
um seine Freiheit wieder zu erlangen. Beweggründe sind niedrig, wenn sie als
Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert sind
und auf tiefster Stufe stehen. (BGHSt 2, 63; 3, 133) Ein solcher ist gegeben,
wenn ein Lebenspartner dem anderen sein Lebensrecht abspricht, um seine
Freiheit zu erlangen, da es sich um einen Beweggrund handelt, der von einer
sittlich verachtenswerten Nichtachtung des Lebens seines Partners handelt.
III.
H hat zur Tat unmittelbar angesetzt, als er das Seil der M anschnitt.
IV. Rechtswidrigkeit und V.
Schuld sind gegeben.
V. Rücktritt vom Versuch
gem. § 24 I S.2:
H versuchte, F am Werfen des
Steines zu hindern, indem er sich auf F warf.
Die Tat wurde ohne Zutun des H nicht vollendet. Daher könnte H durch aktives
Gegensteuern strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten sein, § 24 I S.2.
Ein Rücktritt des H wäre nur
möglich, wenn das Anschneiden des Seiles und die Aufforderung des H an F, die
Steine herabrollen zu lassen, keine eigenständige Taten, sondern lediglich
verschiedene Teilakte eines einzigen Tatversuches darstellen. (BGHSt, 34, 55; Kühl, Strafrecht AT, 3. Aufl. München
2000, § 16 Rn. 10ff, Wessels/Beulke, 30.
Auflage, 2000, Rn 628 ff) Ist das Anschneiden des Seiles als selbständige
Versuchstat zu werten, kommt ein Rücktritt des H nicht mehr in Betracht. Dies
läßt sich über die von Rechtsprechung und Lehre entwickelte Figur des
fehlgeschlagenen Versuchs begründen. Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn der
Täter subjektiv davon ausgeht, den Erfolg nicht mehr herbeiführen zu können.
Eine Aufgabe der weiteren Vollendung bzw. eine Verhinderung der Vollendung ist
nur möglich, wenn nach der Vorstellung des Täters eine „weiteres, den
tatbestandsmäßigen Unrechtserfolg verursachendes Handeln überhaupt noch möglich
ist bzw. dieser Erfolg aufgrund der bisherigen Tätigkeit überhaupt einzutreten
droht.“ (Kühl, AT, § 16, Rn. 12) Im
vorliegenden Fall verfehlte das von H eingesetzte Tötungsmittel sein
anvisiertes Opfer. Eine Tötung der M mit demselben Mittel war ausgeschlossen,
da das Seil bereits gerissen war. Bei Annahme eines selbständigen
Mordversuches, wäre hier das Vorliegen eines fehlgeschlagenen Versuchs zu
bejahen, mit der Folge, daß H nicht strafbefreiend zurücktreten könnte. Auch wenn man die Figur des fehlgeschlagenen
Versuchs für überflüssig hält und ihn als Unterfall des unfreiwilligen
Rücktritts einordnet (Maurach/Gössel/Zipf,
Strafrecht AT, Teilband 2, 7.Auflage 1989,
§ 41 Rn. 36), kommt man unter der Voraussetzung der Einordnung der Tat
als selbständige Versuchstat zu keinem anderen Ergebnis. Denn spätestens mit
dem Reißen des Seiles war der Versuch beendet, so daß ein Rücktritt nur unter
den Voraussetzungen des § 24 I 2 möglich wäre. Es war jedoch keine freiwillige
Handlung zur Erfolgsabwendung mehr denkbar, da der Erfolg zu dem Zeitpunkt, in
dem H hätte handeln können bereits ohne sein Zutun abgewendet war.
Zu einem anderen Ergebnis führt
die Einordnung des Anschneiden des Seiles nicht als eigenständigen Versuch,
sondern als einen Teilakt eines Mordversuches, der aus den Teilakten
Anschneiden des Seiles und Auffordern des F zum Steinewerfen besteht. Dann
würde der strafbefreiende Rücktritt, der sich auf den zweiten Teilakt bezieht,
auch zur Straflosigkeit des ersten Teilaktes führen.
Von entscheidender Bedeutung ist
demnach die strittige Frage, ob es sich hier um einen eigenständigen Versuch
oder lediglich um einen Teilakt handelt. (zur Vertiefung der gesamten
Problematik: Kühl, AT, § 16, Rn 9 ff,
Wessels/Beulke, AT zu § 14 Rn. 628
ff, Sch-Sch-Eser, 26. Aufl., München
2000, Rn. 13 ff zu § 24 StGB; BGHSt 34, 53ff; 40, 74ff)
Die sogenannte „Einzelakttheorie“
definiert jede einzelne auf den Erfolg gerichtete und vom Täter als zur
Erfolgsherbeiführung als geeignet angesehene Handlung ist ein selbständiger Versuch.
Schlägt dieser fehl, ist ein Rücktritt durch bloßes Unterlassen einer weiterer
geeigneter Handlungen nicht möglich. Denn der Täter, der damit rechnet, daß
bereits der erste Akt den Erfolg herbeiführt, versucht die Tat mit Ausführung
dieses Aktes, so daß eine Unterlassung der Weiterführung nie Aufgabe der
Weiterführung, sondern stetes nur Nichtwiederholung des Versuchs sein kann. Wer
nicht auf den Einzelakt abstellt, begünstigt den Täter, der entweder umsichtigt
plant und alle Möglichkeiten einkalkuliert, oder den skrupellosen Täter, der
immer wieder neu ansetzt, um die Tat doch noch zu verwirklichen. Wer jede vom Täter ausgelassene
Handlungsmöglichkeit als Rücktritt honoriert, läßt die mehr oder weniger vom Zufall
bestimmte Frage, ob sich noch andere Möglichkeiten bieten (bzw. das
Einlassungsgeschick des Angeklagten vor Gericht) über die Straffreiheit
entscheiden. In unserem Fall käme noch hinzu, daß das zufällige Fehlgehen der
Tat (aberratio ictus) letztlich zu einer Straffreiheit des H führen könnte,
obwohl dieser nach Fehlgehen des Angriffs
einen weiteren Angriff in Gang setzte.
Nur kurz erwähnt sei die
Tatplantheorie, welche zunächst auf die Tätervorstellung (den Tatplan) zu
Beginn der Tat abstellte. Hat der Täter seinen Tatplan wie hier von vornherein
auf einen bestimmten Tätigkeitsakt beschränkt, ist der Versuch nach Vornahme
dieser Akte fehlgeschlagen und ein Rücktritt ausgeschlossen. Hauptkritikpunkt
ist die Zufälligkeit und Manipulierbarkeit der Grenzziehung, die sich daraus
ergibt, daß die Tatplantheorie bei unbestimmtem Tatplan mit Blick auf den
Rücktrittszeitpunkt danach fragte, ob der Täter bei Beendigung der verwirklichten Tathandlungen den
Erfolgseintritt noch für möglich hielt (dann unbeendeter Versuch) oder nicht
(dann beendeter Versuch).
Die Gesamtbetrachtungslehre geht
von einem einheitlichen Versuch aus, wenn einer oder mehrere erfolglos
gebliebene vorausgegangene Teilakte mit dem neuen Anlauf, auf den der Täter
schließlich verzichtet hat, einen einheitlichen Lebensvorgang bilden, wobei der
Wechsel des Angriffsmittels nicht von entscheidender Bedeutung ist. Hierbei muß
ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang zwischen den Einzelakten
bestehen. Verzichtet der Täter nach Abschluß seiner letzten Ausführungshandlung
auf die Vornahme einer nach seiner Ansicht noch möglichen
erfolgsherbeiführenden Handlung („Rücktrittshorizont“), ist er hinsichtlich
aller vorausgegangener Teilakte straffrei.
Begründet wird dies damit, daß in der Fortsetzung der Tat kein
erneutes Durchstehen der kritischen Situation in erneutem Versuch liege, sondern daß lediglich der bereits
gefaßte Tatentschluß berücksichtigt werde. Hierin zwei Taten zu sehen, hieße,
einen einheitlichen Lebensvorgang auseinanderzureißen. Auch müsse dem Täter der
Verzicht auf weitere zur Erfolgsherbeiführung mögliche Mittel zu Gute gehalten
werden, da der Täter hierdurch letztlich seine Rechtstreue unter Beweis stelle.
Teilweise wird auch noch der Schutz des Opfers vor weiteres Gefährdungen
argumentativ herangezogen, da die Straffreiheit für den Täter einen Anreiz
schaffe, auf eine noch mögliche Tatvollendung zu verzichten.
Im vorliegenden Fall besteht die
Besonderheit, daß H gerade nicht die mögliche, zur Erfolgsherbeiführung
geeignete Handlung (Auslösen eines Steinschlags) aufgegeben hat, sondern diesen
Handlungsstrang in Gang setzte. Allerdings hat er sich freiwillig und ernsthaft
bemüht, die Vollendung zu verhindern und wurde die Vollendung ohne sein Zutun
verhindert. Hierdurch ist er zur Rechtstreue zurückgekehrt, so daß die oben
dargelegten Argumente auch für diesen Fall eines beendeten Versuchs gelten
müssen.
Eine Entscheidung zwischen
Einzelaktstheorie und Gesamtbetrachtungslehre kann im vorliegenden Fall
dahingestellt bleiben. Denn auch nach der Gesamtbetrachtungslehre wären zwei
selbständige Versuchshandlungen anzunehmen. Nachdem H festgestellt hatte, daß
sein Angriff fehlgeschlagen war, faßte er einen völlig neuen Tatplan. Er griff
gerade nicht zum nächstbesten Mittel, sondern forderte F auf, den Stein zu
werfen. Damit wechselte er die Täterschaftsform bzw. Beteiligungsform vom
Alleintäter entweder hin zum mittelbaren Täter oder zum Anstifter. Hierin ist
eine wesentliche Zäsur zu sehen, die die Annahme eines einheitlichen
Lebensvorgangs ausschließt. Denn es wird eine weitere Person einbezogen, die
die Tat unmittelbar ausführt. Dadurch wird nicht nur der bereits gefaßte
Tötungsvorstz gefestigt, sondern in seinem Kern - Art der Täterschaft bzw.
Beteiligung - verändert.
Ergebnis: H ist nicht
strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten.
H hat
sich wegen versuchten Mordes an M strafbar gemacht, wobei er die Mordmerkmale
der Arglist, der Habgier und der niedrigen Beweggründe erfüllt.
C. Fahrlässige Tötung der
V (§ 222):
I.
Tatbestandsmäßigkeit:
I.1.
objektiver Tatbestand:
1.
H schnitt objektiv sorgfaltswidrig das Seil der M an.
Dadurch verursachte er kausal im Sinne der Äquivalenztheorie den Tod der V.
2.
H wußte, daß ein angeschnittenes Bergseil nicht
anvisierte Menschen zu Tode bringen kann, wenn es, was er nicht kontrollieren
konnte, zur Sicherung Dritter eingesetzt wird. Damit waren Erfolg und Kausalverlauf in ihrer konkreten Gestalt für H auf Grund
seiner Kenntnisse zum Zeitpunkt der Tathandlung objektiv vorhersehbar.
3.
Zwischen der Tathandlung des H und dem eingetretenen tatsächlichen
Erfolg besteht ein objektiver Pflichtwidrigkeitszusammenhang, weil sich genau
die Gefahr, die von H pflichtwidrig geschaffen wurde, im konkreten Erfolg
verwirklicht hat.
II. Rechtswidrigkeit ist
gegeben.
III. Schuld:
1.
Die subjektive Pflichtwidrigkeit ist durch die objektive Sorgfaltswidrigkeit
indiziert.
2.
Der tatbestandliche Erfolg und der Kausalverlauf in
seinen wesentlichen Gründen müßten
für H
vorhersehbar gewesen sein. Dies ist der Fall, da die objektive Vorhersehbarkeit
gegeben war und keine besondere Anhaltspunkte (wie z.B. Affektsituation, Streß,
Schrecken ...) in der Person des H bestehen, die eine abweichende Beurteilung
rechtfertigen.
H hat
sich wegen fahrlässiger Tötung der V strafbar gemacht.
D.
Sachbeschädigung durch Anschneiden von M´s Seil (§ 303)
I.
objektiver Tatbestand: (+)
II. subjektiver
Tatbestand:
H
handelte wissentlich und willentlich in Kenntnis aller Merkmale des objektiven
Tatbestandes, also mit Vorsatz.
III. Rechtswidrigkeit und
IV. Schuld sind gegeben.
H hat
sich gem. § 303 strafbar gemacht. Der erforderliche Strafantrag (§303 c) ist
gestellt.
2. Tatabschnitt: Der Steinschlag:
A.
Versuchter Mord an M in mittelbarer Täterschaft (§§ 211, 23 I, 12 I, 25 I 2.
Alt)
I.
keine Vollendung
II. Tatentschluß:
1.
H wollte M töten. Er handelte mit Tatentschluß
hinsichtlich Habgier und niedrigen Beweggründen. (vgl. oben)
Fraglich
ist, ob H´s Tatentschluß das Töten mit einem gemeingefährlichen Mittel umfaßte.
Gemeingefährlich ist ein Tatmittel dann, wenn es eine Gefahr für eine unbestimmte
Anzahl anderer Personen mit sich bringt. (Schönke-Schröder/ Eser, § 211, Rn. 29) . H wollte einen Steinschlag auslösen lassen,
der alles mit sich in die Tiefe reißen würde, also alle in der Ostwand
befindlichen Kletterer in. die Gefahr des Todes brächte. Es handelt sich daher
um ein gemeingefährliches Mittel. Dies wußte H und wollte es auch.
H
müßte den Entschluß gefaßt haben, den Mord durch einen anderen i.S.v. § 25 I,
2. Alt. zu begehen. Hier hat H den 13-jährigen F aufgefordert, die Steine
herunter zu werfen, in der Meinung, dieser werde dieser werde nicht erkennen,
daß er M damit töten werde.
Die
Tatherrschaft könnte sich hier daraus ergeben, daß F 13 Jahre und damit kraft
Gesetzes schuldunfähig ist. (§19 ) Fraglich ist, ob die gesetzlich normierte
Schuldunfähigkeit des F in der Person des H versuchten Mord in mittelbarer
Täterschaft zu begründen vermag oder ob lediglich Anstiftung des F zum
versuchten Mord vorliegt.
Mittelbare
Täterschaft setzt voraus, daß der (mittelbare) Täter die Tat durch einen
anderen begeht. (§ 25 I S.2 ) Er bedient sich eines Tatmittlers, welcher einen
„tatbestandlichen Defekt“ aufweisen muß. (= Werkzeugsqualität). Entscheidend
ist also, daß der mittelbare Täter Tatherrschaft hat, wobei unter Tatherrschaft
„das vom Vorsatz umfaßte In-den-Händen-halten des tatbestandsmäßigen
Geschehensablaufes“ zu verstehen ist. Mittelbare Täterschaft wird begründet
über die sogenannte „Wissens- oder Willensherrschaft“.
Hier
können zwei Gesichtspunkte zur Annahme von Tatherrschaft führen, das
jugendliche Alter und der (vermeintliche) Wissensvorsprung des H.
Der
Gesetzgeber sieht bis zum Alter von 14 Jahren von einer strafrechtlichen
Sanktion ab (§19 ), weil Kinder stets nach ihrer sittlichen und geistigen
Entwicklung nicht reif genug sind, „das Unrecht ihrer Tat einzusehen und nach
dieser Einsicht zu handeln.“ (§ 3 JGG) Es kann also bei Bestimmung der
Tatherrschaft nicht darum gehen, ob das Kind in der Lage ist einen eigenen
Willen zu entfalten. Denn das hilft nichts, wenn es das Unrecht seines Tuns
nicht erkennen kann. Tatherrschaft ist nicht nur gegeben, wenn der Hintermann
den Willen des Handelnden in nötigungsähnlicher Weise beherrscht, sondern auch,
wenn der Hintermann auf höherer Tatherrschaftsstufe steht als der Vordermann
und den Vorgang in seinem sozialwertigen Sinngehalt allein gestalten kann, weil
der unmittelbar Handelnde dazu keinen Zugang hat und deshalb seinen Willen
nicht dagegen setzen kann. (Roxin, Täterschaft
und Teilnahme, 7. Aufl.,Berlin 2000, S. 239). Da F noch unter 14 Jahren ist
besteht die unwiderlegbare gesetzliche Vermutung, daß F die Auswirkungen und
Ausmaß seiner Tat nicht voll erkennen kann (§ 19 ). Das Gesetz macht bewußt
einen starken Schnitt. Es deklariert die Schuldunfähigkeit eines Kindes unter
14 Jahren als Dauerzustand ohne Ausnahme.(Tröndle/Fischer, aaO., § 19, Rn. 2) H
hat einen ihm „konstitutionell“ unterlegenen Hintermann zur Tatbegehung
gebracht. Er kennt dessen unterlegene Position und konnte und wollte ihm daher
den Willen aufdrücken . Daher liegt Tatentschluß zu versuchtem Mord in
mittelbarer Täterschaft vor.
Grds.
für Annahme von mittelbarer Täterschaft bei „Instrumentalisierung“ eines
Schuldunfähigen z.B. Lackner/Kühl, StGB, 23. Aufl. 1999, § 25 Rdnr. 5; Otto,
Grundkurs Strafrecht. Allgemeine Strafrechtslehre, 6. Aufl. 2000, Rdnr. 73.
Geht
man hingegen, davon auis, daß auch Anstiftung prinzipiell in Betracht kommt,
weil das Gesetz für die Annahme von Anstiftung nur eine rechtswidrige Haupttat
verlangt und 13jährige durchaus die Dinge schon für sich selbst abwägen können,
so wird die Frage des vermeintlichen Wissensvorsprungs relevant.
Hier
sind nun folgende Lösungen denkbar:
-
Anstiftung zum versuchten Mord, und zwar unter der Prämisse, daß trotz des
Tätervorsatzes - H hält F für unwissend, sprich vorsatzlos handelnd –
Anstiftung als „Auffanglinie“ zum Zuge kommen kann.
Freilich
hatte H keine Kenntnis davon, daß F um Gemeingefährlichkeit wußte. Insofern
gelangt man zur Annahme einer Anstiftung zum versuchten Mord nur via § 28 Abs.
2 , was hinwiederum voraussetzt, daß man der im Schrifttum herrschenden Meinung
zum Verhältnis von Mord ung Totschlag folgt.
-
Denkbar erscheint dann aber auch die Annahme einer versuchten mittelbaren
Täterschaft zum (versuchten) Mord, und zwar unter dem Aspekt, daß er den nur
vermeintlichen Wissen- und Wollensvorsprung nutzen möchte.
III.
unmittelbares Ansetzen zur Tat:
wird
unabhängig davon bestimmt, ob Tatmittler gut- oder bösgläubig.
Meinung
1: Nur Einwirkung des Hintermannes = Aufforderung des F, zu werfen
Meinung
2: Verhalten des Hintermannes und des Tatmittlers sind als Einheit zu sehen,
daher unmittelbares Ansetzen beim Hintermann erst bei unmittelbarer
Rechtsgutsgefährdung durch den Tatmittler (wobei hier auf Vorstellung des
Hintermannes abzustellen ist.)
Nach
beiden Meinungen: unmittelbares Ansetzen mit Heben der Hand durch F.
IV.
RW. und Schuld gegeben.
V. Rücktritt vom Versuch:
Bleibt
zu prüfen, ob H dadurch, daß er sich auf F warf, um diesen am Werfen zu
hindern, strafbefreiend zurückgetreten ist.
1.
Fraglich ist, ob der Rücktritt im vorliegenden
Fall nach § 24 I oder § 24 II zu
beurteilen ist. § 24 I betrifft den
Alleintäter, § 24 II ist auf diejenigen anwendbar, die an einer Tat „beteiligt“
sind. Da die Tat ohne das Zutun des H
nicht vollendet wurde, kommt entweder Rücktritt gem § 24 I S.2 oder gem. § 24
II S.2 1.Alt. in Betracht.
Denkbar wäre es, § 24 II auf jedwede Art der Beteiligung
anzuwenden, also auch auf die mittelbare Täterschaft.(LK-Vogler, 10. Auflage, zu § 28 Rn. 145; Stratenwerth, Strafrecht AT I, 4. Auflage, Köln u.a. 2000, § 12,
Rn. 109 f) Denn auch im Fall eines straflos handelnden Werkzeuges sind mehrere
Personen unmittelbar an der Tatbestandsverwirklichung beteiligt.
Andererseits ist die mittelbare Täterschaft in § 25 I bei der
Alleintäterschaft geregelt. Der Tatbeitrag des Tatmittlers wird dem mittelbaren
Täter als eigene zugerechnet. Daher ist
Rücktritt des mittelbaren Täters nach § 24 I zu beurteilen. (LK-Vogler, 10. Auflage, Berlin 1985, § 24
Rn. 145) Dafür spricht auch, daß § 24 II den Fall mehrerer strafbarer
Beteiligter im Auge hat, deren Straftat verhindert werden soll. (Roxin, Der Rücktritt bei Beteiligung
mehrerer, in: Festschrift für Theodor Lenckner, S. 267 ff, 270, der allerdings
§ 24 II auf den Fall des „Täters hinter dem strafbaren Täter“ anwenden will)
Eine Entscheidung des Streitstandes kann im vorliegenden Fall
dahingestellt bleiben. Denn beide Meinungen sind sich dahingehend einig, daß
der mittelbare Täter nur dann wirksam zurücktreten kann, wenn er die
Voraussetzungen des § 24 in seiner
Person erfüllt. Daraus folgt, daß der mittelbare Täter nach Ansetzen des
Tatmittlers zur eigentlichen Tatausführung hindernd eingreifen muß. Hinzu
kommt, daß hier die Tat ohne Zutun des H nicht vollendet wurde, was dazu führt,
daß der Rücktritt gem § 24 I S.2. bzw. § 24 II S2 1.Alt. zu prüfen ist, welche
identische Tatbestandsvoraussetzungen normieren. Demnach müßte sich H
freiwillig und ernsthaft bemüht haben, die Tatvollendung zu verhindern.
2.
Freiwilligkeit ist gegeben, da H nicht durch zwingende
Hindernisgründe zum Rücktritt veranlaßt wurde, sondern aufgrund eigener
autonomer Gründe.
3. H
warf sich auf F, um diesem am Steinwurf zu hindern. Hierin könnte ein
ernsthaftes Bemühen i.S.d. § 24 II 2
liegen. Ernsthaftes Bemühen liegt vor, wenn der Täter alles tut, was aus seiner
Sicht zur Abwendung des drohenden Erfolges notwendig und geeignet ist. Mit
erkennbar unzureichenden oder gar törichten Maßnahmen darf er sich nicht
begnügen. Der Rücktrittswillige muß im Rahmen der ihm bekannten Möglichkeiten
die Vollendung zu verhindern im Rahmen des Gebotenen ausnützen. (BGHSt 31, 46)
Aus Sicht des H, der sich schnell entscheiden mußte, war die einzige
Möglichkeit, F am Steinwurf zu hindern, sich auf diesen zu werfen. Nur ein
schneller Sprung des H konnte dem Steinwurf noch zuvor kommen. Es war auch
nicht töricht, dies zu tun, da nicht sicher vorhersehbar war, daß der Stein trotzdem
den Berg hinunterrollen würde. Daher ist ein ernsthaftes Bemühen der
Vollendungsverhinderung zu bejahen.
4. Die Tat wurde ohne sein Zutun nicht
vollendet: M ist nicht tot
H ist
strafbefreiend gem. § 24 II Nr. 2 zurückgetreten
B.
Totschlag an F (§ 212 ) durch Verursachung des Sturzes:
I.
Tatbestand:
1.
objektiver Tatbestand:
H
warf sich auf F, wodurch dieser umfiel und auf den felsigen Boden aufstieß, wo
er sich am Kopf verletzte. Diese Kopfverletzung führte letztlich zum Tod des F.
Da die Handlung des H nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der konkrete
Erfolg -Tod des F- entfiele, war sie kausal für den Taterfolg.
(Äquivalenztheorie)
Der
Erfolg ist H auch zurechenbar, da H eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen
hat, die sich im Erfolg verwirklicht hat.
2.
subjektiver Tatbestand:
H
müßte zum Zeitpunkt der Tathandlung vorsätzlich, d.h. mit Wissen und Wollen des
Tatbestandes, gehandelt haben. H warf sich nur auf F, um diesen am Werfen eines
Steines zu hindern. Aus dem Sachverhalt ergibt sich auch kein Hinweis, daß er
eine Gefahr für das Leben des F erkannte, geschweige denn wollte.
Tötungsvorsatz ist daher abzulehnen.
H ist
nicht wegen Totschlags an H strafbar.
C.
Körperverletzung mit Todesfolge an F, § 227:
I.
Grundtatbestand: Körperverletzung, § 223:
I.1.Tatbestandsmäßigkeit:
a. H
hat sich auf F geworfen und so kausal den Sturz verursacht, der eine
Kopfverletzung und Bewußtlosigkeit kausal verursachte. Kopfverletzung und
darauf beruhende Bewußtlosigkeit resultieren aus einer üblen unangemessenen
Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden mahr als nur unerheblich
beeinträchtigen. Darüber hinaus erfüllen sie die Voraussetzung einer
Gesundheitsbeschädigung. (= Hervorrufen eines vom Normalzustand abweichenden
pathologischen Zustandes)
c. Fraglich ist, ob H vorsätzlich handelte. Vorsatz ist Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung zum Zeitpunkt der Tatbegehung. Als sich H auf F warf, war ihm bewußt, daß F fallen und auf den felsigen Boden aufschlagen wurde. Daß dabei Verletzungen auftreten können war für H offensichtlich. Trotzdem hat er gehandelt. Er nahm somit die Verletzung des F billigend in Kauf. Vorsatz in Form des dolus eventualis liegt vor.
I.2. Rechtswidrigkeit:
H könnte durch Nothilfe gerechtfertigt sein (§ 32 )
1. Ein gegenwärtiger Angriff des H auf Leib und Leben der M liegt vor, da F zum Steinwurf, der den Steinschlag auslösen sollte, unmittelbar angesetzt hat, der Angriff fand also gerade statt.
Fraglich ist, ob die Verteidigungshandlung des H geeignet
war. Geeignet ist eine Verteidigungshandlung, wenn sie die sofortige und
endgültige Beseitigung des Angriffs erwarten läßt. Hier kam es trotz der
Verteidigungshandlung zu dem von F beabsichtigten Steinschlag. Allerdings wurde
dies nicht mehr durch eine Angriffshandlung des F verursacht. Vielmehr kullerte
der Stein nach dem Sturz des F aus dessen Hand den Berg hinunter. Es lag also
keine Handlung des F mehr vor. Der eigentliche Angriff war also von H wirksam
gestoppt wurden. Somit ist die Geeignetheit zu bejahen. Es würde zu weit gehen,
wollte man dem in Notwehr Handelnden die Geeignetheit seiner Abwehrhandlung
absprechen, weil durch seine Verteidigungshandlung ein neuer Kausalverlauf in
Gang gesetzt wird, der letztendlich zu einer Vollendung des Angriffs
(allerdings ohne Handeln des Angreifenden) führt. Nur wenn dieser Kauslaverlauf
für den in Notwehr Handelnden als sichere Folge seiner Handlung vorhersehbar
war, könnte man die Geeignetheit ablehnen. Wenn aber wie im vorliegenden Fall
schnell gehandelt werden muß und eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht,
daß der Steinwurf tatsächlich und endgültig verhindert werden kann, ist die
Geeignetheit zu bejahen. Denn man darf den in Notwehr handelnden „nicht
psychologisch und ethisch überfordern“ (Alwart, Zum
Begriff der Notwehr, JuS 1996, S. 954 ff.)
(a.A. vertretbar: Handlung ist nicht geeignet, da Angriff im Ergebnis nicht
gestoppt wurde. Dann ist das Problem zu behandeln, ob man zur Rechtfertigung
wegen Notwehr überhaupt die Geeignetheit des Mittels braucht.
Meinung 1: Ja. Notwehr dient dem Güterschutz
und ist jenseits dessen unzulässig. Eine Handlung kann nur erforderlich sein,
wenn sie geeignet ist. Das Gesetz verlangt eine erforderliche Handlung, fehlt
diese, ist die Tat nicht gerechtfertigt. (Jakobs, AT 2. Auflage 1991, Rn.
12/34; Warda, Jura 1990, 344 ff, Kühl, Rn. 7/97)
Folgt man Meinung 1 ist zu prüfen, ob ein Erlaubnistatbestandsirrtum oder
ein verbotsirrtum vorliegt.
Meinung a: Bei bestehendem
Verteidigungswillen ist der Notwehrtäter, der mit nicht geeignetem Mittel
versucht den Angriff abzuwehren, aber an die Geeignetheit glaubt gem. § 16 II
analog zu behandeln. Denn entscheidend für die Straffreiheit kann nicht die
objektive Geeignetheit sondern muß die subjektive Geeignetheit sein. Wenn der
untaugliche Versuch stets strafbar ist, muß die untaugliche Notwehrhandlung
straffrei bleiben (Schneble, Zum Begriff der Notwehr, JuS 1997, 959).
Meinung
b: Denkbar wäre es auch, einen Verbotsirrtum anzunehmen. Denn H kennt
zwar die Tatumstände, geht aber davon aus, sein Verhalten sei nicht verboten.
Dieser Verbotsirrtum war auch nicht vermeidbar, da H keine Zeit hatte, sich zu
informieren. Er mußte schnell handeln, um überhaupt eine Chance haben zu
können, den Angriff zu stoppen.)
Meinung 2: Notwehr ist als eine Art „Recht zum Widerstand“ zu sehen.
Notwehr als Konzeption, welche die Handlungssituation der Notwehr mit dem Wert
des Widerständigen verbindet, mit einem Wert also, den bereits ein schlichtes
Sich-Wehren zu realisieren vermag und der letztlich in der Menschenwürde (Art.
1 GG) wurzeln dürfte. Denn es kann nicht sein, daß die Ausgestaltung der
Notwehrsituation den einzelnen psychologisch und ethisch überfordert. Außerdem
ist Notwehr nicht einfach ein Unterfall eines generellen Güterschutzgedankens,
sondern antwortet in erster Linie auf einen gegenwärtigen rechtswidrigen
Angriff. (Alwart, Zum
Begriff der Notwehr, JuS 1996, S. 954 ff.)
Folgt man Meinung 2, läuft die Notwehrprüfung weiter wie unten.
3.
Erforderlichkeit liegt vor, da kein gleich geeignetes
milderes Mittel zu Verfügung stand.
4.
Verteidigungswille war gegeben.
Interessant ist hier nun, daß H die Situation selbst
heraufbeschworen hat. Insofern fragt es sich, ob er sich überhaupt auf Notwehr berufen
kann. Der Rücktrittswille dürfte das subjektive Rechtfertigungselement des
Verteidigungswillens nicht ausschließen. Wendet man die allgemeinen Grundsätze
der Notwehrprovoktation an, so ergibt dies folgendes Bild: Das Nothilferecht
bleibt dem H in dieser „Dreierkonstellaltion“ prinzipiell erhalten. Eine
etwaige Beschränkung des Spektrums sonst zulässiger Verteidigungshandlungen
unter dem Aspekt der Gebotenheit scheidet in der Situation aus. Dies gilt auch
im Hinblick darauf, daß es sich um einen 13jährigen handelt, jedenfalls dann,
wenn man sich an den Grundsätzen für die Behandlung der Angriffe Schuldloser
orientiert. Damit ist das Verhalten gerechtfertigt.
In Betracht käme eine fahrlässige Tötung (§ 222 ) dadurch, daß H den F veranlaßt hat, die Steine zu werden. Hier ist folgendes zu bedenken: Eine Anknüpfung an dieses Vorverhalten wird nach den Grundsätzen der Fahrlässigkeitsdogmatik von vielen für möglich gehalten (vgl. zur nach wie vor nicht befriedigend geklärten Koinzidenzproblematik namentlich Hruschka, JuS 1968, 554; Neumann, GA 1985, l389 ff.; Jerouschek/Kölbel, JuS 2001, 417). Diesen Schritt hat auch der 3. Strafsenat des BGH (vgl. BGH, JuS 2001, 512 [Martin]) vollzogen. Dies enthebt uns freilich nicht von der sorgältigen Prüfung der Einzelvoraussetzungen der Zurechnung. Hier erscheint insbesondere zweifelhaft, ob Meinungsänderung des H und seine mit dem Rücktritt verbundene für F tödliche Rettungshandlung objektiv vorhersehbar war. Insgesamt wird man unter Zurechnungsaspekten vor Fragen gestellt, die eine – wenn auch nur entfernte – Verwandtschaft mit jenen haben, die auch den BGH in seiner umstrittenen Entscheidung „umgetrieben“ haben.
F.
Totschlag an F durch Unterlassen (§ 212, 13):
I.
Tatbestand:
1.
objektiver Tatbestand:
a. H
unterließ es, dem verletzen F zu Hilfe zu kommen, bzw. rechtzeitig Hilfe zu
holen. Laut Sachverhalt hätte F gerettet werden können, wenn ihm bis spätestens
30 Minuten nach dem Sturz ein Druckverband am Kopf angelegt worden wäre. Dafür
hätte H sorgen können, entweder dadurch, daß er ihn selbst anlegte – H hatte in
seiner Bergausrüstung auch Erste-Hilfe-Materialien - oder durch schnelles
Herbeirufen von Hilfe. H hat das objektiv gebotene nicht getan, vielmehr machte
er sich aus dem Staub, um nicht gesehen zu werden.
b.
Die objektiv gebotene Handlung hätte den Erfolgseintritt mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert, so daß die Quasikausalität zu bejahen
ist.
c.
Garantenstellung
Fraglich
ist, ob H F gegenüber eine Garantenstellung innehatte.
aa.
aus Ingerenz:
Hier
kommt in Betracht eine Garantenstellung aus vorausgegangenem gefahrerhöhendem
Tun (Ingerenz).H hat dadurch, daß er sich auf F warf, die tatsächliche
Gefahrenlage (Kopfverletzung des F) herbeigeführt, die mangels gebotener
Hilfeleistung durch H zum Tod des F führte. Diese Tat war durch Nothilfe, § 32
, gerechtfertigt. Welche Auswirkung dies auf eine Garantenstellung aus Ingerenz
hat, ist hier zu entscheiden.
Denkbar
wäre es, eine Garantenstellung aufgrund pflichtwidrigen Vorverhaltens
grundsätzlich abzulehnen, da diese eine nur ungenau abgrenzbare Rechtspflicht
zur Folge hätte, die in ihrer Allgemeinheit die Garantiefunktion des
Tatbestandes sprengt und das unechte Unterlassungsdelikt zu einer den
nullum-crimen-Satz paralysierenden Deliktsgattung macht. (Antiingerenztheorie)
Diese Meinung führt allerdings zu untragbaren Strafbarkeitslücken, die nicht
über eine Kombination aus § 323c und Fahrlässigkeitsstraftatbeständen zu schließen
sind. Sie ist daher abzulehnen.
Denkbar
wäre auch anzunehmen eine Garantenstellung könne jedes gefahrschaffende
rechtmäßige Vorverhalten genügen, wenn es gerade im Hinblick auf den eingetretenen
Erfolg ein gefährliches war. Eine Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens wäre
demnach nicht erforderlich. (Verursachungstheorie) Denn jedermann fühlt sich für unerwünschte, aber adäquate
Auswirkungen seines eigenen Tuns unabhängig davon verantwortlich, ob sein
Vorverhalten erlaubt oder pflichtwidrig war. Hieran sollte das Strafrecht
anknüpfen. Auch wird dem Notwehr-Berechtigten die Pflicht auferlegt, das
erforderliche Mittel zu wählen. Es wäre ungereimt, ihn nach Abschluß des
Angriffs von der Pflicht, Schutzmaßnahmen zu treffen freizustellen, auch wenn
Schlimme und überflüssige Folgen für den Angreifer drohen. Demnach wäre im
Falle des H eine Garantenstellung zu bejahen.
Weiterhin
wäre es möglich, eine Garantenstellung nur dann anzunehmen, wenn das
pflichtwidrige vorausgegangene Tun im Hinblick auf die ausgelöste Gefahr
pflichtwidrig war. (Pflichtwidrigkeitstheorie) Im Falle einer Rechtfertigung
durch Nothilfe würde dann die
Garantenstellung immer entfallen.
Derjenige, der Nothilfe übt, handelt im gesetzlich zugestandenen
Rechtsraum, sein Handeln ist rechtlich gestattet. Hinzu kommt, daß der in
Notwehr handelnde nicht aufgrund eigener freier Entscheidung gegen den
Angreifer vorgeht, sondern aufgrund des gegenwärtigen Angriffs. Wer durch einen
rechtswidrigen Angriff eine Selbstgefährdung herbeiführt, kann hierdurch nicht
erzwingen, daß der Angegriffene (bzw. der Nothelfer) als Garant zu seinem
Beschützer wird. (BGHSt 23, 327) Damit wäre eine Garantenstellung des H
abzulehnen.
Im
vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, daß F den Angriff nicht aus eigenem
Entschluß ausgeführt hat, sondern daß er vielmehr durch H, der später in
Nothilfe handelt, hierzu gebracht wurde. H hat durch die Nothilfehandlung quasi
seinen eigenen Angriff auf M gestoppt. Denn F war nur Werkzeug des H. (Im Falle der Anstiftung könnte man sagen,
daß H selbst Initiator des Angriffs war.) Daß hier das Nothilferecht des H
nicht nach den Grundsätzen der „provozierten Notwehr“ eingeschränkt war, lag
lediglich daran, daß sich der Angriff gegen eine Dritte richtete, deren
Rechtsschutzinteresse unbeschränkt bestand. Dieser Rechtsgedanke entfällt hier
jedoch. Ähnlich den Grundsätzen bei der „provozierten Notwehr“, die eine
Rücksichtnahme des Notwehrtäters auf den von ihm provozierten Angreifer
fordern, muß hier bei der Prüfung, ob ein pflichtwidriges Vorverhalten des H
vorliegt mitberücksichtigt werden, daß H die Situation selbst ausgelöst hat,
die zu seinem Vorverhalten geführt hat. Daher ist eine Grarantenstellung des H
aus Ingerenz zu bejahen, auch wenn man der Pflichwidrigkeitstheorie folgt.
bb.
Garantenstellung aus Übernahme von Schutz- und Beistandspflichten.
Der
begeisterte und erfahrene Bergsteiger H hat sich erboten, den 13 jährigen F mit
auf die Bergtour zu nehmen. Damit verpflichtete er sich, wenn auch nicht
unbedingt zivilrechtlich wirksam, die Obhut für F zu übernehmen. Die
tatsächliche Übernahme genügt für die Annahme einer Garantenstellung.
cc.
Darüber hinaus bilden H und F für die Zeit der Bergtour eine enge Gefahrengemeinschaft,
die zu einem besonders engen Vertrauensverhältnis führt und damit auch zur
gegenseitigen Hilfe und Fürsorge begründen. Dies gilt um so mehr, als hier der
Erwachsene für den Minderjährigen Verantwortung übernehmen muß. Auch aus diesem
Grund ist eine Garantenstellung des H anzunehmen.
2.
Fraglich ist, ob H vorsätzlich gehandelt hat. Vorsatz
ist Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Hier ist allenfalls
denkbar dolus eventualis. Doch aus dem Sachverhalt ergibt sich kein Hinweis,
daß H die Gefahr des Todeseintritts erkannte. Und mangels Erkennen konnte er
sie auch nicht billigend in Kauf nehmen. Vorsatz ist nicht gegeben. (a.A. bei entsprechender Begründung gut
vertretbar)
Ergebnis:
H hat sich nicht wegen Totschlags an F strafbar gemacht.
G.
Körperverletzung mit Todesfolge an F durch Unterlassen, §§ 227, 13
I.
Grundtatbestand, § 223:
I.1. Tatbestandsmäßigkeit:
a.
Dadurch daß H nicht die gebotene Hilfeleistung vornahm
könnte er F körperlich mißhandelt und an der Gesundheit beschädigt haben.
Das Unterlassen einer Hilfeleistung führte jedenfalls zu einer
Gesundheitsbeschädigung, da der stetige aus der Kopfwunde fließende Blutstrom
zu einer ständigen Steigerung des pathologischen (krankhaften) Zustandes
führte. Daher kann dahingestellt bleiben, ob sich durch Unterlassen einer
Hilfeleistung das Wohlbefinden des F mehr als nur unerheblich beeinträchtigt
wurde, was für eine körperliche Mißhandlung Voraussetzung wäre.
(Schönke/Schröder/Eser,
§ 223, Rn. 3, 4)
Pflichtgemäßes Handeln war auch objektiv zumutbar.
Quasikausalität ist gegeben, da die unterlassene Handlung die
Gesundheitsbeschädigung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
verhindert hätte.
H hatte eine Garantenstellung gegenüber F inne (vgl. oben)
b.
H handelte auch vorsätzlich. Er hatte die Verletzung
des F bemerkt und ihm war die sichere Folge einer Verschlechterung des
Gesundheitszustandes des F bekannt. Trotzdem unternahm er nicht, um F zu
helfen. Er nahm den Erfolg somit billigend in Kauf.
I.2. Rechtswidrigkeit ist gegeben, insbesondere keine
Rechtfertigung über Nothilfe, da der Angriff bereits beendet war. H hat auch
schuldhaft gehandelt.
II.
Fahrlässig verursachte schwere Folge:
I.1. objektiver Tatbestand:
Das Unterlassen der objektiv gebotenen Handlung führte zum Tod
des F, da die zumutbare Handlung den Erfolg mit Sicherheit abgewendet hätte.
Der Eintritt der Todesfolge war objektiv voraussehbar. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der vorsätzlich begangen Körperverletzung und dem Todeseintritt.
Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben, insbesondere war H
sorgfaltsgemäßes Verhalten zumutbar.
H ist wegen Köperverletzung mit Todesfolge strafbar.
H. Aussetzung des F mit Todesfolge, §§ 221 III, 221 I, Nr. 1 und 2
I..
Prüfung des Grunddeliktes:
I.1.
Tatbestandsmäßigkeit:
a.
objektiver Tatbestand:
aa.
§§ 221 III, 221 I Nr. 1, Versetzen in eine hilflose Lage:
In
eine hilflose Lage wird ein Mensch versetzt, wenn er unter dem bestimmenden
Einfluß des Täters in eine Situation gebracht wird, in der er sich ohne fremde
Hilfe nicht gegen Gefahren für sein Leben oder seine Gesundheit schützen kann
und er solcher Hilfe entbehrt. (Wessels/Hettinger
Strafrecht BT/1, 24. Auflage, Heidelberg 2000, Rn. 199) F ist am Kopf verletzt
und bewußtlos, somit nicht in der Lage, sich selbst zu helfen. In diese Lage
hat ihn H versetzt, als er durch sein Handeln Sturz und Folgende Verletzung des
F verursachte. Also hat H den F in eine hilflose Lage versetzt.
bb.
§§ 221 III, 221 I Nr.2, Im-Stich-Lassen in einer hilflosen Lage:
F
befindet sich in hilfloser Lage. H entfernte mit seiner Flucht räumlich von
ihm, ließ ihn also in hilfloser Lage im
Stich.
H
müßte Obhutspflichtiger oder Beistandspflichtiger im Sinne des Gesetzes sein.
Obhutspflicht wird begründet durch ein bereits bestehendes Schutz- oder
Betreuungsverhältnis hin, hat also die Bechützergarantien im Auge. Die
Beistandspflicht nimmt Bezug auf die Rechtspflichten i.S. des § 13 I. Pflichten
von der Qualität der §§ 138, 323c reichen nicht aus.
Die
Beistandsverpflichtung des § 221 enstpricht der Garantenstellung beim unechten
Unterlassendelikt. Daher bestand bei H wie bereits im Rahmen der Prüfung der
Garantenstellung gezeigt wurde, eine Beistandsverpflichtung gegenüber F.
cc.
Durch sein Handeln (aa. und bb.) hat H
den F in die konkrete Gefahr des Todes gebracht, da der bewußtlose H weder
Hilfe alamieren, noch sich selbst einen blutstillenden Verband anlegen konnte.
b.
Vorsatz:
aa.
Als H sich auf F warf hatte er keinen Vorsatz, diesen in eine hilflose Lage zu
versetzen. Vielmehr wollte er lediglich den von F bereits angesetzten Steinwurf
verhindern.
bb.
Als H sich durch seine Flucht räumlich von F entfernte, war er sich der hilflosen
Lage des F durchaus bewußt. Er hatte die Verletzung und Ohnmacht bemerkt. Er
wußte auch, daß er die Obhutspflicht für F übernommen hatte, als er sich auf
die Bergtour begab und wollte diese auch übernehmen. Er handelte auch
vorsätzlich hinsichtlich seiner Beistendsverpflichtung.
cc. H
müßte in sein Bewußtsein aufgenommen haben, daß das Imstichlassen zu einer
bedrohlichen Verschlechterung der Lage des F führen würde.
H
hatte bemerkt, daß F durch den Sturz am Kopf verletzt und ohnmächtig geworden war.
Es sickerte in ruhigem Strom Blut aus der Wunde, was ein sicheres Zeichen für
konkrete Todesgefahr ist. Dies war H auch bewußt. Es war ihm klar, daß er mit
seiner Flucht die Rettungschancen des F erheblich verschlechterte. Also lag
Gefährdungsvorsatz vor.
I.2.
Rechtswidrigkeit (+)
I.3. Schuld (+)
II.
Fahrlässig verursachte schwere Folge, § 18:
II.
1. objektiver Tatbestand von § 221 III
H
müßte zumindest fahrlässig hinsichtlich der Todesfolge gehandelt haben (§ 18 )
Durch
die objektive Sorgfaltspflichtverletzung, entfernen, ohne die gebotene
Hilfeleistung (Druckverband) vorgenommen zu haben verursachte den Tod des F.
Dies war auch objektiv vorhersehbar.
Ein
unmittelbarer Zusammenhang zwischen vorsätzlich begangenem Grunddelikt und der
schweren Todesfolge ist gegeben.
Rechtswidrigkeit
(+)
II.2.
Rechtswidrigkeit und II.3. Schuld
liegen vor, insbesondere sind subjektive Sorgfaltspflichtsverletzung und
Vorhersehbarkeit gegeben.
Ergebnis:
§§221 II, 221 I Nr.2 (+)
Konkurrenzen:
H hat
sich durch Anscheiden des Seils wegen versuchten heimtückischen Mordes an M aus
Habgier und niedrigen Beweggründen (§§ 211, 22) in Tateinheit mit fahrlässiger
Körperverletzung an V (§ 222) und Sachbeschädigung (§ 303) strafbar gemacht.
Diese Taten stehen in Tatmehrheit (§ 53) zu einer Strafbarkeit wegen §§ 227 I,
13 (Körperverletzung mit Todesfolge an F durch Unterlassen) und § 221 III, 221
I Nr.1 und Nr. 2 (Aussetzung des F mit Todesfolge). § 227 I, 13 und § 221 III
stehen in Tateinheit. (§ 52 ). § 222 (Fahrlässige Tötung des F durch
Unterlassen) war nicht zu prüfen, da § 221 III
den § 222 verdrängt..
Teil 2: Strafbarkeit der M:
A. Totschlag an F durch
Unterlassen, §§ 212, 13:
I.1.
obj. Tatbestand:
Tod des
F wurde dadurch verursacht, daß M die gebotenen Handlung (Druckverband) nicht
vornahm.
Garantenstellung
der M aus ihrer Mitgliedschaft bei der Bergwacht:
M war
nicht im Einsatz, es besteht keine vertragliche. oder tatsächliche.
Gewährsübernahme.
Eine
Garantenstellung ergibt sich auch nicht daraus, daß sich beide am selben Berg
befanden, da hierdurch noch keine enge Gefahrengemeinschaft begründet wird.
Eine
Garantenstellung der M ist im Ergebnis zu verneinen.
B. § 221 I Nr.2,
indem sie F einfach liegen ließ:
I.
obj. Tb.:
1.
F befindet sich in hilfloser Lage
2.
M lässt F im Stich, da sie sich räumlich entfernt.
3.
Fraglich ist, ob eine Obhuts-oder Beistandspflicht der
M bestand.
Obhut
bezeichnet ein bereits bestehendes Schutz- oder Bertreuungsverhältnis. Dies
liegt hier nicht vor.
Die
Beistandspflicht entspricht der Garantenpflicht. Wie oben bereits dargelegt,
ist diese zu verneinen.
C. Unterlassene
Hilfeleistung:
I.1.
Unglück = plötzlich eingetretenes Ereignis, das erhebliche Gefahren für ein Individualrechtsgut
verursacht. Der Sturz des F stellt in diesem Sinne ein Unglück dar.
Objektiv
erforderliche Hilfeleistung wäre hier das Anlegen eines Druckverbandes.
Die
Hilfeleistung müsste der M nach den allgemein sittlichen Maßstäben unter
Berücksichtigung der Persönlichkeit und deren physischer und geistiger Kräfte
im kritischen Augenblick zumutbar sein.
M
gehört zur Bergwacht und besitzt eine Erste-Hilfe-Ausbildung, Die Belastung
durch Schreck nicht so groß, daß sie nicht noch handeln konnte. Daß sie F für
den Schuldigen hält ist für die Handlungspflicht unerheblich. Zumutbarkeit
daher zu bejahen.
M hat
sich entfernt, daher Vollendung gegeben.
I.2.
Vorsatz:
M hat
vorsätzlich hinsichtlich der Gefahrenlage, der Erforderlichkeit der
Hilfeleistung und der Zumutbarkeit gehandelt.
Im
Ergebnis daher Strafbarkeit zu bejahen.
M hat
sich lediglich gem. § 323c strafbar gemacht.