Ein Referat von

Arno Altmayer

 

 

Literaturverzeichnis:

 Breidenbach/Henssler (Hg.), Mediation für Juristen - Konfliktbehandlung ohne gerichtliche Entscheidung, 1997.

 Breidenbach, Mediation - Struktur, Chancen und Risiken von Vermittlung im Konflikt, 1995.

 Büttner, Änderungen im Familienverfahrensrecht durch das Kindschaftsreformgesetz, in: FamRZ 1998, S. 585ff.

 Diederichsen, Die Reform des Kindschafts- und Beistandschaftsrechts, in: NJW 1998, S. 1977ff.

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 Duss-von Werdt/Mähler/Mähler (Hg.), Mediation: Die andere Scheidung - Ein interdisziplinärer Überblick 1995.

 Friedmann, Die Scheidungsmediation - Anleitungen zu einer fairen Trennung, 1996.

 Greßmann, Neues Kindschaftsrecht, 1998.

 Haffke, Legalität von Mediation im deutschen Rechtsraum, in: Duss-von Werdt/Mähler/Mähler (Hg.), Mediation: Die andere Scheidung, 1995, S. 65ff.

 Haynes/Bastine/Link/Mecke, Scheidung ohne Verlierer - Ein neues Verfahren, sich einvernehmlich zu trennen, 2. Auflage 1998.

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 Mähler/Mähler, Streitschlichtung - Anwaltssache, hier: Mediation, in: NJW 1997, S. 1262ff.

 Mähler/Mähler, Zur Institutionalisierung von Mediation, in: Duss-von Werdt/Mähler/Mähler (Hg.), Mediation: Die andere Scheidung, 1995, S. 35ff.

 Mähler/Mähler, Zur Rolle des Rechts und der Rechtsanwälte, in: Duss-von Werdt/Mähler/Mähler (Hg.), Mediation: Die andere Scheidung, 1995, S. 53ff.

 Neufeldt, Zur juristischen Situation in Deutschland, in: Friedman, Die Scheidungsmediation, S. 326ff.

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 Proksch, Praxiserfahrungen mit Vermittlung (Mediation) in streitigen Sorge- und Umgangsrechtsverfahren, in: Duss-von Werd/Mähler/Mähler (Hg.), Mediation: Die andere Scheidung, 1995, S. 144ff.

 Reich, Kinder in Scheidungskonflikten, in: Krabbe (Hg.), Scheidung ohne Richter, 1995, S. 59ff.

 Salm, Wie erleben Kinder die Trennung ihrer Eltern?, in: Krabbe (Hg.), Scheidung ohne Richter, 1995, S. 86ff.

 

 

Gliederungsübersicht:

I. Einleitung

  

II. Der Familienmediator

A. Die Ausbildung

B. Mediatorische Handlungsformen

 

III. Das Verfahren der Familienmediation

A. Der Verfahrensablauf

B. Verfahrensprinzipien

1. Freiwilligkeit der Teilnahme

2. Selbstbestimmung (Autonomie) der Parteien

3. Neutralität des Mediators

4. Fairneß im Prozeß und im Ergebnis

5. Informiertheit der Konfliktparteien

6. Vertraulichkeit

 

IV. Der rechtliche Rahmen

A. Die Funktion des Rechts in der Mediation

B. Die Legalität anwaltlicher und nichtanwaltlicher Mediation

1. Mediation durch Nicht-Anwälte in freiberuflicher Praxis

2. Behördliche Mediation durch das Jugendamt

3. Die Tätigkeit des Anwaltsmediators

a) Parteiverrat?

b) Vertretung widerstreitender Interessen?

c) Anwaltliche Vertretung einer Partei nach Scheitern der Mediation

 

C. Das neue Familienrecht

1. Die gemeinsame elterliche Sorge als gesetzlicher Normalfall

2. Beratungshilfe, Beratungsanspruch und Förderung einvernehmlicher Konfliktlösungen

3. Kindeswohl und Kindesrecht

 

D. Die rechtlichen Rahmenbedingungen einzelner Mediationsfelder

1. Sorgerecht und Umgang mit dem Kind

2. Unterhalt für Kind und bedürftigen Ehegatten

3. Versorgungsausgleich

4. Ehewohnung und Hausrat

5. Eheliches Güterrecht - insbesondere die Durchführung des Zugewinnausgleichs

 

Familienmediation

 

I. Einleitung:

 

Derzeit wird annähernd jede dritte in Deutschland geschlossene Ehe wieder geschieden. Davon sind jährlich weit über 100.000 Kinder betroffen, von denen 80% das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Unter dem Scheidungskonflikt leiden diese Kinder in besonderem Maße und auf eigentümlich wehrlose Weise. Sie erleben den erzwungenen Rückzug des im Sorgerechtsstreit unterliegenden Elternteils vielfach als persönliches Verlassenwerden. Nicht selten fühlen sich selbst schuldig an dem Scheitern der Beziehung ihrer Eltern. Dieses Gefühl wird in dem Maße verstärkt, in dem sie selbst in den Mittelpunkt des Streits rücken, etwa in Fragen des Sorgerechts und des Kindesunterhalts. Die Belastung der betroffenen Kinder auf ein Mindestmaß zu reduzieren, ist ein Hauptziel der Familienmediation und auf Seiten der scheidungswilligen Eltern ein wesentlicher Motivationsgrund für die Beteiligung an einem Mediationsverfahren. Das Auseinanderbrechen der bisherigen Familiengemeinschaft kann von den Kindern leichter verkraftet werden, wenn es den Eltern gelingt, die Folgeprobleme der Scheidung einvernehmlich zu lösen und die - als solche gescheiterte - eheliche Beziehung umzuwandeln in eine neue kooperative Beziehung, die erkennbar geprägt ist von fortwirkender elterlicher Mitverantwortung.

 

Auf diesem in den U.S.A. ganz ähnlich gelagerten Problemhintergrund begannen 1973 einzelne kalifornische Gerichte, bei Sorge- und Besuchsrechtsstreitigkeiten sog. "conciliation courts" einzuschalten. Der Erfolg, den diese neugeschaffenen Institutionen in den Folgejahren zu verzeichnen hatten, war beeindruckend. In ca. 55 bis 85 Prozent der Fälle konnte eine einvernehmliche Konfliktlösung erzielt werden. Für den Bereich des Staates Kalifornien besteht seit 1980 die gesetzliche Regelung, daß in Sorge- und Besuchsrechtsstreitigkeiten stets ein Vermittlungsverfahren durchlaufen werden muß, bevor eine richterliche Entscheidung ergehen kann. Etwa die Hälfte der amerikanischen Staaten haben inzwischen Vorschriften erlassen, wonach Mediation entweder nach dem Vorbild Kaliforniens einem gerichtlichen Verfahren zwingend vorgeschaltet ist oder ihre Anordnung zumindest in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

 

In Deutschland ist seit Beginn der 80er Jahre ein zunehmendes Interesse an der Mediation in Familienkonflikten festzustellen. 1989 wurden erstmals Mediationsseminare unter der Leitung amerikanischer Trainer abgehalten. Anfang 1992 wurde in der Evangelischen Akademie Bad Boll die Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation (BAFM) gegründet. Die BAFM ist in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins organisiert. Unter ihren bisherigen Arbeitsergebnissen verdienen wegen ihres programmatischen Charakters besondere Beachtung: die "Richtlinien der BAFM für Mediation in Familienkonflikten" und die "Ausbildungsordnung der BAFM für Familienmediation". Als ordentliche Mitglieder nimmt die BAFM aus Gründen der Qualitätssicherung nur Personen auf, die nachweisen, daß sie zur professionellen Ausübung der Mediation im Sinne der BAFM-Richtlinien imstande sind. Der Befähigungsnachweis ist in der Regel durch das Zertifikat eines von der BAFM anerkannten Ausbildungsinstitutes zu führen. Die BAFM-Mediatioren gehören unterschiedlichen Berufsgruppen an. Neben Anwälten sind vor allem Psychologen und Absolventen sozialwissenschaftlicher Studiengänge vertreten.

 

Am 21. Mai 1998 ist in Würzburg im Rahmen des DAV die Arbeitsgemeinschaft "Mediation" ins Leben gerufen worden. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die in der Anwaltschaft festzustellenden Aktivitäten auf dem Feld der Mediation zu bündeln, die Fortbildung ihrer künftigen Mitglieder zu fördern und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Berufsgruppen zu unterstützen.

 

Familienmediation betrifft die Regelung der Folgen von Trennung und Scheidung. Die hierbei zu erörternden Themen decken sich weitgehend mit den Familiensachen des § 621 ZPO. Zu ihren inhaltlichen Anwendungsfeldern gehören somit neben dem Sorge- und Umgangsrecht vor allem Fragen des Unterhalts, der Auflösung des gemeinsamen Haushalts, der Aufteilung vorhandenen Vermögens und der Alterssicherung. Die Frage des Ob der Trennung oder Scheidung ist dagegen nicht Gegenstand der Familienmediation. Ihre Behandlung ist der Eheberatung bzw. Familientherapie vorbehalten. Familienmediation ist nicht notwendig und nicht ausschließlich Scheidungsmediation. Ihrem grundsätzlichen Geltungsanspruch nach kann sie etwa auch zur Lösung der Trennungskonflikte nicht verheirateter Paare herangezogen werden. Ihr bislang typisches Anwendungsfeld ist jedoch die Bewältigung von Scheidungskrisen. Unter diesem Blickwinkel soll sie im folgenden daher auch schwerpunktmäßig erörtert werden.

 

Mediation im zivilrechtlichen Bereich unterscheidet sich von einer Mediation im öffentlich-rechtlichen und im strafrechtlichen Bereich grundlegend darin, daß für sie die Prinzipien der Privatautonomie (Art. 2 I GG) und der Vertragsgestaltungsfreiheit (§§ 241, 305 BGB) gelten. Damit ist von vorneherein anerkannt, daß die Regelungsbefugnis primär in Händen der Parteien liegt. Das etwa im Strafrecht unter den Stichworten des Legaltiätsprinzips und des Verfolgungszwangs auftretende Problem einer staatlichen Primärzuständigkeit, die in der Regel eine Einbindung mediatorischer Konfliktlösungsmodelle in den Kontext des Strafverfahrens bedingt, stellt sich im Zivilrecht nicht in vergleichbarer Weise. Die als solche außer Frage stehende Regelungsbefugnis der Parteien ist gleichwohl auch hier nicht grenzenlos. Insbesondere im Rahmen der Familienmediation sind eine Vielzahl unabdingbarer gesetzlicher Schutzvorschriften zu beachten. Hierauf wird an späterer Stelle noch ausführlicher einzugehen sein.

 

 

II. Der Familienmediator:

 

A. Die Ausbildung:

 

Umfassende Mediation in Familienkonflikten wird derzeit überwiegend von Angehörigen psychosozialer und juristischer Berufsgruppen in freier Praxis angeboten. Auffallend häufig findet sich eine Verbindung von Mediatoren- und Anwaltstätigkeit. Davon zu unterscheiden ist die Vermittlungstätigkeit von Beratungsstellen in kirchlicher oder staatlicher Trägerschaft, etwa im Rahmen der jugendamtlichen Beratungshilfe nach § 17 SGB VIII . Soweit die dort angebotene Beratung sich auf Scheidungsfolgen erstreckt, liegt ihr Schwerpunkt in der Regel auf der Erarbeitung eines einvernehmlichen Konzepts zur Regelung der elterlichen Sorge und des Umgangsrechts. Was die Möglichkeiten ein interdisziplinären Zusammenarbeit von Anwälten und Nichtanwälten im Mediationsprozeß angeht, so ist eine Vielzahl von Modellvarianten denkbar. Diese reichen von einer, die rechtliche Beratung einschließenden "Komplettmediation" aus einer Hand, die im Hinblick auf die §§ 1ff RBerG grundsätzlich nur von Anwaltsmediatoren angeboten werden kann (dazu später mehr), über eine Verweisungslösung (der nichtanwaltliche Mediator überläßt die rechtliche Beratung hier einem Anwalt) bis hin zu verschiedenen Formen der Co-Mediation.

 

Die BAFM hat eine Ausbildungsordnung erarbeitet, die vom Ausschuß "Mediation" der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) als modellhaft eingeschätzt wird. Sie beruht auf dem Grundgedanken, daß Trennungs- und Scheidungskonflikte mehrdimensional sind, daß sie mit den Erkenntnismitteln einer Einzelwissenschaft nicht angemessen erfaßt werden können und daß der Familienmediator daher über eine interdisziplinär ausgerichtete Zusatzausbildung verfügen muß.

 

Voraussetzung für die Zulassung zu einer solchen Zusatzausbildung ist ein abgeschlossenes psychologisches, sozialwissenschaftliches oder juristisches Hochschulstudium, eine hieran anschließende mindestens zweijährige einschlägige Berufstätigkeit und schließlich die Möglichkeit, ausbildungsbegleitend Mediation zu praktizieren. Als Ausbildungsträger werden von der BAFM bundesweit 8 Institute anerkannt (Stand: Januar 1997).

 

Die Zusatzausbildung umfaßt mindestens 200 Zeitstunden. Zu den Lernzielen gehören neben der Entwicklung mediatorischer Schlüsselqualifikationen (etwa: teilnehmende Neutralität, Akzeptanz, interessengerechte Vehandlungsführung, Umgang mit psychodynamischen Vorgängen) insbesondere auch die Aneignung interdisziplinärer Grundkenntnisse, und zwar vorwiegend auf rechtlichem und psychologischem Gebiet. Die theoretische Ausbildung in Seminaren wird ergänzt durch ein praktisches Anwendungstraining und durch regelmäßige Supervision. Der schriftliche Abschluß besteht in der Ausarbeitung von 4 Falldokumentationen aus dem Erfahrungsbereich des angehenden Mediators. Über den erfolgreichen Ausbildungsabschluß und die Erteilung eines Zertifikats entscheidet eine vom Vorstand der BAFM eingesetzte Kommission.

 

 

B. Mediatorische Handlungsformen:

 

Die Aufgabe des Familienmediators besteht darin, als neutraler Dritter ohne Entscheidungsgewalt den Parteien auf dem Weg zu einer Einigung zu helfen. Hierfür steht ihm ein breites Spektrum von Einwirkungsmöglichkeiten zur Verfügung, die nach den Gegebenheiten des Einzelfalls eine graduelle Steigerung der Eingriffsintensität zulassen und in der Praxis üblicherweise miteinander kombiniert werden:

 

Der Mediator kann sich auf die Passivrolle eines Katalysators beschränken, indem er den Parteien lediglich den organisatorischen Rahmen für ein Gespräch bietet und dabei für eine Beachtung minimalster Regeln im Umgang miteinander sorgt. Schon von der bloßen Anwesenheit eines Dritten kann eine den Konfliktstoff versachlichende und damit gesprächsfördernde Wirkung ausgehen.

 

In der Regel wird der Mediator darüber hinaus eine aktive Verhandlungsführung zumindest in der Weise entfalten, daß er den Ablauf der Diskussion strukturiert, den Parteien bei der Verbalisierung ihrer Standpunkte und Interessen behilflich ist und durch regelmäßige Zusammenfassung des Gesprächsstandes für eine Ergebnissicherung sorgt. Auch aus dem emotionalen Bereich herrührende Kommunikationshindernisse werden - ggf. unter Einsatz therapeutischer Elemente - thematisiert. Mediation vollzieht sich insofern im ständigen Wechsel zwischen Sach- und Beziehungsebene, wobei das - als solche im Auge zu behaltende - Ziel dieses Wechselspiels nicht eine Therapie, sondern die Erarbeitung einer tragfähigen Scheidungsfolgenvereinbarung ist.

 

Mitunter kann es angebracht sein, punktuell konfliktrelevantes Expertenwissen - zB über die steuerlichen Konsequenzen von Trennung und Scheidung - in das Gespräch einfließen zu lassen. Eine umfängliche Rechtsberatung wird jedoch überwiegend als mit der Mediatorfunktion unvereinbar angesehen. Im Bedarfsfall kann auf die Möglichkeit flankierender parteilicher Beratung durch Drittanwälte verwiesen werden.

 

Im Einzelfall mag es auch vertretbar sein, daß der Mediator inhaltliche Wertungen vornimmt, eine von mehreren sich abzeichnenden Lösungsmöglichkeiten favorisiert oder schließlich gar einen umfassenden Vergleichsvorschlag unterbreitet. Hier ist jedoch in der Regel Zurückhaltung geboten. Denn bei einer derart massiven Form der Einflußnahme läuft der Mediator Gefahr, den ihm angewiesenen neutralen Standpunkt zu verlassen und die Parteien zu einer letztlich nicht autonom erarbeiteten Konfliktlösung zu verleiten.

Bei erfolgreichem Verlauf der Mediation wird es vielfach angebracht sein, das Verhandlungsergebnis schriftlich festzuhalten. Insofern fällt dem Mediator dann auch die Aufgabe der Vertragsgestaltung und Beurkundung zu.

 

 

III. Das Verfahren der Familienmediation:

 

A. Der Verfahrensablauf:

 

Auf der ersten Stufe des Mediationsprozesses wird als Grundlage des weiteren Vorgehens von den Parteien und dem Mediator ein die Verfahrensgestaltung betreffender Mediationskontrakt geschlossen. Der Mediator erklärt den Parteien zu diesem Zweck zunächst die Besonderheiten der Mediation in Abgrenzung von anderen Methoden der Konfliktbehandlung, weist auf seine eigene Rolle als neutraler Vermittler hin und informiert über die Rahmenbedingungen (zB Anzahl der voraussichtlich erforderlichen Termine, Kosten). Schließlich bespricht er mit den Parteien die Verhaltensregeln, von deren Einhaltung aus seiner Sicht der Erfolg des Verfahrens abhängt (zB: Jede Seite darf ausreden. Gefühlsäußerungen werden nicht negativ bewertet. Jede Partei verplichtet sich, über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben und die zur Nachprüfung der Angaben erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Vermögensgegenstände von Wert werden nicht unter der Hand veräußert oder beiseite geschafft). Werden diese grundlegenden "Spielregeln" von den Parteien akzeptiert, kann die inhaltliche Arbeit beginnen.

 

Zunächst wird hierzu üblicherweise eine Liste sämtlicher Probleme erstellt, die aus Sicht der Parteien einer Regelung bedürfen.

 

Daran anknüpfend erhalten die Parteien die Gelegenheit, ihre Lösungsvorschläge vorzutragen und dem Gesprächspartner die dahinter stehenden Interessen mitzuteilen. Dem Mediator fällt in dieser Phase vor allem die Aufgabe zu, den Kommunikationsprozeß als solchen in Gang zu halten und zu fördern. Dazu kann es erforderlich sein, daß er destruktive und gesprächshemmende Interaktionsmuster als solche erkennt und den Parteien bewußt macht. Im Sinne einer teilnehmenden Neutralität wird er sich auch bemühen, beiden Seiten bei der Verbalisierung ihrer Interessen und Standpunkte zu helfen, etwa indem einzelne Äußerungen nochmals wiederholt, durch Rückfragen Klarheit schafft und den Gesprächsstand zusammenfaßt.

 

Auf der Basis einer sorgfältigen Erkundung der beiderseitigen Interessenlagen kann schließlich in die eigentliche Verhandlungsphase eingetreten werden. Deren Ziel liegt in der Erarbeitung einer Gesamtlösung für sämtliche von den Parteien eingangs benannten Problemkreise. Denn nur eine solche Gesamtlösung wird sich langfristig als tragfähig erweisen können. So wird beispielsweise eine isolierte Vereinbarung zum Umgangsrecht in vielen Fällen wieder in Frage gestellt oder boykottiert werden, wenn die Frage des Unterhalts für Frau und/oder Kind streitig bleibt und keiner für beide Seiten befriedigenden Lösung zugeführt wird.

 

Eine im Mediationsprozeß erzielte Einigung wird in der Regel schriftlich in einem sog. Memorandum fixiert und kann bei Bedarf anschließend von einem Notar in eine rechtsgültige Form gebracht oder im Rahmen des Scheidungsverfahrens in einen gerichtlichen Vergleich übernommen werden.

 

 

 

 

 

B. Verfahrensprinzipien:

 

 

1. Freiwilligkeit der Teilnahme:

 

Die Konfliktparteien entscheiden selbst, ob sie sich auf ein Mediationsverfahren einlassen wollen. Von einer Freiwilligkeit in diesem umfassenden Sinne kann nicht mehr die Rede sein, wenn die Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes - wie etwa in Kalifornien - von einem vorherigen Mediationsversuch abhängig gemacht wird. Dies ist in Deutschland in dieser Form bislang nicht der Fall. Die seit 1.7.1998 geltende Regelung des § 52 II Nr. 2 FGG sieht bei Streitigkeiten, die die Person eines Kindes betreffen, jedoch immerhin eine Regelaussetzung des Verfahrens für den Fall vor, daß nach dem Dafürhalten des Gerichts ein außergerichtlicher Einigungsversuch der Parteien Erfolgschancen bietet. Das Gericht soll den Beteiligten in einem solchen Fall die Inanspruchnahme außergerichtlicher Beratung - in der Regel durch das Jugendamt (vgl. § 17 SGB VIII) - nahelegen. Ein Zwang zur Inanspruchnahme von Beratungshilfe oder Mediation geht hiervon aber nicht aus. Der Reformgesetzgeber hat von der Einführung eines obligatorischen Vermittlungsverfahrens nach amerikanischem Vorbild bewußt abgesehen. Er ist davon ausgegangen, daß ein Vermittlungsverfahren mit Zwangscharakter grundsätzlich kein geeigneter Rahmen für eine einvernehmliche Konfliktlösung ist.

 

 

2. Selbstbestimmung (Autonomie) der Parteien:

 

Die Parteien nehmen ihre Interessen in der Mediation selbst wahr. Sie sollen, vom Mediator unterstützt, eine für beide Seiten zufriedenstellende Regelung der aus Trennung und Scheidung resultierenden Probleme erarbeiten. Für das Verhandlungsergebnis sind sie selbst verantwortlich.

 

 

3. Neutralität des Mediators:

 

Neutralität ist eine wesentliche Quelle der Autorität des Mediators und unabdingbare Voraussetzung seiner Akzeptanz bei den Konfliktparteien. Der Mediator muß darauf achten, daß er sich nicht - bewußt oder unbewußt - auf die Seite einer Partei schlägt, etwa weil diese bei ihm besondere Sympathie weckt oder weil sie besonders schutzbedürftig erscheint. Neutralität erfordert indessen nicht jeglichen Verzicht auf eine Einflußnahme auf Ablauf und Ergebnis der Verhandlungen. Die Neutralitätsmaxime erfährt insoweit insbesondere durch den Fairneß-Gedanken eine Relativierung (s.u.).

 

 

4. Fairneß im Prozeß und im Ergebnis:

 

Daß der Mediator für einen formal fairen Verfahrensgang Sorge zu tragen hat, versteht sich. So muß er etwa intervenieren, wenn eine Partei ständig von der anderen in der Rede unterbrochen oder in grob verletzender Weise angegangen wird. Inwieweit er auch für die inhaltliche Fairneß getroffener Vereinbarungen Verantwortung trägt, ist demgegenüber uneinheitlich beurteilt. So wird einerseits vertreten, der Mediator sei nur in äußersten Grenzfällen zu einer Inhaltskontrolle befugt, etwa dann, wenn die von den Parteien gefundene Verhandlungslösung gesetz- oder sittenwidrig sei. Eine weitergehende Einflußnahme sei mit wesentlichen Elementen der Mediationsidee (Neutralität; Parteiautonomie) unvereinbar. Andererseits hat aber auch die Gegenposition Zustimmung gefunden, wonach der Mediator für Prozeß und Ergebnis der von ihm geleiteten Verhandlungen Fairneß gewährleisten muß. Die letztgenannte Auffassung verdient meines Erachtens den Vorzug. Eine Kollision mit der Neutralitätsmaxime ist nicht erkennbar. Neutralität bedeutet, daß der Mediator keine Partei bevorzugt und nicht zum Interessenvertreter einer Partei wird. Neutraliät ist dagegen nicht gleichbedeutend mit inhaltlicher Indifferenz. Es ist daher nicht als Neutralitätsverletzung zu werten, wenn der Mediator im Bemühen um einen fairen Ausgleich der beiderseitigen Interessen eine bestimmte Verhandlungslösung favorisiert oder eine andere, evident unfaire Lösung ablehnt. Die BAFM-Richtlinien gestehen dem Mediator die Befugnis zu einer solchen von einer "allparteilichen" Grundhaltung getragenen Fairneßkontrolle ausdrücklich zu.

 

Unfaire Lösungen können die Folge eines strukturell ungleicher Verhandlungsmacht sein. Davon könnte zB geredet werden, wenn die Einräumung eines vernünftigen Umgangsrechts von der sorgeberechtigten Mutter als Gegenleistung für die Erfüllung schlechtin überzogener Unterhaltsforderungen angeboten wird, aber auch etwa dann, wenn die unterhaltsbedürftige Ehefrau sich auf einen weit untersetzten Zahlbetrag einläßt, um der andernfalls bis zur gerichtlichen Entscheidung andauernden Sozialhilfeabhängigkeit zu entgehen. Einem sich abzeichnenden Verhandlungsungleichgewicht wird der Mediator zumindest im Wege der Bewußtmachung begegnen müssen. In geeigneten Fällen wird er die zu ihrer Überwindung die Beiziehung weiterer Fachleute, zB parteilich beratender Anwälte, empfehlen. Läßt das Machtungleichgewicht sich nicht ausräumen, ist zu prüfen, ob der davon bestimmte Konflikt überhaupt mediationstauglich ist.

 

Eine faire Lösung kann auch deswegen verfehlt werden, weil die Parteien nicht wissen, was ihnen von Rechts wegen zusteht. Informationsdefizite im rechtlichen Bereich begründen Beratungsbedarf. Inwieweit dieser vom Mediator selbst zu befriedigen ist, ist eine andere Frage (s.u.).

 

 

5. Informiertheit der Konfliktparteien:

 

Eine wahrhaft selbstbestimmte (autonome) Entscheidung der Parteien ist nur auf der Basis umfassender Informiertheit möglich. Diese muß sich erstrecken auf die entscheidungserheblichen Fakten (zB Einkommenssituation beider Parteien), auf die in Ausgleich zu bringenden Interessen - eigene und solche des Gesprächspartners - sowie auf die rechtlichen Rahmenbedingungen des Konflikts. Die rechtliche Dimension muß mit den Parteien eingehend erörtert werden. Denn diese müssen wissen, auf was sie sich einlassen. Soweit sie um einer einvernehmlichen Lösung willen Zugeständnisse machen und auf eine gerichtlich durchsetzbare Rechtspositionen verzichten, muß ihnen dies bewußt sein. Andernfalls ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß das Mediationsergebnis nachträglich wieder in Frage gestellt wird und sich als nicht tragfähig erweist. Zur Schaffung einer realistischen Entscheidungsbasis gehört es, daß die Parteien darüber aufgeklärt werden, wie eine gerichtliche Streitentscheidung voraussichtlich ausfallen würde.

 

Näherer Hinsicht bedarf in dem Zusammenhang die Frage, inwieweit es Sache des Mediators ist, die Parteien über den rechtlichen Hintergrund ihres Konflikts zu informieren. Dabei ist zunächst zu beachten, daß ein Mediator, der nicht zugleich Anwalt ist, nach Maßgabe des Rechtsberatungsgesetzes zur professionellen Erteilung von Rechtsrat von vorneherein nicht befugt ist. Wird die Mediation also von dem Angehörigen einer psychosozialen Berufsgruppe durchgeführt, wird die ergänzende Einschaltung parteilich beratender Anwälte in der Regel unverzichtbar sein. Die damit angesprochene Beschränkung der Handlungsbefugnisse gilt indessen nicht für den Anwaltsmediator. Ein solcher darf von Gesetzes wegen auch in rechtlicher Hinsicht beraten, und die Parteien werden in Kenntnis seiner im Schwerpunkt juristischen Expertenstellung solche Erwartungen naturgemäß auch an ihn herantragen. Der Anwaltsmediator befindet sich insofern in einem Rollenkonflikt. Da es in der Mediation um die Erzielung einer gerade auch rechtlich tragfähigen Einigung geht, wird er vielfach versucht und von Seiten der Parteien auch gefordert sein, vorhandene Rechtskenntnisse in das Gespräch einzubringen. Hier ist jedoch im Grundsatz Zurückhaltung geboten.

Dies ergibt sich vor allem aus der Neutralitätspflicht des Mediators. Das Familienrecht weist gerade auch dort, wo es vermögensrechtliche Ansprüche begründet, eine Vielzahl von Billigkeitsklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen auf, die weiten Raum für eine - in der Praxis recht uneinheitliche und vom Nicht-Spezialisten kaum mehr überschaubare - richterliche Rechtsgestaltung lassen. So unterscheidet sich etwa in Fragen der konkreten Unterhaltsberechnung die faktische Rechtslage im OLG-Bezirk München von derjenigen im OLG-Bezirk Düsseldorf nicht unerheblich. Aber auch im selben OLG-Bezirk ist vielfach nicht vorhersehbar, welche Verteilung des Familieneinkommens der zuständige Familienrichter als angemessen ansehen und inwieweit er Ansprüche als unbillig zurückweisen wird. Einen neutralen - und dh hier: die objektive Rechtslage widerspiegelnden - Standpunkt einzunehmen, wird dem Mediator, auch wenn er insoweit guten Willens ist, angesichts dieser Situation einigermaßen schwerfallen. Hieraus erklärt sich, daß - auch wenn die Verhandlungen von einem Anwaltsmediator geleitet werden - vor der Fixierung bindender Vereinbarungen überwiegend die Konsultation parteilich beratender, am Mediationsverfahren nicht unmittelbar beteiligter Anwälte als wünschenswert angesehen wird. Ein Anwaltsmediator braucht vorhandene Rechtskenntnisse gleichwohl nicht völlig auszublenden. Er sollte diese vielmehr in kontrollierter Weise für den Mediationsprozeß fruchtbar machen. Die bloße Information über rechtliche Einzelaspekte des Konflikts wird denn auch im allgemeinen als unproblematisch empfunden. Zum Zwecke gezielter und umfassender Rechtsberatung - so wird vielfach gefordert - sollten die Parteien dagegen an parteilich beratende Drittanwälte verwiesen werden. Die BAFM hält dies zumindest vor dem Abschluß rechtsverbindlicher Vereinbarungen für unumgänglich. Daß dem Anwaltsmediator mit diesem Verweisungsmodell eine einigermaßen unsichere Gratwanderung zwischen Mediation und anwaltlicher Beratung abverlangt wird, bei der er sich nicht an klaren begrifflichen Wegmarken orientieren kann, sondern gewissermaßen auf eine intuitive Trittsicherheit angewiesen ist, wird an der vom Committee of Ministers gewählten Formulierung der diesbezüglichen Verhaltensmaxime deutlich: "the mediator may give legal information but should not give legal advice".

 

Die Grenzen zwischen Information und Beratung sind fließend. Sie verschwimmen vollends, wenn man den Informationsauftrag des Mediators dahin faßt, er habe die Parteien auch über den voraussichtlichen Ausgang eines gerichtlichen Streitentscheidungsverfahrens aufzuklären. Eine in der Sache wesentlich weitergehende Beratungsleistung wird auch von einem beigezogenen Drittanwalt nicht zu erwarten sein, vor allem wenn dieser - wie vielfach gefordert wird - seine Tätigkeit der Logik und den Zielen des Mediationsverfahrens zu unterstellen hat. Starre Lösungen, die Information zulassen, Beratung jedoch zwingend einem Drittanwalt vorbehalten wollen, werden der Sache und den Parteiinteressen nicht immer gerecht. In hierfür geeigneten, dh insbesondere in tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen spricht einiges dafür, Ausnahmen von dem Grundsatz flankierender parteilicher Beratung zuzulassen. Hier sollte es schon aus Gründen der Verfahrensökonomie dem Anwaltsmediator nicht verwehrt sein, die Parteien mit den maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingungen ihres Konflikts vertraut zu machen und auf eine - gerade auch im Lichte des Rechts - faire Lösungsmöglichkeit hinzuweisen. Wenn auf eine parteiliche Beratung durch Drittanwälte verzichtet wird, trifft den Anwaltsmediator im Hinblick auf die "Richtigkeit" seiner juristischen Konfliktbeurteilung allerdings eine gesteigerte Sorgfaltspflicht und ein - in der Anwaltshaftpflicht normalerweise mitversichertes - Regreßrisiko. Für die Möglichkeit eines solchen auch in rechtlicher Hinsicht kompletten Mediationsangebots aus einer Hand sprechen nicht zuletzt auch Kostengesichtspunkte. Mediation wird in der Regel zeitabhängig abgerechnet. Im Durchschnitt ist mit 5-10 Sitzungen (Doppelstunden) zu rechnen. Die Stundensätze liegen meist zwischen 150,- und 400,- DM. Für die schriftliche vertragsmäßige Fixierung des Verhandlungsergebnisses wird vielfach noch ein Zusatzhonorar in Höhe einer Vergleichsgebühr vereinbart. Das Gesamthonorar des Anwaltsmediators kann sich auf diese Weise leicht auf mehrere tausend DM summieren. Sollen dann noch weitere parteilich beratende Anwälte eingeschaltet werden, die nach ähnlichen Grundsätzen liquidieren, wird die Mediation für viele Paare ein kaum mehr erschwinglicher Sonderweg. Hier ist auch zu bedenken, daß gewisse scheidungsbedingte Kosten sich auch durch eine erfolgreiche Mediation nicht einsparen lassen, sondern unvermeidbar zusätzlich anfallen, so insbesondere die Gerichts- und die Anwaltskosten für die Scheidung als solche. Soll das Mediationsergebnis in einen vollstreckbaren Titel umgesetzt werden, fallen auch hierfür wieder Notar- oder Gerichtskosten an. Eine weitgehende Befriedigung des Bedürfnisses nach rechtlicher Information im Mediationsverfahren selbst wird daher in vielen Fällen den finanziellen Interessen der Parteien eher entsprechen als eine diesbezügliche Verweisung an besondere Beratungsanwälte. Der Mediator wird nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden müssen, ob ein solch integratives Vorgehen im Einzelfall vertretbar und daher von ihm zu empfehlen ist. Es verbietet sich insbesondere dann, wenn eine Partei - etwa als Auswirkung strukturell ungleicher Verhandlungsmacht - durchsetzbare Rechtspositionen in einem nicht mehr vertretbarem Umfang aufzugeben willens ist und eine per saldo interessengerechte und faire Gesamtlösung des Konflikts ohne Drittintervention nicht mehr möglich erscheint. Der Schwäche und besonderen Schutzbedürftigkeit einer solchen Partei wird am besten durch eine entschieden parteiliche Beratung zu begegnen sein. Diese kann der Mediator jedoch nicht selbst leisten, ohne seinen neutralen Standpunkt und damit seine Mediatorenrolle aufzugeben. Hier ist die Einschaltung von Drittanwälten angezeigt.

 

 

6. Vertraulichkeit:

 

Der Mediator unterliegt einer strengen Schweigepflicht. Die im Mediationsgespräch erlangten Kenntnisse dürfen außerhalb desselben ohne Zustimmung der Beteiligten nicht verwendet werden. In einem etwaigen gerichtlichen Verfahren darf der Mediator nicht als Zeuge benannt werden.

 

 

IV. Der rechtliche Rahmen

 

 

A. Die Funktion des Rechts in der Mediation:

 

Das Recht eröffnet die Möglichkeit eigenverantwortlicher Konfliktregelungen im Zusammenhang der Mediation, indem es - jedenfalls für den zivilrechtlichen Bereich - die Grundsätze der Privatautonomie und der Vertragsgestaltungsfreiheit anerkennt.

 

Das Recht begrenzt den Spielraum privatautonomer Konfliktregelung, indem es bestimmten Vereinbarungen bereits aus inhaltlichen Gründen von vorneherein die rechtliche Gültigkeit versagt. So ist etwa ein bewußt zu Lasten der Sozialhilfe geschlossener Unterhaltsverzicht unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nichtig. Auf Trennungs- wie auf Kindesunterhalt für die Zukunft kann nicht wirksam verzichtet werden (§§ 1614 I , 1361 IV, 1360a III BGB).

 

Das Recht hält dazu an, die in den Mediationsverhandlungen erzielten Zwischen- und Endergebnisse einer permanenten Fairneßkontrolle zu unterziehen. Gerade die familienrechtlichen Vorschriften mit ihrem ausgeprägten Drängen auf angemessene und der Billigkeit entsprechende Lösungen fordern - wie kaum ein anderer Normenkomplex - eine dahingehende Instrumentalisierung.

 

Das Recht stellt einen reichen Fundus typisierter und insbesondere vertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten bereit. Es ist Aufgabe der Mediation, diese differenziert und kompetent zu nutzen und in dem durch sie vorgegebenen Rahmen mit den Parteien interessengerechte, praktikable und zufriedenstellende Lösungen zu erarbeiten. Dabei sind insbesondere auch bestehende Formzwänge (zB §§ 313, 1378 III BGB) und Zeitgrenzen (zB § 1408 II BGB) zu beachten.

 

 

B. Die Legalität anwaltlicher und nichtanwaltlicher Mediation:

 

 

1. Mediation durch Nicht-Anwälte in freiberuflicher Praxis:

 

Ein Mediator, der ohne Anwalt zu sein, eine umfassende Mediationsleistung anbietet, die insbesondere auch die Aushandlung und Fixierung einer konkreten Scheidungsfolgenvereinbarung einschließt, verstößt gegen das Rechtsberatungsgesetz. Bei einer solchen Tätigkeit handelt es sich um eine nach § 1 RBerG erlaubnispflichtige, jedoch nicht erlaubnisfähige geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Denn das dabei zwingend erforderliche Rechtsgespräch kann sich naturgemäß nicht auf allgemeine Informationen über die Rechtslage beschränken. Indem es auf eine konkrete Vereinbarung hindrängt, greift es unvermeidbar über in den Bereich der einzelfallbezogenen Rechtsanwendung und Vertragsgestaltung. Damit ist die Schwelle zur Rechtsberatung bzw. zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten aber überschritten. Die fragliche Tätigkeit ist nicht nach § 1 I 2 RBerG erlaubnisfähig. Auch eine ausnahmsweise Erlaubnisfreiheit nach § 5 Nr. 1 RBerG scheidet aus. Die Vorschrift betrifft Fälle, in denen Kaufleute oder sonstige Gewerbetreibende für ihre Kunden einzelne Rechtsangelegenheiten erledigen, die mit einem gewerblichen Grundgeschäft in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Mediatoren sind als Freiberufler aber keine Gewerbetreibende, und eine analoge Gesetzesanwendung scheidet vorliegend schon darum aus, weil das Element der rechtlichen Gestaltung nicht untergeordnetes Hilfsgeschäft, sondern Hauptinhalt der Mediation ist. Soweit Mediation daher von Angehörigen psychosozialer Berufsgruppen angeboten wird, müssen zu irgendeinem Zeitpunkt Anwälte in das Mediationsverfahren eingebunden werden, sei es als Co-Mediatoren oder sei es als parteilich beratende Anwälte.

 

 

2. Behördliche Mediation durch das Jugendamt:

 

Die Befugnis der Jugendämter, im Rahmen ihres "Mediationsauftrages" auch rechtsberatend tätig zu werden, ergibt sich aus § 3 Nr. 1 RBerG.

 

 

3. Die Tätigkeit des Anwaltsmediators:

 

a) Parteiverrat?

 

Parteiverrat im Sinne des § 356 StGB ist in der Mediatorentätigkeit nicht zu sehen. Ein solcher käme nur dann in Betracht, wenn die Beauftragung sich auf eine interessengegensätzliche Beratung und/oder Vertretung beziehen und den Anwalt zu einem parteilichen Tätigwerden verpflichten würde. Genau das wird durch die medationstypischen Verfahrensmaximen jedoch ausgeschlossen. Der Anwaltsmediator hat sich neutral und unparteilich zu verhalten und zusammen mit den Parteien auf eine einvernehmliche Lösung hinzuarbeiten.

 

b) Vertretung widerstreitender Interessen?

 

Auch das Verbot einer Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a IV BRAO) steht einer Mediatorentätigkeit des Anwalts nicht entgegen, da dieser in der Mediation nicht die Interessen der einen oder anderen Partei vertritt, sondern als neutraler Dritter daran mitwirkt, die beiderseitigen Interessen in einen fairen Ausgleich zu bringen. Der BRAK-Ausschuß Mediation hat in seinem Schlußbericht 1996 hierzu festgestellt, es sei "dem Rechtsanwalt gerade nicht verwehrt, Parteien mit unterschiedlichen Ausgangsinteressen zu beraten, wenn die Beratung als solche im übergeordneten Interesse beider mit dem Ziel einer Einigung gewährt wird, so daß die Beratung im Ergebnis nicht im entgegengesetzten Interesse der jeweils anderen Partei erfolgt". Das übergeordnete Interesse, dem der Anwalt in der Mediation dient, ist das Interesse der Familie einschließlich mitbetroffener Kinder an einer konstruktiven - und das heißt in der Regel: einvernehmlichen - Bewältigung der Scheidungskrise. Die Familie als ganze sollte in diesem Zusammenhang als Interessenträger verstanden werden.

 

c) Anwaltliche Vertretung einer Partei nach Scheitern der Mediation:

 

Der Rollenwechsel vom Mediator zum Parteianwalt und umgekehrt ist mit wesentlichen Grundgedanken des anwaltlichen Berufsrechts nicht zu vereinbaren. Im übrigen läge in einem solchen Verhalten ein schwerwiegender persönlicher Vertrauensbruch. Denn als Parteianwalt würde der Mediator nunmehr von Informationen Gebrauch machen, die ihm gerade in dem Vertrauen zugänglich gemacht worden sind, daß sie in einer etwaigen gerichtlichen Auseinandersetzung keine Verwendung finden werden.

 

 

C. Das neue Familienrecht:

 

Am 1.7.1998 sind mehrere Gesetze in Kraft getreten, durch die das Familienrecht - und hier insbesondere das Kindschaftsrecht - eine durchgreifende Reform erfahren hat. Die gesetzlichen Neuerungen sind auch für den Bereich der Mediation von erheblicher Bedeutung, und sollen daher an dieser Stelle näher betrachtet werden. Vorab sei bemerkt, daß das Reformwerk insbesondere in der Regelung von Fragen, die das Kind betreffen (Sorge- und Umgangsrecht), eine in der Grundtendenz mediationsfreundliche Neuorientierung erkennen läßt, indem es dem Gesichtspunkt der bleibenden elterlichen Mitverantwortung verstärkt Rechnung trägt und in einem etwaigen Streit um das Kind mehr als bisher auf Beratungs- und Vermittlungslösungen setzt.

 

 

1. Die gemeinsame elterliche Sorge als gesetzlicher Normalfall:

 

Die elterliche Sorge wird in Zukunft auch im Fall der Scheidung von den Eltern grundsätzlich weiterhin gemeinsam ausgeübt. Eine Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil stellt nach der gesetzlichen Wertung (§ 1671 BGB n.F.) demgegenüber insofern den Ausnahmefall dar, als sie nur auf Antrag eines Elternteils und nur bei Vorliegen bestimmter sachlicher Voraussetzungen (Zustimmung des anderen Elternteils oder bessere Verwirklichung des Kindeswohls) erfolgen kann.

 

Zum Vergleich: Nach § 1671 IV 1 BGB a.F. war die elterliche Sorge im Scheidungsfall zwingend einem Elternteil allein zu übertragen. Diese Regelung war jedoch bereits 1982 vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt worden. In der familiengerichtlichen Praxis konnte daher, wenn beide Elternteile dies wünschten, auch bisher schon auf eine gemeinsame Ausübung des Sorgerechts erkannt werden. Das Familiengericht mußte über die Sorgerechtsfrage aber in jedem Fall eine Entscheidung treffen.

 

Das Novum liegt nun darin, daß die gemeinsame elterliche Sorge, wenn sie vor der Scheidung bestanden hat, von der Scheidung als solcher nicht mehr berührt wird. Sie besteht automatisch über den Scheidungszeitpunkt hinaus fort, ohne daß es hierzu einer richterlichen Entscheidung bedarf. Der Gesetzgeber hat damit - durchaus im Sinne eines Grundanliegens der Familienmediation - die gleichberechtigte Mitverantwortung beider Elternteile für das Kind auch in der Nach-Scheidungssituation als den Normalfall anerkannt. Die Ausgestaltung dieser gemeinsamen Sorgeverantwortung ist Sache der Eltern. Der Konfliktbereich "elterliche Sorge", bislang durch zwangsweise Einbindung in den Scheidungsverbund vom Gericht usurpiert, wird den Eltern zur eigenverantwortlichen Regelung zurückgegeben. Das Familiengericht hat nur noch auf besonderen Antrag eines Elternteils hin eine Sorgerechtsentscheidung zu treffen. Verfahrenstechnisch gesprochen: Die elterliche Sorge ist aus dem Zwangsverbund der Scheidung herausgenommen; sie ist im Rahmen der gerichtlichen Scheidungsauseinandersetzung keine notwendige Folgesache mehr. Demgemäß genügt für eine einvernehmliche Scheidung im Sinne des § 1566 I BGB gemäß § 630 I Nr. 2 ZPO n.F. nunmehr eine übereinstimmende Erklärung beider Ehegatten, daß Anträge zum Sorgerecht nicht gestellt werden, weil über das Fortbestehen der gemeinsamen Sorge und über die Ausübung des Umgangsrechs eine Einigung erzielt worden ist.

 

 

2. Beratungshilfe, Beratungsanspruch und Förderung einvernehmlicher Konfliktlösungen:

 

Trennungs- bzw. scheidungswilligen Eltern wird in § 17 SGB VIII n.F. ein ausdrücklich als solcher bezeichneter Anspruch auf Beratung und Unterstützung eingeräumt. Das als solches bereits vorhandene Beratungsangebot des Jugendamtes wird damit ergänzt durch ein diesbezügliches subjektives Recht der Konfliktparteien. Ziel der Beratung ist - wie bisher schon - die Erarbeitung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge, das ggf. als Grundlage für eine richterliche Sorgerechtsentscheidung dienen kann. Letztere ist allerdings, wie oben ausgeführt, nur dann veranlaßt, wenn ein Elternteil Antrag auf Übertragung der Alleinsorge stellt.

 

Das Bemühen um eine einvernehmliche Lösung steht nicht mehr im gleichen Maße wie bisher im Belieben der Parteien. Die Möglichkeiten einer gerichtlichen Einflußnahme sind durch den neu ins Gesetz eingefügten § 52 FGG insoweit erweitert worden. Das Gericht ist nunmehr gesetzlich gehalten, in Streitigkeiten, die die Person eines Kindes betreffen, "so früh wie möglich und in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinzuwirken" und in dem Zusammenhang gezielt auf die Beratungsmöglichkeiten im Rahmen der Jugendhilfe hinzuweisen. Sofern außergerichtliche Einigungsversuche aus richterlicher Sicht Aussicht auf Erfolg versprechen, soll das streitige Verfahren ausgesetzt werden, um den Parteien Gelegenheit hierzu zu geben. Die in § 52 FGG angesprochene Beratungsmöglichkeit ist in erster Linie diejenige, die von den Trägern der Jugendhilfe angeboten wird (vgl. § 52 I FGG). "Außergerichtliche Beratung" im Sinne des § 52 II FGG kann nach Wahl der Beteiligten aber auch eine solche durch private Mediatoren sein. Eine solche wird insbesondere dann als Alternative in Betracht zu ziehen sein, wenn über die Fragen von Sorge- und Umgangsrecht hinaus eine weitergehende, das gesamte Scheidungsfolgenpaket umfassende Konfliktberatung gewünscht wird.

 

Eine weitere verfahrensrechtliche Neuerung beinhaltet § 52a FGG. Hiernach fallen dem Gericht selbst von Gesetzes wegen quasi-mediatorische Aufgaben zu, wenn die Durchführung einer zuvor ergangenen gerichtlichen Umgangsregelung von einem Elternteil vereitelt oder erschwert wird. Auf Antrag eines Elternteils bestimmt das Familiengericht einen Vermittlungstermin. In diesem erörtert es mit den Parteien den Konflikt, versucht, zwischen ihnen zu vermitteln und wirkt auf eine einvernehmliche Lösung zum Wohle des Kindes hin. Soweit eine von der ursprünglichen gerichtlichen Regelung abweichende Einigung erzielt wird, die den Kindesinteressen nicht widerspricht, wird diese als Vergleich protokolliert. Obwohl dieses Verfahren durchaus mediationstypische Elemente enthält, unterscheidet es sich von einer Familienmediation im hier zugrunde liegenden Sinne des Begriffs wesentlich darin, daß der vermittelnde Dritte - dh der Richter - für den Fall des Scheiterns seiner Vermittlungsbemühungen mit Entscheidungsgewalt ausgestattet ist. Die Teilnahme an dem gerichtlichen Vermittlungsverfahren als solche erfolgt auch nicht freiwillig. Die Eltern werden nicht eingeladen, sondern autoritativ "geladen". Des weiteren werden sie in dem Termin eigens auf die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung gerichtlicher Umgangsregelungen nach § 33 FGG hingewiesen.

 

 

3. Kindeswohl und Kindesrecht:

 

In einer bisher nicht erreichten Deutlichkeit stellt der neugefaßte § 1626 III BGB klar, daß - wie immer die Frage des Sorgerechts geregelt sein mag - das Kindeswohl im Normalfall den Umgang mit beiden Elternteilen erfordert. Gemäß § 1684 I BGB n.F. steht dem Kind gar ein eigenes Recht auf Umgang mit jedem Elternteil zu. Die Eltern haben hierfür die Rahmenbedingungen zu schaffen. Sie sind insofern in der Pflicht. Soweit dies zur Wahrnehmung der Kindesinteressen erforderlich ist, kann das Gericht dem Kind nach dem neu eingefügten § 50 FGG insbesondere auch für ein streitiges Sorge- oder Umgangsrechtsverfahren einen Pfleger bestellen. Dieser muß - obwohl er in der Literatur vielfach als "Anwalt des Kindes" bezeichnet wird - kein Anwalt sein. Auch sonstige qualifizierte Personen wie etwa Sozialarbeiter, Sozialpädagogen oder Kinderpsychologen kommen als Verfahrenspfleger in Betracht.

 

Im Hinblick auf mögliche Umgangstreitigkeiten wird, der materiellrechtlichen Regelung des § 1684 BGB I n.F. folgend, in § 18 III 1 SGB VIII nun auch verfahrensrechtlich die Erkenntnis umgesetzt, daß das Kind nicht nur als Streitobjekt, sondern auch als Träger eigener Rechte an derartigen Auseinandersetzungen beteiligt ist. Demgemäß wird auch betroffenen Kindern und Jugendlichen ein eigener Beratungsanspruch zuerkannt. In dem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, daß eine zwangsweise Durchsetzung gerichtlicher Umgangsregelungen gemäß § §§ 33 II 2 FGG nicht mehr möglich ist, soweit hierzu Gewalt gegen das Kind angewendet werden müßte.

 

 

Zusammenfassend läßt sich sagen: Die Gesichtspunkte des Kindeswohls und des Kindesrechts ergänzen und verstärken sich in dem hier interessierenden Zusammenhang und lassen in der Zusammenschau mit den oben erwähnten Verfahrensneuregelungen, die die Verhandlungsmacht der Eltern in Sorge- und Umgangsfragen stärken, ein deutliches Gefälle hin zu vermittlungsorientierten und damit im weiteren Sinne mediatorischen Konflitklösungsmodellen erkennen.

 

 

D. Die rechtlichen Rahmenbedingungen einzelner Mediationsfelder:

 

 

1. Sorgerecht und Umgang mit dem Kind:

 

Entscheiden sich die Eltern für eine Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts, so sind sie in der inhaltlichen Ausgestaltung dieses Grundkonsenses im wesentlichen frei. Eine von ihnen erzielte Einigung unterliegt - anders als bisher - infolge der Herausnahme der Sorgerechtsfrage aus dem Zwangsverbund der Scheidung seit dem 1.7.1998 keiner richterlichen "Endkontrolle" mehr und bedarf auch keiner richterlichen Bestätigung. Allen Vereinbarungen der Eltern in Sachen Sorge- und Umgangsrecht eignet jedoch insofern eine gewisse Vorläufigkeit, als sie jederzeit durch abweichende gerichtliche Regelungen ersetzt werden können, wenn ein Elternteil dies beantragt (§§ 1671, 1684 BGB) oder wenn wegen einer massiven Gefährdung des Kindeswohls (§ 1666, 1666a BGB) ausnahmsweise ein amtswegiges Einschreiten des Familiengerichts erforderlich wird.

 

 

2. Unterhalt für Kind und bedürftigen Ehegatten:

 

Den Parteien steht wechselseitig ein rechtlicher Anspruch auf Offenlegung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu (vgl. §§ 1580, 1605 BGB). Im gerichtlichen Unterhaltsverfahren wird häufig auf einer ersten Stufe um die Durchsetzung dieses Anspruchs gestritten. In der Mediation gehört es zu den grundlegenden Fairneßregeln, daß beide Seiten ihre Einkommenssituation zutreffend und vollständig darlegen. Die Verteilung des zur Verfügung stehenden Familieneinkommens auszuhandeln, ist Sache der Parteien. Als sachgerechter Maßstab kann etwa der tatsächliche beiderseitige Lebensbedarf herangezogen werden. Insoweit kann von den im gerichtlichen Verfahren üblicherweise verwendeten Kriterien (Tabellenunterhalt für das Kind, Quotenunterhalt für die Ehefrau) abgewichen werden. Dabei ist jedoch die Gefahr zu sehen, daß eine Seite unbewußt auf durchsetzbare Rechtspostitionen verzichtet. Daher sollte vor Abschluß einer Unterhaltsvereinbarung darüber aufgeklärt werden, wie sich eine Unterhaltsbemessung im gerichtlichen Verfahren voraussichtlich darstellen würde.

 

Für den rechtsverbindlichen Abschluß von Unterhaltsvereinbarungen gilt kein Formzwang. Aus praktischen Gründen empfiehlt sich jedoch zumindest eine schriftliche Fixierung. Was den Ehegattenunterhalt für die Zeit nach der Scheidung angeht, so kann hierauf in den durch § 138 BGB vorgegebenen Grenzen (s.o.) ganz oder teilweise verzichtet werden (§ 1585c BGB). Hier ist darum im Rahmen der Mediation besondere Vorsicht geboten. Ein wirksamer Total- oder Teilverzicht schließt eine spätere gerichtliche Geltendmachung davon betroffener Unterhaltsansprüche aus. Der Regelungsbereich "Ehegattenunterhalt" ist daher ausgesprochen regreßträchtig und bedarf in der Mediation einer besonders sorgfältig und auch in rechtlicher Hinsicht fundierten Behandlung.

Hinsichtlich des Kindesunterhalts ist ein zukunftsbezogener Verzicht - auch ein nur partieller - gemäß § 1614 BGB nicht möglich. Wird zunächst ein unangemessen niedriger Zahlbetrag vereinbart, bleibt die gerichtliche Geltendmachtung von Nachforderungen daher möglich.

 

Da der Mediationsversuch nicht nur die Chance des Gelingens, sondern auch das Risiko des Scheiterns in sich birgt und dem beteiligten Parteien aus einem etwaigen Scheitern keine Rechtsnachteile erwachsen sollen, wird der Mediator im Blick haben müssen, daß Unterhalt für die Vergangenheit nur unter bestimmten Voraussetzungen verlangt werden kann. Beim Kindesunterhalt genügt neuerdings (seit 1.7.1998) gemäß § 1613 BGB n.F. bereits ein Auskunftsverlangen, beim Ehegattenunterhalt muß der Schuldner dagegen wie bisher in Verzug gesetzt oder verklagt werden (§ 1585b BGB). Die Aufnahme von Verhandlungen im Rahmen eines Mediationsgesprächs erfüllt diese rechtswahrende Funktion jedenfalls nicht. Der Mediator muß hierauf hinweisen, wenn er sich insoweit nicht der Gefahr eines Regreßanspruchs aussetzen will.

 

Als unterhaltsrechtliche Besonderheit ist des weiteren zu beachten, daß der Gläubiger nicht nur einen Anspruch auf Erfüllung, sondern nach hM auch einen solchen auf Titulierung seiner Forderung hat. Die diesbezügliche Umsetzung einer Mediationsvereinbarung in einen vollstreckungsfähigen Titel wird im allgemeinen zu empfehlen sein. Wird die Frage in den Mediationsverhandlungen angesprochen, so mag der Unterhaltsverpflichtete dies zunächst als Infragestellung seiner Zahlungsmoral und damit seiner persönlichen Integrität empfinden. Der Sinn eines solchen Vorgehens wird ihm aber in der Regel einsichtig zu machen sein. Denn wenn es später zu Unstimmigkeiten kommt, müßte andernfalls die unterhaltsbedürftige Partei zunächst aus der Unterhaltsvereinbarung klagen und einen Titel erstreiten, um aus diesem dann vollstrecken zu können. Dieser Weg wäre umständlich, zeitraubend und der anderen Seite schon darum nicht zuzumuten, weil gerade die pünktliche und kontinuierliche Erfüllung der Unterhaltspflicht für diese von existentieller Bedeutung ist. Die Frage, wer etwaige Kosten einer Titulierung zu tragen hat, ist wird auch in der Rspr. uneinheitlich beurteilt. Der konsensualen Zielrichtung des Mediationsverfahren dürfte eine Kostenteilung am besten entsprechen. Was den Kindesunterhalt angeht, so können die Parteien beim Jugendamt kostenfrei einen Urkundstitel errichten lassen (§§ 59, 60 SGB VIII). Der Ehegattenunterhalt kann urkundlich vom Notar oder durch Aufnahme in einen gerichtlichen Vergleich tituliert werden.

 

In geeigneten Fällen sollten die Parteien auf mögliche Steuervorteile hingewiesen werden, die sich aus der Durchführung des sog. begrenzten Realsplittings nach § 10 I Nr. 1 EStG ergeben können. Erklärt sich der Berechtigte hiermit einverstanden - wozu er gemäß § 242 BGB verpflichtet ist - und unterzeichnet er die Anlage U der Einkommenssteuererklärung des Verpflichteten, so kann dieser seine Unterhaltszahlungen bis zur Höhe von 27.000,- DM jährlich als Sonderausgaben absetzen. Der Berechtigte muß andererseits den erlangten Unterhalt als Einkommen versteuern. Den dadurch eintretenden finanziellen Nachteil hat der Unterhaltsschuldner ihm jedoch zu erstatten. Das Verfahren führt in vielen Fällen zu einem steuerlichen Nettovorteil und damit zu einer Erhöhung des für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Familieneinkommens. Es liegt nahe, im Rahmen der Mediationsvereinbarung eine Teilung dieses Vorteils zu vereinbaren.

 

 

3. Versorgungsausgleich:

 

Der Versorgungsausgleich wird nach wie vor als notwendige Folgesache vom Familiengericht von Amts wegen durchgeführt (§ 623 I 3 ZPO n.F.). Der Versorgungsausgleich ist einer Regelung durch Parteivereinbarung nur in beschränktem Umfang zugänglich. Im einzelnen ist folgendes zu beachten:

 

Ein vollständiger Ausschluß des Versorgungsausgleichs kann im Vorfeld eines Scheidungskonflikts bereits durch notariellen Ehevertrag erfolgt sein (§ 1408 BGB). Dann ist der Versorgungsausgleich grundsätzlich kein Thema der Mediation mehr. Etwas anderes gilt nur dann, wenn innerhalb eines Jahres nach Abschluß des Ehevertrages Scheidungsantrag gestellt worden ist. In dem Fall ist der Ausschluß des Versorgungsausgleichs gemäß § 1408 II BGB unwirksam.

 

Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich sind gemäß § 1587o BGB auch im Zusammenhang der Scheidung noch möglich. Um wirksam zu werden, müssen sie jedoch gemäß §§ 1587o II, 127a BGB notariell beurkundet oder in einen gerichtlichen Vergleich aufgenommen werden. Außerdem unterliegen sie als Folge des in § 1587o II 3,4 BGB statuierten Genehmigungsvorbehalts zwingend und stets einer richterlichen Inhalts- und Fairneßkontrolle.

 

Für das Mediationsgespräch ist daher zu beachten, daß in dessen Zusammenhang eine unmittelbar rechtsgültige Vereinbarung zum Versorgungsausgleich nicht getroffen werden kann und daß die Möglichkeit der wirksamen Umsetzung einer hier erzielten Verständigung - im Hinblick auf die dazu notwendige Genehmigung des Familiengerichts - von ihrem Fairneßgehalt im Gesamtkontext der vermögensrechtlichen Scheidungsfolgenregelung (insb. zu Unterhalt, Vermögensauseinandersetzung und Alterssicherung) abhängt.

 

 

4. Ehewohnung und Hausrat:

 

Schon durch die Formulierung des § 1 HausratV ("Können sich die Ehegatten ... nicht darüber einigen...") hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, daß er in diesem Regelungsbereich eine einvernehmliche Lösung durch die Parteien für naheliegend und ausgesprochen wünschenswert erachtet. Sie ist im übrigen auch Voraussetzung einer einvernehmlichen Scheidung nach §§ 630 I Nr. 3 ZPO, 1565, 1566 I BGB. Nur wenn eine Einigung nicht zustande kommt, soll auf Antrag das Gericht entscheiden. Ein Streit um die Ehewohnung und - vor allem - ein Streit um einzelne Hausratsgegenstände ist nicht nur für den damit befaßten Familienrichter, sondern letztlich auch für die Parteien eine eher mißliche Angelegenheit. Denn der Richter entscheidet, soweit er Rechtsverhältnisse zu gestalten hat, nach Ermessen mit Rücksicht auf das Wohl der Kinder und die Interessen des Gemeinschaftslebens (§ 2 HausratV). Das Ergebnis solcher Ermessensentscheidungen ist weithin unvorhersehbar. Ihre Veranlassung treibt zudem den Streitwert und damit die Gerichts- und Anwaltsgebühren in die Höhe. Vieles spricht somit dafür, einer außergerichtlichen Verhandlungslösung den Vorzug zu geben.

 

Vertragliche Vereinbarungen über die Verteilung des Hausrats sind formfrei möglich. Das gilt auch für die Übertragungsgeschäfte, durch die solche Vereinbarungen vollzogen werden.

 

Soll dagegen Grundstücks- oder Wohnungseigentum übertragen werden, so ist sowohl der Übertragungsakt (§ 925 BGB) als auch die Verpflichtung hierzu (§ 313 S. 1 BGB) formbedürftig. Eine lediglich in einer Mediatonsvereinbarung übernommene Verpflichtung ist somit nicht rechtsgültig bzw. wird dies erst nach formgerechter Auflassung und Eintragung in das Grundbuch (§ 313 S. 2 BGB).

 

 

5. Eheliches Güterrecht - insbesondere die Durchführung des Zugewinnausgleichs:

 

Den Zugewinnausgleich betreffende Vereinbarungen, die während eines anhängigen Scheidungsverfahrens geschlossen werden, müssen notariell beurkundet oder in ein gerichtliches Vergleichsprotokoll aufgenommen werden, um Wirksamkeit zu erlangen (§ 1378 III BGB). Eine lediglich privatschriftliche Mediationsvereinbarungen genügt diesen Anforderungen nicht. Im Einzelfall kann auch einem formgerechtem Verzicht auf Zugewinnausgleich die rechtliche Anerkennung aus inhaltlichen Gründen versagt sein. So droht einem Verzicht, der auf grobe Übervorteilung des Berechtigten hinausläuft oder durch den dieser erkennbar sozialhilfebedürftig wird, das Verdikt der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB).

 

Mediatonsverhandlungen sind für den Ausgleichsberechtigten mit einem gewissen Risiko verbunden, wenn dieser in der Hoffnung auf eine einvernehmliche Lösung und um das Zustandekommen einer solchen nicht zu gefährden gewisse rechtswahrende Handlungen unterläßt. Bei der Berechnung der Ausgleichsforderung werden zwei Vermögensstände miteinander verglichen, das Anfangs- und das Endvermögen. Der Schuldner kann seine Ausgleichspflicht dadurch mindern, daß er vor dem Eintritt bestimmter Stichtagsereignisse sein derzeitiges Vermögen - das Endvermögen also - mindert, indem er es zB auf Dritte überträgt oder schlicht beiseite schafft. Geschieht dies vor Zustellung des Scheidungsantrags, gewähren die Hinzurechnungstatbestände des § 1375 II BGB hiergegen einen gewissen Schutz. Ab Zustellung des Scheidungsantrags greift § 1384 BGB mit der Folge ein, daß Vermögensveränderungen nach Rechtshängigkeit bei der Zugewinnberechnung unberücksichtigt bleiben. Keinen Schutz gewähren die genannten Vorschriften jedoch vor der in § 1378 II BGB angelegten Gefahr, daß die rechnerisch ermittelte Ausgleichsforderung sich nicht realisieren läßt, weil das faktische Endvermögen des Schuldners bei Beendigung des Güterstandes, d.h. bei Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils, diese nicht deckt. Die rechnerisch höhere Ausgleichsforderung reduziert sich in derartigen Fällen auf den Wert des faktischen Endvermögens. Zeichnet sich eine solche Gefahr ab, ist der Mediator als Fairneßgarant gefordert. Gewinnt er den Eindruck, daß eine Partei Teile ihres Vermögens verheimlicht oder verschiebt, wird er intervenieren müssen. Mitunter kann es ausreichen, an die im Mediationskontrakt (s.o.) übernommene Selbstverpflichtung zu erinnern. Geht hiervon keine genügende Wirkung aus, sind Fairneß und Verhandlungsgleichgewicht im Mediationsprozeß insoweit nicht mehr zu gewährleisten. Es kann dann angebracht sein, die Mediation abzubrechen oder zumindest die Frage des Zugewinnausgleichs aus den weiteren Verhandlungen auszuklammern und der gefährdeten Partei die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes anheim zu stellen.