A. Einleitung

Zu den schwierigsten Problemfeldern des Allgemeinen Teils des Strafrechts zählen die Fragen der Kausalität und der objektiven Zurechnung. Bei vorsätzlichen und fahrlässigen Erfolgsdelikten - aber auch bei den sogenannten erfolgsqualifizierten Straftatbeständen - muß sich der tatbestandliche Erfolg „als Werk des Täters„ darstellen; er (der Taterfolg) muß ihm zurechenbar sein. Im Einzelfall setzt dies die Klärung der Ursächlichkeit einer Handlung beziehungsweise eines Unterlassens für einen bestimmten, durch den gesetzlichen Tatbestand umschriebenen Taterfolg voraus; ein Unterfangen, bei dem auf das naturwissenschaftliche (Erfahrungs-)Wissen über Kausalzusammenhänge zurückgegriffen werden muß. Dies ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle unproblematisch, macht in der forensischen Praxis nicht selten aber auch die Beiziehung eines Sachverständigen erforderlich. Daneben stellen sich nur auf der normativer Ebene ansprech- und lösbare Fragen, wenn es darum geht, die inhaltliche Weite einer naturwissenschaftlich begriffenen Kausalität tatbestandsadäquat zu limitieren beziehungsweise die Ergebnisse einer Bewertung des Sachverhalt auf der Grundlage der Kausalitätstheorien zu korrigieren.

 Die mit der Kausalität und der objektiven Zurechnung zusammenhängenden Probleme bereiten den Studierenden bei der Fallbearbeitung bekanntermaßen Schwierigkeiten. Diese rühren aus Unsicherheiten im Umgang mit den Kausalitätstheorien und der Lehre von der objektiven Zurechnung her. Zur Verunsicherung trägt zusätzlich bei, daß in Literatur und Rechtsprechung in beiden Bereichen mit diversen Fallgruppen gearbeitet wird, die die Thematik (nur) exemplifizieren sollen, die freilich bei einer ersten Annäherung - in abschreckender Weise - den Umgang mit der Materie erschweren können, weil sie die Notwendigkeit umfangreichen Detailwissen suggerieren.

Bevor im folgenden einige exponierte Fälle zum Thema „Kausalität und objektive Zurechnung„ angeführt werden, sollen in einem kurzen theoretischen Vorspann die herrschenden Kausalitätstheorien sowie die Lehre von der objektiven Zurechung vorgestellt werden.

 

B. Kausalitätstheorien und die Lehre von der objektiven Zurechnung

 Die Frage, ob zwischen dem tatbestandlich umschriebene Erfolg (z.B. §§ 211, 212, 222 StGB: Tod eines Menschen; §§ 223 ff. StGB: Körperverletzungen) und dem Verhalten eines bestimmten Täters eine Verbindung hergestellt werden kann, die es erlaubt, den Taterfolg dem Täter individuell zuzurechnen, wird nach überwiegender Auffassung in zwei Schritten geklärt: Zunächst wird die Kausalität geprüft. Sodann wird - soweit erforderlich - auf die objektive Zurechnung eingegangen. Hierbei gilt jedoch: Hat der Täter den Taterfolg (äquivalent-)kausal verursacht, wird ihm dieser grundsätzlich auch zugerechnet. In Zweifelsfällen sowie in problematischen Konstellationen greift normativ korrigierend oder bestätigend die Lehre von der objektiven Zurechnung ein. Zurechnung ist daher der Oberbegriff, naturwissenschaftliche Kausalität und normative/objektive Zurechnung bilden ihre Elemente.

 

I. Die Kausalitätstheorien

 Die Kausalitätstheorien sind die methodischen Hilfsmittel (heuristische Prinzipien) zur Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Tathandlung und Taterfolg. Von den verschiedenen Theorien, die in diesem Zusammenhang vertreten werden, kann man sich auf die Äquivalenztheorie und die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung - jedenfalls in der Klausur - beschränken.

 

1. Die Äquivalenztheorie/Bedingungstheorie/conditio-sine-qua-non-Formel

 Nach der in Literatur und Rechtsprechung fest verankerten conditio-Formel gilt als Ursache im Sinne des Strafrecht jede Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Hierbei sind alle Erfolgsbedingungen gleichwertig; d.h. äquivalent.

Durchzuführen ist nach dieser Theorie ein hypothetisches Eliminationsverfahren: Entfällt der eingetretene Erfolg, wenn man sich die Handlung wegdenkt? Wenn Ja ist die Kausalität gegeben. Wenn Nein scheidet die Kausalität aus.

 Die Äquivalenztheorie hat, nicht zuletzt wegen der Gleichwertigkeit aller Bedingungen und der angesprochenen hypothetischen Betrachtung, verschiedene Schwächen. Deshalb ist es erforderlich, sie durch sogenannte Anwendungsregeln zu präzisieren beziehungsweise zu modifizieren. Schwächen ergeben sich in folgenden Konstellationen:

 - bei hypothetischen Kausalverläufen

Beispiel: A erschießt B. Dieser wäre aber auch ohne den Schuß zu Tode gekommen, da C dessen Haus mit tödlicher Wirkung für ihn gesprengt hätte.

Hypothetische Kausalverläufe dürfen jedoch nicht berücksichtigt werden.

- bei einer Beschleunigung des Erfolgseintritts

Beispiel: A erschießt den todkranken B, der nur noch kurz zu leben hat.

Für die Kausalität genügt es, wenn die Handlung den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs beschleunigt hat. Daneben ist auf den Erfolg in seiner konkreten Gestalt abzustellen; d.h. hier Tod durch den Schuß.

- bei Eingriffen in rettende Kausalverläufe

Beispiel: A hindert B daran, den ertrinkenden C zu retten.

Hält man sich an die Regel, daß hypothetische Kausalverläufe nicht hinzugedacht werden dürfen, müßte man die (nicht stattgefundene) Rettungshandlung des B unberücksichtigt lassen. In diesem Fall wäre der Eingriff des A nicht kausal. Deshalb sind rettende Kausalverläufe hinzuzudenken.

- bei Fällen alternativer Kausalität

Beispiel: A und B verabreichen dem C je eine tödliche Menge Giftes, die gleichzeitig Wirkung entfaltet.

Von mehreren Bedingungen, die alternativ, nicht aber kumulativ hinweggedacht werden können, ohne daß der Erfolg entfiele, ist jede für den Erfolg kausal.

 

2. Die Formel von der gesetzmäßigen Bedingung

 Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung schließt inhaltlich an die Äquivalenztheorie an. Es reicht demnach aus, daß die Tathandlung in irgendeiner Form zum Taterfolg beigetragen hat. Der Inhalt der Formel von der gesetzmäßigen Bedingung wird abweichend von der Äquivalenztheorie folgendermaßen umschreiben: 

„Nach der Theorie von der gesetzmäßigen Bedingung ist ein Ereignis (Bedingung) für ein anderes zeitlich unterscheidbares und nicht logisch impliziertes Ereignis (Wirkung) dann kausal, wenn die beiden Ereignisse in ihrer Aufeinanderfolge (natur-)gesetzmäßig verknüpft sind„.

oder

„Für die Kausalität im Sinne der Bedingungstheorie kommt es somit allein darauf an, ob sich an eine Handlung zeitlich nachfolgende Veränderungen in der Außenwelt angeschlossen haben, die mit der Handlung nach den uns bekannten Naturgesetzen notwendig verbunden waren und sich als tatbestandsmäßiger Erfolg darstellen….

Nach der von Kühl vorgeschlagenen Kurzfassung ergibt sich folgende prägnante Formulierung:

Ein Verhalten ist dann Ursache eines Erfolgs, wenn dieser Erfolg mit dem Verhalten durch eine Reihe von Veränderungen gesetzmäßig verbunden ist.

 Gegenüber der conditio-sine-qua-non-Formel hat diese Lehre verschiedene Vorteile:

- auf hypothetische Überlegungen wird verzichtet;

- der (natur-)gesetzliche Zusammenhang wird explizit angesprochen.

Für die Bearbeitung von Klausuren bietet sich an, neben der Äquivalenztheorie auch die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung anzuwenden. Obwohl sich im Ergebnis selten Abweichungen ergeben werden, sollten die Unterschiede beider Theorien beim Umgang mit dem konkreten Problem angesprochen werden.

 

II. Die Lehre von der objektiven Zurechnung

 Die Lehre von der objektiven Zurechung ist dazu da, bei der Prüfung der Zurechung - Taterfolg als „Werk des Täters„? - Kausalfaktoren auszuscheiden, die über die Anwendung der Kausalitätstheorien, insbesondere der Äquivalenztheorie, zunächst noch als tatbestandliche Erfolgsverursachung gelten müssen. Es geht mithin um inhaltliche beziehungsweise normative Korrekturen am naturwissenschaftlichen Kausalitätsbegriff. Die Lehre von der objektiven Zurechnung ist freilich keine festgefügte, in sich geschlossene Theorie, die in allen Fallkonstellationen ein präzise anwendbares Instrumentarium zur Problembewältigung zur Verfügung stellen kann. Ausgehend von einer Grundformel exemplifiziert und konkretisiert man sie in verschiedenen Fallgruppen. 

Die Grundformel lautet: Objektiv zurechenbar ist ein durch menschliches Verhalten (Tun/Unterlassen) verursachter Erfolg nur dann, wenn das Verhalten eine - rechtlich verbotene - Gefahr geschaffen und die Gefahr sich in dem tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat.

 Innerhalb der damit vorgegebenen Unterscheidung zwischen der Gefahrschaffung beziehungsweise -erhöhung einerseits und der Gefahrverwirklichung andererseits können die verschiedenen Fallkonstellationen verortet und erörtert werden. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, ergeben sich folgende Problemgruppen, die oft kontrovers diskutiert werden und in denen sich teilweise eine eigene Dogmatik mit umfangreicher Kasuistik herausgebildet hat:

- entfernte Verursachungsbeiträge mit geringer Wahrscheinlichkeit

- erlaubtes Risiko

- Regreßverbot

- sog. Risikoverringerung

- pflichtmäßiges Alternativverhalten/sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang

- atypische Geschehensabläufe

- „abnorme„ Konstitution des Opfers

- Folgeverletzungen

- Modifizierung der Kausalkette

- Beherrschbarkeit

- Prinzip der Eigenverantwortlichkeit

 

C. Ausgewählte Fälle

 Bei den Fällen, die anschließend vorgestellt werden, handelt es sich ausschließlich um solche, die Gegenstand einer (höchstrichterlichen) Entscheidung waren und die auch in der Literatur - vornehmlich in der Ausbildungsliteratur - angeführt und diskutiert werden. Es wurden Judikate ausgewählt, die klassische Probleme aus dem Bereich der Zurechnung aufgreifen, aber auch solche, in denen neuere Fragestellungen auftauchten. Keinesfalls ging es jedoch darum, einen Kanon aufzustellen, der auch nur annäherungsweise einen repräsentativen Querschnitt abgibt. Dazu ist die Materie zu umfangreich.

 

Fall 1: BGHSt 37, 106 („Lederspray-Entscheidung„):

 Die Firma W. u. M. GmbH befaßte sich unter anderem mit der Herstellung von Lederpflegemitteln zur Pflege, dem Imprägnieren und zum Färben von Schuhen und anderen Bekleidungsstücken. Die Pflegemittel waren in Treibgasdosen abgefüllt und zum Versprühen bestimmt (Ledersprays). Geschäftsführer der W. u. M. GmbH waren S, Dr. Sch, Br und Bo Jeder von ihnen war für einen bestimmten Geschäftsbereich zuständig: S. für den Geschäftsbereich I (Chemie), Br für den Geschäftsbereich II (Technik, Einkauf, Lager- und Speditionswesen), Dr. Sch für den Geschäftsbereich III (Verwaltung) und Bo für den Geschäftsbereich IV (Absatzwesen). Der Vertrieb der Ledersprays oblag alleine den beiden Tochterfirmen E.R. GmbH und S. GmbH. Die E.R. GmbH, deren Geschäftsführer D war, vertrieb das Produkt „E„, während die S. GmbH, deren Geschäftsführer W war, das Produkt „S„ in den Handel brachte. Beide Geschäftsführer der Tochterfirmen waren bedingt durch die unternehmensinterne Organisationsstruktur dem für den Geschäftsbereich IV zuständigen Geschäftsführer der Konzernmutter untergeordnet. 

Im Spätherbst des Jahres 1980 gingen bei der Firmengruppe Schadensmeldungen ein, wonach verschiedene Personen nach dem Gebrauch der Ledersprays „E„ und „S„ gesundheitliche, teilweise erhebliche Beeinträchtigungen erlitten hatten. Zumeist war es zu Atembeschwerden, Husten, Übelkeit, Schüttelfrost und Fieber gekommen Vielfach mußte ärztliche Hilfe bis hin zum stationären Krankenhausaufenthalt mit intensivmedizinischer Betreuung in Anspruch genommen werden. Die Befunde ergaben regelmäßig Flüssigkeitsansammlungen in den Lungen (Lungenödem).

 Die Schadensmeldungen lösten umfangreiche firmeninterne Untersuchungen aus, bei denen unter anderem die Rezepturen überprüft und geändert wurden. Kurzfristig kam es auch zu einem Produktionstop. Die Schadensmeldungen setzten sich jedoch fort. Daneben blieben die firmeneigenen Untersuchungen nach den Ursachen der Gesundheitsschäden ohne Resultat. Es konnte nicht ermittelt werden, welche Substanz in den Sprays zu den Gesundheitsschäden führte.

 Im Mai 1981 fand eine Sondersitzung der Geschäftsführung der W. u. M. GmbH statt, an der alle Geschäftsführer - S, Dr. Sch, Br, Bo - teilnahmen. In dieser Sitzung ging es ausschließlich um die Schadensfälle, deren mögliche Ursachen und das weitere Vorgehen des Unternehmens. Einstimmig beschloß man, keinen Produktions- und Vertriebsstop anzuordnen und auch von einer Rückruf- und Warnaktion abzusehen. Dies sollte mit Rücksicht auf das Firmenimage und die anfallenden Kosten erst dann in Betracht gezogen werden, wenn ein echter Produktionsfehler oder nachweisbare Verbraucherrisiken festgestellt werden können. Gleichfalls kam man überein, Warnhinweise auf den Spraydosen anzubringen bzw. bereits vorhandene Hinweise zu verbessern. Im Anschluß an die Sitzung wurden W und D umfassend informiert. Beide machten sich die getroffenen Entscheidungen für die von ihnen verantwortlich geleiteten Geschäftsbereiche zu eigen.

 In der Folgezeit traten weitere Gesundheitsschäden beim Gebrauch der Lederspays auf. Hinweise auf die Ursachen fanden sich nicht. Am 20. September 1983 kam es nach Interventionen des Bundesgesundheitsamts und des zuständigen Bundesministeriums zu einem Verkaufsstop sowie zu einer Rückrufaktion.

 Wie ist zu entscheiden, wenn festgestellt werden konnte, daß es nach dem 12. Mai 1981

a) in zehn Fällen durch Produktion und Vertrieb der Ledersprays sowie

b) in 28 Fällen durch zu diesem Zeitpunkt bereits ausgelieferte und dem Endverbraucher zugängliche Ledersprays

zu den beschriebenen Gesundheitsbeeinträchtigungen gekommen war? Hierbei ist in die Überlegungen einzustellen,

- daß es nicht gelang, diejenige Substanz oder Kombination von Substanzen festzustellen, die für die Beeinträchtigungen verantwortlich war,

- daß in verschiedenen Einzelfällen der fehlerhafte Gebrauch der Ledersprays durch die Verbraucher nicht auszuschließen war.

 Hinweise zur Besprechung:

Der Fall enthält eine Vielzahl von Problemen, die dem Allgemeinen Teil des Strafrechts zuzuordnen sind: Unterscheidung Tun/Unterlassen, Kausalität/objektive Zurechnung, Voraussetzungen des § 13 StGB.

 

1. Gefährliche Körperverletzung durch Unterlassen in Mittäterschaft (§§ 223 I, 224 I Nr.1, Nr.5, 13 I, 25 II StGB)

Indem die Geschäftsführer anläßlich ihrer Sondersitzung im Mai 1981 beschlossen, die bisher in den Handel gelangten Ledersprays nicht zurückzurufen, könnten sie sich wegen gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen in Mittäterschaft strafbar gemacht haben.

 

a) Objektiver Tatbestand

aa) Der tatbestandliche Erfolg in Form der körperlichen Mißhandlung und der Gesundheitsbeschädigung ist gegeben.

 bb) Abgrenzung Tun/Unterlassen

 Fraglich ist der Anknüpfungspunkt: Die schadensursächlichen Produkte sind vorher durch Produktion und Vertrieb in den Handel gelangt, was für die Annahme eines positiven Tuns, etwa im Rahmen eines Fahrlässigkeitsdelikts, spricht. Andererseits ist die Rückrufaktion unterblieben, was für ein Unterlassen spricht.

Der BGH ging in Übereinstimmung mit der Vorinstanz von einem Unterlassen aus. Dies entspricht der sog. Schwerpunktformel, nach der beide Verhaltensformen gewöhnlich gegeneinander abgegrenzt werden. Deshalb ist zu unterscheiden zwischen der weiteren Produktion und dem Vertrieb der Produkte sowie dem unterbliebenen Rückruf.

 cc) Voraussetzungen des strafbaren Unterlassens, insbesondere des § 13 I StGB

Zu prüfen sind die einzelnen Voraussetzungen des Unterlassungsdelikts: Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs, Nichtvornahme der gebotenen Rettungshandlung, Möglichkeit zu deren Vornahme, (Quasi-)Kausalität/objektive Zurechnung, Garantenstellung und Gleichstellungsklausel. Da die übrigen Punkte weitgehend unproblematisch sind, gibt der Sachverhalt nur Anlaß, auf die Zurechnung und die Garantenstellung einzugehen.

 aaa) Kausalität

Problematisch ist, daß die schadensursächliche Substanz oder Substanzkombination im Lederspray nicht ermittelt werden konnte. Denn nach der Äquivalenztheorie wie nach der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung, muß feststehen, daß ein bestimmtes Verhalten (naturgesetzlich) für einen bestimmten Erfolg kausal war. Mithin müßte grundsätzlich unter Rückgriff auf das allgemeine Erfahrungswissens bzw. mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden geklärt werden, ob und in welcher Form das von der W. u. M. GmbH produzierte und von ihren Tochterfirmen vertriebene Produkt für die eingetretenen Körperverletzungen ursächlich war. Nur unter dieser Voraussetzung ließe sich ein strafrechtlicher Vorwurf für die Geschäftsführer begründen.

 Dem BGH zufolge genügt in den Fällen der strafrechtlichen Produkthaftung die sog. generelle Kausalität

„Ist in rechtsfehlerfreier Weise festgestellt, daß die - wenn auch nicht näher aufzuklärende - inhaltliche Beschaffenheit des Produkts schadensursächlich war, so ist zum Nachweis der Ursachenzusammenhangs nicht noch weiter erforderlich, daß festgestellt wird, warum diese Beschaffenheit schadensursächlich werden konnte, was also nach naturwissenschaftlicher Analyse und Erkenntnis letztlich der Grund dafür war. …Freilich müssen dort, wo sich die Ursächlichkeit nicht auf diese Weise darlegen läßt, alle anderen in Betracht kommenden Schadensursachen aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung ausgeschlossen werden können.„

Die damit festgestellte Kausalität wird auch nicht dadurch wieder aufgehoben, daß in einigen Fällen nicht auszuschließen war, daß die Verbraucher den Lederspray in unsachgemäßer Weise verwendeten. Unter dem Gesichtspunkt der Selbstgefährdung und des dahinterstehenden Verantwortungsprinzips könnte allenfalls die objektive Zurechnung ausgeschlossen werden. Gleiches gilt, wenn es sich bei den Betroffenen um Allergiker usw. handelte, die mit ihrer Krankheit gleichfalls eine Schadensursache setzten.

 bbb) Garantenstellung und -pflicht

Zur möglichen Begründung der für die strafrechtliche Verantwortlichkeit erforderlichen Garantenstellung stützte sich der BGH auf zwei Gesichtspunkte: zum einen auf die Grundsätze der zivilrechtlichen Produkthaftung, zum anderen auf Ingerenz. Allerdings diskutierte das Gericht die Produkthaftung lediglich an und ließ im Ergebnis sodann offen, ob die Produktbeobachtungspflicht Grundlage für eine Garantenstellung sein kann.

Zentral wurde damit der Aspekt der Ingerenz; d.h. des vorangegangenen, pflichtwidrigen Vorverhaltens: 

„Wer dadurch, daß er solche Produkte in den Verkehr bringt, pflichtwidrig eine Gefahr für deren Verbraucher herbeiführt, muß prinzipiell dafür einstehen, daß sich diese Gefahr nicht in einem entsprechenden Schaden verwirklicht. Das gilt namentlich für die Herstellung und den Vertrieb von Konsumgütern, die derart beschaffen sind, daß deren bestimmungsgemäße Verwendung für die Verbraucher - entgegen ihren berechtigten Erwartungen - die Gefahr des Eintritts gesundheitlicher Schäden begründet; insoweit haftet nicht nur, wer den Schaden durch positives Tun verursacht…, sondern auch derjenige, der die Abwendung des drohenden Schadens unterläßt…„

Das gefahrbegründende Vorverhalten sah der BGH darin, daß die Geschäftsführer der beteiligten Gesellschaften Ledersprays auf den Markt brachten, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gesundheitliche Schäden bei den Benutzern zu verursachen drohten. Die (objektive) Pflichtwidrigkeit dieses Vorverhaltens begründete das Gericht mit den Hinweis auf das Gebot des „neminem laede„ sowie mit dem Hinweise auf die einschlägigen Bestimmungen des Lebensmittel- und Bedarfgegenständegesetzes. Die damit festgestellte Pflichtwidrigkeit entfiel auch nicht unter dem Gesichtspunkt des erlaubten Risikos, das angenommen werden kann, wenn es sich bei den fehlerhaften Produkten um sog. Ausreißer handelt. Vorliegend konnte angesichts der Vielzahl der aufgetretenen Schadensfälle nicht mehr von „Ausreißern„ gesprochen werden.

 Gegen die Auffassung des BGH in diesem Punkt läßt sich einwenden, daß es im Rahmen der Ingerenz, die vorliegend mit produkthaftungsrechtlichen Erwägungen begründet wurde, vielleicht nicht genügt, alleine auf die objektive Pflichtwidrigkeit abzustellen. Um eine Ausuferung der Haftung zu vermeiden, müßte auch das Merkmal der Vorhersehbarkeit herangezogen werden. Zumindest bei den ersten ausgelieferten Ledersprays würde dies zum Haftungsausschluß führen. Bei ordnungsgemäß ausgelieferten Waren, deren Gefährlichkeit nicht erkennbar war, kann die Garanten- und damit die Rückrufpflicht erst eingreifen, wenn sich nachträglich die Gefährlichkeit des Produkts herausstellt.

 Aus der Garantenpflicht ergab sich nach Auffassung des BGH eine Rückrufpflicht. Dem Einwand Schünemanns, daß wegen der fehlenden unmittelbaren Sachherrschaft des Unternehmens über die bereits im Handel befindlichen Produkte die Garantenpflicht nicht eingriffe, trat das Gericht entgegen: 

„Liegt gerade im Vertrieb gesundheitsgefährdender Konsumgüter die Pflichtwidrigkeit, so wäre es sachlich verfehlt, denjenigen, der dafür verantwortlich ist, von der strafrechtlichen Haftung für die Folgen seines Tuns freizustellen.„

Die Rückrufpflicht stellt dem BGH zufolge auch keine überspannten Anforderungen. Der Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschäden überwiegt die Beeinträchtigung des Firmenimages und die durch den Rückruf entstehenden finanziellen Belastungen des Unternehmens.

 Die Rückrufpflicht oblag des weiteren allen Geschäftsführern, obwohl jeder für einen eigenen Geschäftsbereich bzw. die Leitung eines Tochterunternehmens zuständig war. Insoweit hätte man auch erwägen können, nur den/die zuständigen Geschäftsführer verantwortlich zu machen. Der BGH verwies an dieser Stelle jedoch auf den Grundsatz der Generalverantwortung und der Allzuständigkeit der Geschäftsleitung bei Krisen- und Ausnahmefällen. Es handelte sich vorliegend um ein solches „ressortüberschreitendes„ Problem, da durch die sich häufenden Schadensmeldungen das Unternehmen als ganzes betroffen war und in jedem Geschäftsbereich Gegenmaßnahmen ergriffen werden mußten.

 Da der einzelne Geschäftsführer wegen der internen gesellschaftsrechtlichen Bindungen bei Maßnahmen der Geschäftsführung - Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung - grundsätzlich nicht alleine die erforderliche Rückrufaktion durchführen kann, erfährt die Rückrufpflicht bezogen auf den jeweiligen Geschäftsführer eine gesellschaftsrechtliche Modifikation: 

„Jeder war hiernach nur dazu verpflichtet, unter vollem Einsatz seiner Mitwirkungsrechte das ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um einen Beschluß der Gesamtgeschäftsführung über Anordnung und Vollzug des gebotenen Rückrufs zustandezubringen.„

ccc) Ursächlichkeit des Unterlassens

Das Unterlassen des durch die Garantenpflicht gebotenen Rückruf der bereits in den Handel gelangten Ledersprays müßte für die eingetretenen Gesundheitsschäden kausal sein. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die individuelle Handlungspflicht der Geschäftsführer alleine darin bestand, im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechten und Gestaltungsmöglichkeiten auf einen entsprechenden Beschluß der Geschäftsführung hinzuwirken.

 Zur Feststellung der Kausalität des Unterlassen für den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs kann auf die Äquivalenztheorie zurückgegriffen werden. Allerdings muß sie modifiziert werden. Das Unterlassen des Garanten ist demnach kausal für den Eintritt des Erfolgs, wenn die von ihm erwartete (Rettungs-)Handlung diesen Erfolg verhindert hätte. Gewöhnlich wird in Anlehnung an die conditio-sine-qua-non-Formel einprägsam formuliert: 

Das Unterlassen ist kausal, wenn die rechtlich zu erwartende Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne daß der tatbestandsmäßige - mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit - Erfolg entfiele.

Bezogen auf die Handlungspflicht des einzelnen Geschäftsführers ist die Kausalität vorliegend problematisch. Denn jeder einzelne von ihnen könnte sich darauf berufen, daß auch dann, wenn er bei der Sondersitzung für den Rückruf votiert hätte, die Möglichkeit bestanden hätte, daß er wegen des Mehrheitsprinzips überstimmt worden wäre. Geht man in dubio pro reo davon aus, daß trotz seines Eintretens für entsprechende Gegenmaßnahmen die Abstimmung nicht zur Rückrufaktion geführt hätte, käme lediglich eine Versuchsstrafbarkeit bzw. sogar Straflosigkeit in Frage.

 Der BGH löste das Problem vorliegend - d.h. im Rahmen des vorsätzlichen Unterlassungsdelikts - über das Institut der Mittäterschaft. Er qualifizierte das Abstimmungsverhalten der Geschäftsführer der W. und M. GmbH als mittäterschaftliches Verhalten gem. § 25 II StGB. Dadurch, daß die beiden Geschäftsführer der Tochterunternehmen über den Beschluß informiert wurden und sich diesen zu eigen machten, lagen dem BGH zufolge die Voraussetzungen der sukzessiven Mittäterschaft vor.

 Die Mittäterschaft in diesem Fall läßt sich jedoch bezweifeln. Fraglich ist, ob alleine das einvernehmliche Abstimmungsverhalten die Voraussetzungen des § 25 II StGB (gemeinsamer Tatentschluß, arbeitsteilige Tatbegehung) erfüllt. Zudem könnte das Subordinationsverhältnis der beiden Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaften, die einem Geschäftsführer der Muttergesellschaft unterstanden, der Annahme der Mittäterschaft entgegenstehen. Daneben ist fraglich, ob die Feststellung der Mittäterschaft die Kausalitätsprüfung beim einzelnen Geschäftsführer entbehrlich macht bzw. entsprechende Defizite überbrückt werden können.

 Teilt man die Auffassung des BGH zur Mittäterschaft nicht oder unterstellt man, daß deren Voraussetzungen nicht gegeben waren, muß man sich der Frage zuwenden, wie in diesen Fällen des Unterlassens die Kausalität begründet werden kann. Der BGH mußte hierzu im Rahmen des Fahrlässigkeitsdelikts Stellung nehmen, das in dieser Fallbesprechung ausgeklammert wurde. Das Gericht zog hier eine Analogie zu den problematische Fällen der kumulativen Kausalität

„Im Bereich der strafrechtlichen Handlungsverantwortlichkeit ist nicht zweifelhaft, daß, wo mehrere Beteiligte unabhängig voneinander den tatbestandlichen Erfolg erst durch die Gesamtheit ihrer Handlungsbeiträge herbeiführen, jeder einzelne Beitrag im haftungsbegründenden Sinne ursächlich ist… Was aber hiernach für die Handlungsverantwortlichkeit gilt, muß ebenso auch im Bereich der strafrechtlichen Haftung für Unterlassungen gelten. Kann die zur Schadensabwendung gebotene Maßnahme, hier der von der Geschäftsführung zu beschließende Rückruf, nur durch das Zusammenwirken mehrerer Beteiligten zustande kommen, so setzt jeder, der es trotz seiner Mitwirkungskompetenz unterläßt, seinen Beitrag dazu zu leisten, eine Ursache dafür, daß die gebotene Maßnahme unterbleibt; innerhalb dieses Rahmens haftet er für die sich daraus ergebenden tatbestandsmäßigen Folgen… Dabei kann er sich nicht damit entlasten, daß sein Bemühen, die gebotene Kollegialentscheidung herbeizuführen, erfolgslos geblieben wäre, weil ihn die anderen Beteiligten im Streifalle überstimmt hätten.„

Richtigerweise hätte in diesem Punkten noch die sog. alternative Kausalität berücksichtigt werden müssen. Obwohl beide Konstellationen der Sache nach nicht gegeben sind, handelt es sich um eine durchaus vergleichbare Problematik. Denkbar erscheint es auch, mit der grundsätzlichen Unbeachtlichkeit hypothetischer Kausalverläufe zu argumentieren. Der Einwand, daß die eigene Weigerung, an dem Beschluß mitzuwirken, wegen des Mehrheitsprinzips letztlich nicht zu einer anderen Entscheidung geführt hätte, könnte als unbeachtliche Reserveursache gewertet werden. Denn sie impliziert die Einflußlosigkeit des jeweiligen Geschäftsführers bei der der Beschlußfassung vorausgehenden Willensbildung innerhalb des Kollektivorgans.

 Als Ergebnis steht damit fest, daß die eingetreten Körperschäden und Gesundheitsbeeinträchtigungen von den Geschäftsführern zurechenbar verursacht wurden.

 dd) Qualifikationsmerkmale

Die Körperverletzung ist durch die Merkmale der lebensgefährdenden Behandlung (§ 244 I Nr.5 StGB) und der Beibringung von Gift (§ 224 I Nr.1 StGB) qualifiziert.

 

b) Sonstige Verbrechensmerkmale

Die allgemeinen Verbrechensmerkmale im übrigen geben keinen Anlaß zur Diskussion. Fraglich könnte nur sein, ob in subjektiver Hinsicht die Qualifikation des § 224 I Nr.1 StGB erfüllt ist. Bei § 229 StGB (Vergiftung) mußte nach dem Wortlaut der Vorschrift Absicht vorhanden sein. Dies bedeutete, daß jedenfalls bedingter Vorsatz nicht ausreichte. Da vorliegend die Geschäftsführer lediglich eventualvorsätzlich handelten, ist zweifelhaft, ob mit der Übernahme des Vergiftungstatbestandes in die gefährliche Körperverletzung eine Herabstufung bei den subjektiven Anforderung verbunden ist.

 

2. Gefährliche Körperverletzung in Mittäterschaft (§§ 223 I, 224 I Nr.1, Nr.5, 25 II StGB)

Indem die Geschäftsführer in der besagten Sitzung beschlossen, weiterhin Ledersprays zu produzieren und zu vertreiben, können sie sich wegen gefährlicher Körperverletzung in Mittäterschaft strafbar gemacht haben.

 a) Objektiver Tatbestand

 Der Taterfolg ist gegeben. Zugleich liegen die zuvor genannten Qualifikationsmerkmale vor. Anknüpfungspunkt für die strafrechtliche Bewertung ist, wie oben bereits ausgeführt, das positive Tun; d.h. der Beschluß, die Produktion und den Vertrieb gesundheitlich zumindest bedenklicher Ledersprays aufrechtzuerhalten.

 Problematisieren kann man aber die Kausalität. Wiederum kann die individuelle Mitwirkung des einzelnen Geschäftsführers bei der Beschlußfassung nämlich hinweggedacht werden, ohne daß der Erfolg entfiele. Denn über das Mehrheitsprinzip wäre es zu der maßgeblichen Entscheidung für die Fortsetzung der Produktion gekommen. Wählt man nicht wieder die Konstruktion über die Mittäterschaft, muß man sich den Kausalitätsproblemen stellen.

 Die Äquivalenztheorie wird in diesen Fällen der sog. alternativen Kausalität bzw. der „Mehrfachkausalität„ modifiziert: 

Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, nicht aber kumulativ hinweggedacht werden können, ohne daß der Erfolg entfiele, ist jede für den Erfolg ursächlich.

Vorliegend kann man somit zwar das Verhalten des einzelnen Geschäftsführers hinwegdenken, nicht aber das einstimmige Abstimmungsverhalten in toto.

 Zu keinem anderen Ergebnis gelangt die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung, die auf hypothetische Erwägungen vollkommen verzichtet. Insofern gilt: 

Eine Handlung, die für den Erfolg tatsächlich wirksam geworden ist, bleibt für diesen auch dann ursächlich, wenn derselbe Erfolg zum gleichen Zeitpunkt aufgrund einer - tatsächlich nicht wirksam gewordenen - Reserveursache eingetreten wäre.

Demzufolge kann sich ein einzelner Geschäftsführer, der sich bei der Beschlußfassung für die weitere Produktion und den Vertrieb der gesundheitsschädlichen Produkte aussprach, nicht darauf berufen, sein Beitrag sei nicht ursächlich, da er hinwegdenkbar sei, ohne daß der Erfolg entfiele.

 b) Die sonstigen Verbrechensmerkmale geben keinen Anlaß zur Diskussion; abgesehen von den unter 1. angesprochenen Gesichtspunkten. Insoweit kann verwiesen werden. 

 

Fall 2: BGHSt 30, 228 = NJW 1982, 292 („Massenkarambolage-Fall„)

 Am Vormittag des 26.02.1980 kam es bei starkem Nebel auf der Autobahn zu einem Ketten-Auffahrunfall. Ausgelöst wurde dieser Unfall durch K, weil dieser mit seinem PKW Citroen auf einen auf der rechten Spur ordnungsgemäß abgestellten Lastwagen aufgefahren war. Der Citroen stürzte um und blieb auf der Überholspur liegen. K konnte seinem Fahrzeug unverletzt entsteigen. Kurze Zeit später näherte sich auf der Überholspur A mit seinem PKW Ford mit einer für die Sichtverhältnisse zu hohen Geschwindigkeit. Obwohl er sich von dem Zeitpunkt an, in dem das Hindernis vor ihm frühestens erkennbar war, verkehrsgerecht verhielt, gelang es ihm nicht mehr, rechtzeitig anzuhalten. Der Ford stieß auf den Citroen und schleuderte ihn nach vorne. Der Citroen erfaßte dabei den K und verletzte ihn. Unmittelbar nach dem Anstoß des Ford auf den Citroen prallte der nachfolgende, von M gelenkte Opel auf den Ford und schleuderte ihn auf den Grünstreifen. Danach fuhren zahlreiche weitere Fahrzeuge auf.

 Wäre A mit einer der Sichtverhältnisse angepaßten Geschwindigkeit gefahren, hätte er rechtzeitig anhalten können. Dann wäre allerdings der Opel des M auf den Ford des A so aufgeprallt, daß dieser gegen den Citroen gestoßen, ihn nach vorn geschleudert und den K erfaßt und in etwa dem gleichen Umfang verletzt hätte.

 Wie hat sich A nach dem StGB strafbar gemacht?

 Hinweise zur Besprechung:

Im Vordergrund stehen nicht so sehr die Verkehrsdelikte als die Körperverletzung und die sich hierbei stellenden Probleme. Der Fall schließt an die bekannte Lastwagen-Radfahrer-Entscheidung des BGH (BGHSt 11, 1 = NJW 1958, 149) an.

 

Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB)

Indem A infolge unangepaßter Geschwindigkeit auf den verunfallten Wagen des K derart auffuhr, daß K von dem angestoßenen Wagen erfaßt und verletzt wurde, könnte er sich wegen fahrlässiger Körperverletzung strafbar gemacht haben.

 a) Objektiver Tatbestand

 aa) Mit der Verletzung des K ist der erforderliche Taterfolg gegeben. Auch die im Rahmen der Fahrlässigkeit erforderliche Sorgfaltspflichtverletzung - bei objektiver Vorhersehbarkeit des tatbestandlichen Erfolgs - ist gegeben. Denn A verstieß durch die den Sichtverhältnissen nicht angepaßte Geschwindigkeit gegen § 3 I StVO. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist es auch nicht ausgeschlossen, daß es deshalb zu Zusammenstößen mit anderen, auch bereits verunfallten Fahrzeugen kommt.

 bb) objektive Zurechnung des Taterfolgs/sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang

Problematisch ist, ob dem A die Verletzung des K auch zurechenbar ist. Der tatbestandliche Erfolg muß nämlich gerade durch das sorgfaltswidrige Verhalten des Täters verursacht worden sein. Angesprochen ist damit der sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang; man spricht teilweise auch verkürzend von der „Kausalität der Sorgfaltspflichtverletzung„.

 Das erste Problem stellt sich damit bereits auf der Ebene der Kausalität. Denn - bei Anwendung der Äquivalenztheorie - ließe sich das Verhalten des A hinweggedenken, ohne daß der Erfolg entfiele: M hätte dann den K verletzt. Freilich wird die conditio-Formel insoweit präzisiert, daß sog. Reserveursachen bzw. hypothetische Kausalverläufe nicht hinzugedacht werden dürfen. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man auf den Taterfolg in seiner konkreten Gestalt (Verletzung durch den von A verursachten Zusammenstoß) abstellt. Auch die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung käme zu keinem anderen Ergebnis. Denn diese verzichtet auf hypothetische Überlegungen.

 Das Kausalitätsproblem verweist sodann jedoch auf das zentrale Problem des Falles. Fraglich ist nämlich, ob der Taterfolg dem sorgfaltspflichtwidrig handelnden A zugerechnet werden kann, wenn feststeht, daß auch bei pflichtgemäßen Verhalten die Verletzung eingetreten wäre. Es geht um den sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Die Lösung dieser Fälle des rechtmäßigen Alternativverhaltens ist umstritten: Da der Erfolg letztlich unvermeidbar war, könnte man sagen, daß sich in der Verletzung nicht die durch das Verhalten geschaffene Gefahr realisierte. Umgekekrt könnte man fragen, wieso dem Täter trotz pflichtwidriger Handlung und konkreter Erfolgsverursachung die Verletzung nicht zugerechnet werden soll.

 Der BGH hat vorliegend die Zurechnung bejaht. Ausgehend von der Entscheidung in BGHSt 11, 1, auf deren Grundsätze das Gericht allerdings wegen Unterschiede im Sachverhalt nicht zurückgriff, waren zwei Erwägungen ausschlaggebend: 

„Hätte sich der A der Unfallstelle mit einer den Sichtverhältnissen angepaßten Geschwindigkeit genähert und damit nicht pflichtwidrig gehandelt, hätte er sein Fahrzeug rechtzeitig anhalten können. Weder er noch der K hätten in diesem gedachten Fall durch willentliches Verhalten zur Körperverletzung irgendwie beigetragen. Alleine das zeitlich nachfolgende pflichtwidrige Verhalten des Kraftfahrers M, also eines Dritten, wäre dann für die Körperverletzung des K ursächlich gewesen. Dieser Erfolg wäre dann nicht aufgrund desselben, sondern durch ein ganz anderes Unfallgeschehen herbeigeführt worden.„

„Wären der A und M mit ihren Fahrzeugen zur gleichen Zeit auf den Citroen aufgeprallt, hätten beide…die Körperverletzung des K verursacht. Der ursächliche Zusammenhang der Pflichtwidrigkeit eines jeden von ihnen und die Verantwortlichkeit eines jeden für den Verletzungserfolg wären durch das Verhalten des jeweils andeen nicht in Frage gestellt.„

Der Argumentation ist wohl zuzustimmen. Entscheidend ist in der Tat, daß sich A nicht auf das pflichtwidrige Verhalten eines Dritten berufen kann, um sich von einer eigenen Pflicht widrigkeit zu entlasten. Der BGH hat zu Recht darauf verwiesen, daß in den bisher entschiedenen Fällen, in denen den Pflichtwidrigkeitszusammenhang im Hinblick auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten verneint wurde, ausschließlich das Täter- oder Opferverhalten eine Rolle spielte. Bei pflichtgemäßem Verhalten hätte A vorliegend den K nicht verletzt, der Zusammenstoß wäre ausgeblieben. Der sodann von M verursachte Unfall mit anschließender Verletzung des K stellt ein anderes Ereignis dar, es verwirklicht sich eine andere Gefahr.

 b) Die sonstigen Verbrechensmerkmale geben keinen Anlaß zur Diskussion.

 

Fall 3: OLG Stuttgart, NJW 1982, 295 („Verschluckens-Fall„)

 A fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit stadtauswärts. Zur gleichen Zeit überquerte der Rentner M kurz vor dem Ortsende die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten. Als A den Fußgänger auf der Fahrbahn bemerkte, bremste er sogleich ab und zog den PKW nach links, konnte aber den Zusammenstoß nicht mehr verhindern. Bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit hätte er seinen Wagen rechtzeitig zum Stillstand bringen können. M erlitt infolge des Unfalls offene Brüche am rechten Ober- und Unterschenkel und einen offenen Schädelbasisbruch, der zum Austritt einer größeren Menge Blutes am linken Ohr führte. In bewußtlosem Zustand wurde er auf die Intensivstation des Krankenhauses eingeliefert, wo er zunächst künstlich ernährt und beatmet wurde. Nach Wiedererlangung des Bewußtseins wurden die Beinbrüche operiert. Da er wieder bei vollem Bewußtsein war, nahm er, da aus ärztlicher Sicht keine Bedenken bestanden, auch Nahrung in Form von Suppen zu sich. Hierbei verschluckte er sich jedoch mit der Folge, daß Speiseteilchen in die Lunge gerieten. Trotz sofortiger ärztlicher Maßnahmen trat eine fiebrige Lungenentzündung ein, die schließlich zu Tode führte.

 Hat sich A wegen fahrlässiger Tötung strafbar gemacht?

 

Hinweise zur Besprechung:

In dieser Konstellation geht es wieder um ein Fahrlässigkeitsdelikt mit Problemen der überholenden Kausalität und der Zurechnung bei atypischen Kausalverläufen.

 

Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)

Indem A den M anfuhr und dieser später im Krankenhaus verstarb, könnte er sich wegen fahrlässiger Tötung strafbar gemacht haben.

 a) Objektiver Tatbestand

 aa) M ist verstorben. Daneben handelte A sorgfaltswidrig, da er innerhalb geschlossener Ortschaften mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr. Insoweit liegt ein Verstoß gegen § 3 III Nr.1 StVO vor. Zumindest ein tödlicher Unfall ist unter diesen Umständen objektiv vorhersehbar. Das erkennende Gerichte neigte bei seiner Entscheidung jedoch dazu, die nachfolgend erörterte Problematik der Zurechnung unter dem Gesichtspunkt der (objektiven) Vorhersehbarkeit zu diskutieren: 

„Zwar hat die StrK nicht verkannt, daß für den Fahrlässigkeitsvorwurf nicht schon die Feststellung objektiver Kausalität zwischen pflichtwidrigem Verhalten und dem Erfolg genügt, sondern der tödliche Ausgang des Geschehens für den Angekl. voraussehbar gewesen sein muß, wobei hier offen bleiben kann, ob dieses Vorhersehbarkeitserfordernis lediglich die Schuld oder bereits das Fahrlässigkeitsunrecht berührt…; denn auch der - jedenfalls für den Schuldvorwurf erforderliche - Nachweis individueller Vorhersehbarkeit setzt zunächst einmal die generelle Voraussehbarkeit voraus.„

Obwohl dieser Weg gangbar erscheint, ist die Problematik richtigerweise doch wohl im Bereich der Kausalität/Zurechnung und damit bei dem Pflichtwidrigkeitszusammenhang zu verorten. 

bb) Zurechenbarkeit/sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang

Der Tod des M müßte eine Folge der Sorgfaltspflichtverletzung sein. Bedenken ergeben sich zunächst hinsichtlich der Kausalität. Denn der Tod des M ist unmittelbar auf das Verschlucken der Suppe und die anschließende Lungenentzündung zurückzuführen. Mithin könnte ein Fall sog. überholender Kausalität vorliegen. Überlegungen in diese Richtung stellte auch das OLG an: 

„Denn bei jeweils isolierter Betrachtung dieser sporadischen Kausalitätsbemerkungen ist nicht auszuschließen, daß das „Verschlucken„ gerade nicht kausal auf das Unfallgeschehen zurückzuführen war, sondern sogar seinerseits die im Unfallgeschehen angelegte Kausalkette „abgebrochen„ hat.„

Freilich muß präzise unterschieden werden, ob ein Fall überholender oder ein Fall sog. fortwirkender Kausalität gegeben ist. In der ersten Konstellation wird eine neue Kausalkette initiiert, die die vom Täter in Gang gesetzte Kausalkette aufhebt/überholt. Bei der zweiten Fallgruppe wirkt die vom Täter gesetzte Ursache fort. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus folgendes: Hätte A den M nicht angefahren, wäre dieser nicht ins Krankenhaus gekommen und wäre letztlich dort nicht infolge des Verschluckens der Suppe verstorben. Mithin ist ein fortwirkender Verursachungsbeitrag gegeben. Da nach der Äquivalenztheorie sämtliche kausalen Beiträge gleichwertig sind, ist es ohne Relevanz, daß A lediglich eine entferntere Ursache setzte, indem er M anfuhr. 

Kann damit die Kausalität zwischen dem pflichtwidrig herbeigeführten Unfall und dem Tod des M bejaht werden, stellt sich nunmehr die Frage, ob die Todesfolge dem A „als sein Werk„ auch zurechenbar ist. Nach der Grundformel der Lehre von der objektiven Zurechnung müßte der Täter eine - rechtlich verbotene - Gefahr geschaffen haben und diese Gefahr müßte sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert haben. Problematisch ist vorliegend die Gefahrrealisierung; nämlich, ob sich die von A durch den Unfall geschaffene Gefahr für Leib und Leben des M verwirklichte. Es könnte sich auch um einen atypischen und deshalb nicht mehr zurechenbaren Kausalverlauf handeln: 

„Demgemäß kommt es im vorliegenden Fall entscheidend darauf an, ob bei der pflichtwidrigen Kollision… voraussehbar war, daß das Unfallopfer dergestalt einem tödlichen Risiko ausgesetzt würde, daß es selbst nach Abklingen der ersten Unfallbeeinträchtigungen infolge eines medizinisch nicht zu erwartenden bzw. in seinem Komplikationsfolgen nicht beherrschbaren Verschluckens noch den Tod finden könnte. Denn während eine solche Realisierung des Ausgangsrisikos bei Anwendung eines durch die Verletzung notwendig gewordenen und möglicherweise komplikationsbehafteten Heilverfahrens regelmäßig zu bejahen sein wird…, kann man in Fällen, in denen im Zuge der gesamten Heilbehandlung neue - wenn auch im Rahmen des Gesamtgeschehens kausale - Komplikationen auftreten, nicht mehr ohne weiteres von einer Realisierung der Ausgangsgefahr ausgehen.„

Mithin ist entscheidend, ob das Verschlucken Folge einer noch fortbestehenden verletzungs- oder behandlungsbedingten Minderung der körperlichen Kräfte oder der Reaktionfähigkeit des Unfallopfers war. Dann kann A die Todesfolge (noch) zugerechnet werden. Andernfalls hat sich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht bzw. liegt ein atypischer Kausalverlauf vor. Da dies nach dem Sachverhalt nicht eindeutig geklärt war, hat das OLG die Sache zu recht zurückverwiesen. 

b) Sofern der vorgenannte Punkt geklärt ist, kann der Tatbestand bejaht oder verneint werden; jedenfalls werfen die übrigen Verrechensmerkmale keinerlei weitere Probleme auf.

 

Fall 4: BGHSt 39, 195 („Rechtsanwalt-Mandant-Fall„)

A, damals Rechtsanwalt, saß vom Nachmittag bis zum späten Abend mit seinem Freund und Mandanten S im Obergeschoß seines Einfamilienhauses zusammen. Außer ihnen war niemand im Haus. Gegen 22.30 Uhr verabschiedete A seinen Mandanten. S blieb jedoch aus ungeklärten Gründen und von A unbemerkt im Haus. Etwa zehn Minuten später vernahm A im Obergeschoß Geräusche aus dem Erdgeschoß und vermutete Einbrecher im Haus. Er nahm seinen Revolver, spannte den Hahn und trat, ohne Licht einzuschalten, an den oberen Treppenabsatz. In der Dunkelheit sah er auf dem unteren Treppenabsatz eine Person. A erkannte nicht, daß es S war, sondern schoß mit bedingtem Tötungsvorsatz und kehrte direkt in sen Zimmer zurück, um die weitere Entwicklung abzuwarten. Der Schuß durchdrang den Körper des S, verletzte ihn erheblich, so daß er ohne ärztliche Hilfe daran gestorben wäre, machte ihn jedoch nicht aktionsunfähig. Er tastete sich ins Wohnzimmer. 

Etwa fünf Minuten nach dem ersten Schuß hörte A Geräusche aus dem Wohnzimmer. Er lief mit schußbereiter Waffe ins Erdgeschoß, riß die Wohnzimmertür auf und schoß, ohne in das Zimmer hineinzusehen, blind ins Zimmer. Der von A - fahrlässig - abgegebene Schuß traf wiederum den S und fügte ihm ebenfalls tödliche Verletzungen zu. S verstarb an den vielfach, durch die beiden Schüsse entstandenen Organverletzungen.

Hinweise zu Besprechung:

Der Fall befaßt sich mit einer ungewöhnlichen Konstellation der alternativen Kausalität, die schwierig zu lösen ist. Insoweit wurde die Entscheidung auch kontrovers diskutiert. Am Rande stellt sich eine Notwehrproblematik. 

Auszugehen ist von zwei Tötungshandlungen, wobei davon auszugehen ist, daß die erste vorsätzlich und zweite fahrlässig begangen wurde. Daneben verstarb das Opfer an den Folgen beider Schüsse, die allerdings bereits jeder für sich genommen tödlich waren.

 

1. Totschlag (§ 212 I StGB)

Indem A einen Schuß auf M abgab, könnte er sich wegen Totschlags strafbar gemacht haben. 

a) Objektiver Tatbestand 

Problematisch ist alleine, ob der (erste) Schuß des A für den eingetretenen Taterfolg kausal war. Die Problematik läßt sich näher aufsplitten: Wendet man die Äquivalenztheorie an, kann der erste Schuß hinweggedacht werden, ohne daß der Erfolg entfiel. Denn auch der nachfolgende zweite Schuß war tödlich. Daneben könnte es sich im Hinblick auf den zweiten Schuß zudem um einen Fall sog. überholender Kausalität handeln. Kommt man dazu, die Kausalität des ersten Schusses zu verneinen, könnte A deshalb nur wegen eines versuchten Totschlags bestraft werden. Zu diesem Ergebnis ist die Vorinstanz gelangt, die den A wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung bestrafte. 

Die Einwände, daß die Kausalität des ersten Schusses deshalb entfallen könnte, weil der zweite Schuß ebenfalls tödlich war, läßt sich noch relativ einfach entkräften. Denn es steht nach dem Sachverhalt fest, daß das Opfer auch an den Verletzungen durch des ersten Schuß gestorben ist. Da alle Bedingungen gleichwertig sind, spielt es keine Rolle, daß der erste Schuß zeitlich früher erfolgte. Daneben könnte man argumentieren, daß sich der zweite Schuß aus der Perspektive des ersten als Reserveursache darstellt, die jedoch unbeachtlich ist.

 Schwieriger ist die Frage zu entscheiden, ob nicht ein Fall sog. überholender Kausalität gegeben ist. Dies könnte man mit der Überlegung begründen, daß durch den zweiten Schuß der Tod zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten ist. Der Erfolg in seiner konkreten Gestalt ist damit das Resultat des zweiten Schusses. Demgegenüber könnte auch ein Fall alternativer oder kumulativer Kausalität gegeben sein. Die vorliegende Konstellation ist, je nach Betrachtungsweise, mit jeder dieser Fallgruppen vergleichbar.

 Der BGH ging von einem Fall alternativer Kausalität aus: 

„Der erste Schuß des Angeklagten auf das Opfer war ursächlich für dessen Tod. Nach der von der Rechsprechung ständig angewendeten Bedingungstheorie ist als haftungsbegründende Ursache eines strafrechtlich bedeutsamen Erfolges jede Bedingung anzusehen, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele. Dabei ist gleichgültig, ob neben dieser Bedingung noch andere Umstände zur Herbeiführung des Erfolges mitgewirkt haben. Allerdings ist in der Rechtssprechung wiederholt ausgesprochen worden, daß demgegenüber eine Unterbrechung des Kausalverlaufs dann vorliege, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung einer früheren Ursache beseitigte und unter Eröffnung einer neuen Ursachenreiche den Erfolg allein herbeiführte… Haftungsbegründende Ursächlichkeit des Täterhandelns wird nicht einmal dadurch ausgeschlossen, daß das Verhalten des Opfers oder -deliktisches oder undeliktisches - Verhalten eines Dritten zur Herbeiführung des Erfolges mitgewirkt haben…Insbesonder aber ist in den Fällen, in denen der Täter nach einer tötungstauglichen Handlung eine weitere, hinzutretende Bedingung für den Tod gesetzt hat, auch die erste Handlung für den Tod ursächlich…Dies entspricht auch der h.M. im Schrifttum. Dort wird das Problem unter den Bezeichnungen „alternative Kausalität„, „Doppelkausalität„ oder „alternative Konkurrenz„ behandelt. Eine solche wird angenommen, wenn mehrere, unabhängig voneinander gesetzte Bedingungen zusammenwirken, die zwar für sich allein zur Erfolgsherbeiführung ausgereicht hätten, die tatsächlich aber alle in dem eingetretenen Erfolg wirksam geworden sind…Danach hat der Angeklagte mit dem ersten Schuß nicht nur einen versuchten, sondern einen vollendeten Totschlag begangen.„

Für die Ansicht des BGH spricht, daß jeder von beiden Schüssen für sich genommen tödlich war, und daß der Tod aufgrund der durch beide Verletzungen verursachten Verletzungen eingetreten ist. Damit ist - wenn auch vom bekannten Schulfall etwas abweichend - die bekannte Konstellation der alternativen Kausalität gegeben. Gleichwohl könnte man auch von einem Fall kumulativer Kausalität ausgehen. Der Erfolg in seiner konkreten Gestalt ist nämlich erst durch das Zusammenwirken beider Schüsse eingetreten. Die einzelnen Schüsse - jeweils für sich betrachtet - hätten den Tod zu einem anderen Zeitpunkt, vielleicht auch in anderer Weise herbeigeführt. Freilich gelangt man über die kumulative Kausalität zum gleichen Ergebnis. Denn in dieser Konstellation ist jede Ursache für den Taterfolg ursächlich. 

An dem Ergebnis könnte lediglich befremden, daß ein und derselbe Täter wegen zweier vollendeter Tötungen an der gleichen Person bestraft wird. Ein Grundsatz „Nur eine Leiche - nur ein Mord!„ exsistiert indessen nicht. Dies ergibt sich ohne weiteres, wenn man vorliegend zwei Täter unterstellt. In den Fällen alternativer wie auch kumulativer Kausalität ist grundsätzlich jeder der Täter für den Taterfolg verantwortlich. Für eine abweichende Beurteilung bei nur einem Täter besteht kein Anlaß.

 b) Der subjektive Tatbestand ist erfüllt. Es liegt dolus eventualis vor. Auf der Ebene der Rechtfertigung könnte man noch erwägen, ob A nicht durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt sein könnte. Allerdings ist der Schußwaffengebrauch im Rahmen der Notwehr an restriktive Voraussetzungen gebunden. Es bedürfte einer eigenen Begründung, weshalb vorliegend die Waffe direkt mit tödlicher Wirkung gegen eine Person eigesetzt wird. Da es sich darüber hinaus nicht um einen Einbrecher handelte, muß man zusätzlich berücksichtigen, daß sich A in einem Irrtum (Erlaubnistatbestandsirrtum - Doppelirrtum) befand.

 

2. Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)

Durch den zweiten Schuß könnte sich A der fahrlässigen Tötung strafbar gemacht haben. Im Rahmen der Kausalität kann man diskutieren, ob der zweite Schuß für den Tod kausal war. Denn bereits der erste Schuß war tödlich. Insoweit kann auf die vorherigen Überlegungen verwiesen werden: hypothetische Kausalität. Die Annahme einer Notwehr - Sonderproblem: Notwehr beim fahrlässigen Delikt? - scheidet wohl aus. Die fahrlässige Tötung tritt subsidiär hinter der vorsätzlichen zurück.

 

Fall 5: BGHSt 39, 322 (sog. Retter-Fall)

 Während einer privaten Feier im Wohnhaus der Familie H zündete A gegen 1.30 Uhr im Obergeschoß des Hauses ein Kleidungsstück an, um damit das Gebäude in Brand zu setzen. Zu dieser Zeit hielt sich im Obergeschoß neben dem schlafenden Gast K der 12-jährige Sohn der Eheleute H auf. Das Feuer breitete sich schnell aus und es entwickelte sich starker Rauch. Während der Junge sich retten konnte, kam K infolge des Brandes ums Leben.

 Als der 22-jährige Sohn der Eheleute H, M, der sich bei Brandausbruch außerhalb des Hauses aufgehalten hatte, das Feuer bemerkte, entschloß er sich zu versuchen, in das brennende Obergeschoß zu gelangen, um unter anderem seinen Bruder zu retten. M, der zu diesem Zeitpunkt einen BAK von 2,17 Promille hatte, gelangte bis in den Flur des Obergeschosses, wo er bewußlos zusammenbrach. Er verstarb infolge einer Kohlenmonoxydvergiftung. 

Strafbarkeit des A?

 Hinweise zur Besprechung:

Obwohl auch Branstiftungsdelikte zu erötern wären, liegt der Schwerpunkt bei der Prüfung der fahrlässigen Tötung. Es geht um die Problematik der Selbstgefährdung.

 

Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)

Indem A das Anwesen in Brand setzte und M anläßlich dieses Brandes ums Leben kam, könnte er sich wegen fahrlässiger Tötung strafbar gemacht haben.

 a) Objektiver Tatbestand

 aa) Der Taterfolg ist gegeben. Denn M ist tot. Das Handeln des A war auch sorgfaltswidrig: neminem laede. Im übrigen ist es objektiv vorhersehbar, daß beim Inbrandsetzen eines Hauses Menschen zu Schaden kommen können.

 bb) Zurechnung/Pflichtwidrigkeitszusammenhang

Fraglich ist, ob der Tod des M seine Ursache in der Sorgfaltswidrigkeit des A hat; d.h. ob der im Rahmen des Fahrlässigkeitsdelikts erforderliche Pflichtwidrigkeitszusammenhang gegeben ist.

 Unproblematisch ist zu nächst die Kausalität. Denn nach der Äquivalenztheorie setzte A eine Ursache für den Tod des M. So auch der BGH: 

„Zwar hat M selbst durch seinen Entschluß, sich zu Rettungsmaßnahmen in das brennende Obergeschoß des Hauses zu begeben, neben der Brandlegung durch den A eine zusätzliche Ursache für den späteren Eintritt seines Todes geschaffen. Durch die „Freiwilligkeit„ seiner Rettungshandlung wird jedoch der Ursachenzusammenhang zwischen der vorsätzlichen Brandlegung und dem späteren Tod nicht unterbrochen. M hätte sich ohne die Brandlegung der Gefahrensituation nicht ausgesetzt. Es ist anerkannt, daß eine Ursache im Rechtssinne ihre Bedeutung nicht verliert, wenn außer ihr noch andere Ursachen zur Herbeiführung des Erfolges beitragen. Ein Ursachenzusammenhang ist nur zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat…„

Mithin liegt ein Fall sog. fortwirkender Kausalität vor. Auch die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung käme vorliegend nicht zu einem anderen Resultat. 

Zu problematisieren ist indessen, ob im Hinblick auf das Verhalten des M, der sich angesichts der drohenden Gefahren entschloß, in das brennende Haus vorzudringen, der normative Zurechnungszusammenhang unterbrochen ist. Denn seit der sog. Heroinnadel-Entscheidung gilt, daß der Verletzungserfolg einem Beteiligten nicht zugerechnet werden kann, wenn der Taterfolg die Konsequenz einer bewußten, eigenverantwortlich gewollten und verwirklichten Selbstgefährdung ist. Im Einzelfall ist freilich noch vieles umstritten. 

Der BGH bejahte vorliegend die objektive Zurechnung: 

„Die an einem Fall wie BGHSt 32, 262 ff. entwickelte Rechtsprechung kann indes nicht schematisch auf Fälle übertragen werden, in denen durch ein deliktisches Verhalten des Täters ein Dritter zu einer sich selbstgefährdenden Handlung veranlaßt worden ist Einer Einschränkung des Grundsatzes der Straffreiheit wegen bewußter Selbstgefährdung des Opfers bedarf es insbesondere dann, wenn der Täter ducrh seine deliktische Handlung die naheliegende Möglichkeit einer bewußten Selbstgefährdung dadurch schafft, daß er ohne Mitwirkung und ohne Einverständnis des Opfers eine erhebliche Gefahr für ein Rechtsgut des Opfers oder ihm nahestehender Personen begründet und damit für dieses ein einsichtiges Motiv für gefährliche Rettungsmaßnahmen schafft…Etwas anderes mag gelten, wenn es sich um einen von vornherein sinnlosen oder offensichtlich unverhältnismäßigen Wagnissen verbundenen Rettungsversuch handelt.

Das Gericht zog damit ersichtlich eine Parallele zu den aus dem Zivilrecht bekannten sog. Verfolgerfällen, die eine deliktische Haftung des „Herausforderers„ nach § 823 I StGB begründen. Allerdings überzeugt dies nicht auf der ganzen Linie. Denn selbst wenn das Verhalten des Opfers herausgefordert wurde, müßte geklärt werden, weshalb hier das Verantwortungsprinzip suspendiert sein soll. Allein mit dem Hinweis auf ein nachvollziehbares Motiv bei demjenigen, der sich sehenden Auges in Gefahr begibt, überzeugt kaum. Es liegt in den „Retter-Fällen„ weiterhin eine zwar provozierte, gleichwohl eigenverantwortliche Selbstgefährdung vor. 

Die Lösung ist auf einer anderen Ebene zu suchen. Es geht um die nach wie vor nicht geklärten Kriterien für die Feststellung der Freiverantwortlichkeit. Vorliegend könnte man auf erwägen, ob sich M nicht in einer Zwangslage nach § 35 StGB befunden hat. Auch die zu Einwilligung entwickelten Kriterien könnten herangezogen werden: „Nötigung„ des M zum Einschreiten. Abstellen könnte man aber auch darauf, daß M als Garant - er war der Bruder - wie nach § 323c StGB Hilfspflichen hat, die ihn zum Einschreiten verpflichten. Diese werden durch die Möglichkeit bzw. Zumutbarkeit der Rettungshandlung begrenzt. Insoweit ließe der Hinweis des BGH, daß unsinnige Rettungsversuche die Zurechung unterbrechen, sinnvoll in ein Konzept zur Bewältigung der „Retterfälle„ integrieren.

 b) Die übrigen Verbrechensmerkmale werfen keine weiteren Probleme auf.

 

 Fall 6: OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1997, 325 („Auto-Surfer-Fall„)

 Die fünf Burschen A, B, C, D und E beschlossen, mit den PKW des E auf geteerten Feldwirtschaftswegen das sog. Auto-Surfen auszuprobieren. Zunächst surften sie in der Weise, daß sich abwechselnd einer von ihnen auf das Autodach legte und sich während der Fahrt an den Türholmen der geöffneten Fenster Festhielt. Später legten sich dann zwei, drei und schließlich vier Personen über- und nebeneinander auf das Dach. Hierbei hielten sie sich am Türholmen fest und umklammerten mit der anderen Hand den anderen Surfer. Zugleich wurde von Fahrt zu Fahrt die Geschwindigkeit gesteigert. Nach jeder Fahrt wechselte reihum der Fahrer, während die anderen surften. Alle waren sich der Risiken des Surfens bewußt.

 Nach einigen Fahrten steuerte A den PKW mit etwa 80 km/h, mit der sie bislang nur auf geraden Streckenabschnitten gefahren waren, in eine leichte Kurve. Wegen der sich dabei entwickelnden Fliehkraft wurde der auf dem C liegende B, der sich nicht mehr halten konnte, vom Fahrzeugdach in einen Graben geschleudert. Er erlitt schwere Schädelverletzungen.

 Strafbarkeit des A?

 Hinweise zu Besprechung:

Der Fall hat zwei Schwerpunkt. Im Rahmen der Prüfung eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b I Nr.3 StGB) stellt sich die Frage, ob es sich um einen sog. verkehrsfremden Eingriff handelte, und ob die konkrete Gefährdung eines anderen Menschen (Teilnehmer des gefährlichen Eingriffs als geschützter Personenkreis?) gegeben ist. Dies soll hier ausgeblendet bleiben. Im Vordergrund steht die Frage, ob die Verletzung des B dem A zurechenbar ist. Am Rande stellen die Problematik der Einwilligung.

 

Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB)

Indem A den Pkw mit hoher Geschwindigkeit in die Kurve fuhr, B deshalb vom Wagendach geschleudert wurde und erhebliche Verletzungen erlitt, könnte er sich wegen fahrlässiger Körperverletzung strafbar gemacht haben.

 a) Objektiver Tatbestand

 aa) Der Taterfolg ist eingetreten. Das Verhalten des A war zudem sorgfaltswidrig. Denn die Personenbeförderung auf dem Fahrzeugdach ist verkehrswidrig. Es ist auch objektiv vorhersehbar, daß hierdurch Personen zu Schaden kommen können.

 bb) Pflichtwidrigkeitszusammenhang

Zu klären bleibt, ob die Verletzung des B auf die Sorgfaltswidrigkeit zurückzuführen ist. An der Kausalität bestehen keine Zweifel. Obwohl auch B eine Ursache für seine Verletzungen setzte, indem er auf dem Dach mitfuhr, war das Verhalten des A kausal. Jede Bedingung ist gleichwertig.

 Im Rahmen der objektiven Zurechnung ist indessen problematisch, ob der Verletzungserfolg dem A noch normativ zugerechnet werden kann. Da B in Kenntnis der Risiken des Auto-Surfens auf dem Dach mitfuhr, könnte der Zurechnungszusammenhang wegen einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung nicht mehr gegeben sein. Freilich sind die Fälle der straflosen Teilnahme an einer Selbstgefährung von den Fällen der tatbestandsmäßigen Fremgefährdung abzugrenzen. Die Abgrenzung erfolgt überwiegend nach Tatherrschaftskriterien. Demnach ist zu fragen, bei wem die Tatherrschaft zur Zeit der Risikoverwirklichung lag. Vorliegend hatte alleine A als Fahrer des Fahrzeugs Einfluß auf den Geschehensablauf. Mithin liegt ein Fall der Fremdgefährdung vor. Die Verletzung des B ist ihm daher zurechenbar.

 b) Rechtswidrigkeit

Breiten Raum nahm in der Entscheidung des OLG die Frage ein, ob die Körperverletzung durch eine Einwilligung gerechtfertigt sein könnte. Hierbei war zu erörtern, ob die Einwilligung wegen eines möglichen Exzesses des A, der die Kurve zu schnell anging, ausgeschlossen gewesen sein könnte. Die Rechtfertiung scheiterte letztlich an der Sittenwidrigkeit der Tat (§ 228 StGB). Das eingegangene Risiko stand in keinem Verhältnis zum Tatzweck.

 

D. Die erfolgsqualifizierten Delikte

Einen Sonderbereich in dem Komplex Kausalität/objektive Zurechnung nehmen die erfolgsqualifizierten Delikte ein. Hier muß zwischen dem Grundtatbestand und der besonderen Folge ein spezifischer Zusammenhang hergestellt werden, auf dessen Grundlage dem Täter die Folge erst zugerechnet werden kann. Klausurrelevant ist vor allem § 227 StGB, vormals § 226 I StGB. Freilich spricht man bei den Erfolgsdelikten nicht von Kausalität und objektiver Zurechnung, sondern von der sog. Unmittelbarkeit. Dies setzt zunächst die Feststellung der Kausalität zwischen Grunddelikt und schwerer Folge voraus. Sodann ist die Frage der Unmittelbarkeit zu klären, die allerdings nicht durch eine Übertragung der Grundsätze der objektiven Zurechnung bewältigt werden kann. Es handelt sich um eine eigene Zurechnungskategorie. Der Erfolg muß sich als Realisierung einer spezifischen, im Grunddelikt bereits angelegten Gefahr erweisen.

 

Fall 1: BGH, NStZ 1992, 333 („Gummihammer-Fall„)

 A suchte den C in dessen Wohnung auf, um ihn zur Rede zu stellen, weil dieser ein intimes Verhältnis mit seiner, des A, Freundin unterhielt. Im Verlauf des Gesprächs kam es zu einem handgreiflichen Streit. A schlug dauafhin mit einem 550 g schweren Hartgummihammer, den er aus Furcht vor seinem körperlich weit überlegenen Nebenbuhler mitgeführt hatte, dem C ohne Tötungsvorsatz wiederholt heftig auf den Kopf. Dieser stürzte zu Boden, blieb bewußtlos liegen und wurde von A für Tod gehalten. Tatsächlich hatten die Schläge den C nur tödlich verletzt; freilich so, daß der Tod selbst bei ärztlicher Hilfe alsbalb eingetreten wäre.

 Kurz darauf traf A seinen Vetter B und berichtete ihm von dem Vorfall. B wollte sich selbst davon überzeugen, daß A den C getötet habe. Er ließ sich von A den Wohungsschlüssel geben, den dieser mitgenommen hatte. In der Wohnung angekommen, strangulierte er den noch lebenden, aber im Vorstadium des unabwendbar bevorstehenden Todes befindlichen C. Anschließend täuschte B - um A zu entlasten - einen Selbstmord vor, indem er C an der Türklinke aufhängte.

 Strafbarkeit des A?

 Hinweise zur Besprechung:

Der Sachverhalt ist stark verkürzt und nur auf die Problematik des § 227 StGB zugeschnitten. Die Problematik der Unmittelbarkeit ist zu diskutieren.

 

Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB)

Indem A dem C mit dem Hartgummihammer auf den Kopf schlug, könnte er sich der Körperverletzung mit Todesfolge strafbar gemacht haben.

 a) Objektiver Tatbestand 

aa) Eine Körperverletzung nach § 223 I StGB liegt unproblematisch vor. Denn C hat erhebliche Verletzungen erlitten. 

bb) Zusammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge

Die schwere Folge ist eingetreten, da C verstorben ist. Stellt man auf die Körperverletzungshandlung als Anknüpfungspunkt ab, ist auch die Kausalität gegeben. Denn erst durch die Hammerschläge kam C in der Wohung zu liegen, wo ihn schließlich B antraf und strangulierte. Es liegt ein Fall fortwirkender Kausalität vor.

 Obwohl anerkannt ist, daß durch das Eingreifen eines Dritten, der die spezifische Todesgefahr für das Opfer schafft, die Unmittelbarkeit nicht mehr gegeben ist, bejahte der BGH vorliegend das Merkmal. Ausschlaggebend war für ihn, daß das Leben des C infolge der Hammerschläge unrettbar verloren war: 

„Ein… „unmittelbarer„ (Gefahrverwirklichungs-)Zusammenhang ist zwischen den Gewalthandlungen des A und dem Todeseintritt trotz Eingreifen eines Dritten zu bejahen. Den wuchtigen Hammerschlägen auf den ungeschützten Kopf des Opfers haftete nicht nur die spezifische Gefahr des Todes an. Sie hatten, als B sich daran machte, das vermeintlich tote Opfer zur Vortäuschung eines Selbstmordes aufzuhängen, bereits zum Beginn des Sterbens geführt, nämlich zu einem Zustand der Bewußtlosigkeit als Vorstadium des unabwendbar bevorstehenden Todes… Die konkrete Fallgestaltung mit der aufgezeigten Besonderheit, daß ein im Interesse des Täters handelnder Dritter veranlaßt wird, den Tod des von ihm bereits für Tod gehaltenen Opfers unbeabsichtigt zu beschleunigen, rechtfertigt bei wertender, den Sinn des § 226 I StGB einbeziehender Betrachtung die Annahme eines spezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhangs zwischen Körperverletzung und Todesfolge.„

Des weiteren müßte A bzgl. der Todesfolge fahrlässig gehandelt haben (§ 18 StGB). Während die Kausalität, wie oben ausgeführt, keine Probleme aufwirft, stellt sich die Frage, ob nicht ein atypischer Geschehensablauf vorliegt, der die (objektive) Vorhersehbarkeit bzw. die Zurechnung ausschließt. Der BGH führte aus: 

„Es widerspricht nicht jeder Lebenswahrscheinlichkeit, daß ein tödlich zusammengeschlagenes Opfer, das bewußtlos im Sterben liegt, von einem medizinischen Laien wegen der offen zutage tretenden Schwere der Verletzung für tot gehalten und durch die Behandlung als Leiche im Sinne eines ledigleich beschleunigten Todeseintritts getötet wird.„

b) Da die übrigen Verbrechensmerkmale keine weiteren Fragen aufwerfen, machte sich A wegen Körperverletzung mit Todesfolge strafbar.

Die Entscheidung bereitet indessen Unbehagen. Fraglich ist, ob die Unmittelbarkeit selbst dann noch bejaht werden kann, wenn ein Dritter sich in das Geschehen einschaltete und das Opfer tötete. Mit der Erwägung, daß dem Opfer sowieso nicht mehr zu helfen war, läßt sich die Neuverteilung der Verantwortlichkeitssphären nicht hinreichend erklären. Zudem kann das „Hilfemotiv„ - innerhalb von § 211 spricht man von Verdeckungsabsicht - des B nicht ausschlaggebend sein. Man mag sich damit trösten, daß es sich - vielleicht - um eine Einzelfallentscheidung handelte.