Die Prüfung der einzelnen Voraussetzungen der Straftat erfolgt in einer bestimmten Abfolge.

Die einzelnen Aufbauebenen sind Standort zur Behandlung bestimmter qualitativ unterschiedlicher Sachprobleme. Die einzelnen Prüfungsteile können also nicht beliebig geprüft werden; sie sind vielmehr in ihrer systematischen Abfolge anzusprechen und füreinander vorgreiflich. Daraus folgt auch: Verläuft die Prüfung an einem bestimmten Punkt "negativ", sind also die geprüften Strafbarkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt, so endet die Prüfung.

Vorgestellt wird hier (nur) der dreigliedrige Aufbau. Man unterscheidet bei diesem Aufbau (vgl. zu näheren Einzelheiten im übrigen die Arbeitsmaterialien):

 

 (1) Tatbestandsebene

Man unterscheidet zwischen dem objektiven und dem subjektiven Tatbestand. Im Rahmen des objektiven Tatbestandes gilt es zunächst die verbotene Handlung zu prüfen. Zum objektiven Tatbestand zählt bei Erfolgsdelikten weiter die Frage der Kausalität sowie die zur sachgerechten Beurteilung besonders gelagerter Fälle entwickelte Kategorie der objektiven Zurechnung. Im Rahmen des subjektiven Tatbestandes ist die Vorsatzfrage anzusprechen, weil die Struktur der verbotenen Handlung durch den Vorsatz mitkonstituiert wird. Zur Vorsatzfrage gehört auch ggf. die Frage, ob ein Tatbestandsirrtum vorliegt. Zum subjektiven Tatbestand zählt schließlich ggf. die Prüfung subjektiver Unrechtselemente.

Beachte: Beim versuchten Delikt wird die Prüfung innerhalb des Tatbestandes umgedreht (subjektiver Tatbestand vor objektivem Tatbestand). Bezugspunkt der Prüfung ist nämlich das, was verwirklicht werden sollte.

 

(2) Rechtswidrigkeitsebene

Wer gegen ein Verbot verstößt, handelt normalerweise rechtswidrig. Im Einzelfall können jedoch rechtfertigende Gegennormen existieren, also Erlaubnissätze, die die Rechtswidrigkeit ausschließen. Ein endgültiges Rechtswidrigkeitsurteil ist erst möglich, wenn Tatbestandsverwirklichung und Fehlen eines Erlaubnissatzes (z. B. Notwehr) feststehen.

Üblicherweise kann man aus dem Fehlen von Rechtfertigungsgründen auf die Rechtswidrigkeit des verbotenen Verhaltens schließen. Ausnahmsweise (§§ 240, 253 StGB) muß die Rechtswidrigkeit positiv festgestellt werden.

Beachte: Die Rechtswidrigkeit muß für jeden geprüften Tatbestand gesondert festgestellt werden.

Beachte: Bisweilen ist streitig, ob ein Gesichtspunkt auf der Ebene des Tatbestandes oder auf der Ebene der Rechtswidrigkeit zu prüfen ist (z.B.Einwilligung).

 

(3) Schuldebene

Die Bewertung eines Verhaltens als "rechtswidrig" ist genereller Natur. Die strafrechtliche Zurechnung verlangt aber auch die Berücksichtigung bestimmter subjektiv geprägter Konfliktkonstellationen (Stichwort: persönliches Dafür-Können). Dies ist eine Frage der Schuld. Hier geht es sowohl um Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) als auch um spezielle Entschuldigungsgründe (entschuldigender Notstand, Notwehrexzeß, unvermeidbarer Verbotsirrtum). Auch der Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes, über dessen Einordnung im einzelnen Streit besteht, wird im Rahmen der Schuld geprüft, weil er sich auf die Rechtswidrigkeitsebene bezieht, deren Behandlung also vorgreiflich ist.

Außerhalb dieses dreigliedrigen Aufbaus sind als zusätzliche, die Bestrafung betreffende Betrachtungsebenen z.B. zu berücksichtigen:

Rücktritt: Bei einem Versuch erfolgt aus Gründen mangelnder Strafbedürftigkeit unter den Voraussetzungen des § 24 StGB eine Befreiung von der Strafe. In einzelnen gesetzlich geregelten Fällen ist dies ausnahmsweise auch beim vollendeten Delikt möglich.

 - Konkurrenzen: Hier geht es darum, woraus und wie die Strafe zu bemessen ist, wenn mehrere Strafgesetze verletzt wurden.

 - Strafzumessung: Hier geht es darum, wie die Strafe im Einzelfall bemessen sein soll.

Auf dieser Ebene der Betrachtung kommen dann im Rahmen des § 46 StGB auch solche subjektiv-individuellen Gesichtspunkte zum Tragen, die für eine Würdigung im Rahmen der Schuld nicht hinreichend typisiert sind und damit keine eindeutigen "ja" / "nein"-Entscheidungen eröffnen.

Beachte: Fragen der Strafzumessung werden im Rahmen einer strafrechtsdogmatischen Fallprüfung in der Regel nicht angesprochen, weil es zumeist an den dafür erforderlichen Informationen fehlt (Ausnahme: Prüfung von Tatbeständen, die nach der Regelbeispieltechnik konstruiert sind).