A. Einleitung

 

Sind an der Begehung einer Straftat mehrere Personen beteiligt, stellt sich bei jedem einzelnen die Frage, wie er unter Berücksichtigung seines Tatbeitrages und des von ihm verwirklichten oder des von anderen verwirklichten, jedoch ihm zurechenbaren Unrechts schuldadäquat zu bestrafen ist. Dieser sehr komplexen Problematik widmet sich die Lehre von der Täterschaft und Teilnahme.

 

Versucht man die verschiedenen, sich oftmals überlagernden Problemfelder in diesem Bereich grob zu ordnen, ergeben sich zwei große Themenkomplexe. Zum einen geht es um die grundsätzlichen Fragen der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme; eine Unterscheidung, die im Bereich des sog. Kernstrafrechts durch das Gesetz selbst - vgl. §§ 25 ff. StGB - vorgegeben ist. Zum anderen geht es um eine Vielzahl von Einzelfragen und Detailproblemen, die sich bei den einzelnen Erscheinungsformen der Täterschaft und der Teilnahme stellen können.

 

Die folgende Darstellung geht auf beide Komplexe ein und orientiert sich an der zuvor erwähnten Zweiteilung. Mithin wird zunächst die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme in ihren Grundzügen erläutert. Anschließend geht es darum, einen Überblick über die verschiedenen Erscheinungsformen der Täterschaft und der Teilnahme zu gewinnen. Hierbei sollen jedoch nur die grundlegenden Strukturen und tatbestandlichen Voraussetzungen geklärt werden, ohne daß in die Erörterung von Detailproblemen eingetreten wird. Einige wichtige Detailfragen und zentrale Problemstellungen werden anhand der Fälle exemplifiziert, die im letzten Teil angeführt werden.

 

 

 

B. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme

 

Von wenigen Ausnahmen abgesehen (vgl. § 121 StGB sowie §§ 27, 28 WStG), gehen die Straftatbestände des Besonderen Teils des (Kern-) Strafrechts bei der (abstrakten) Umschreibung des tatbestandlichen Verhaltens von einem einzelnen Täter aus. Bei der Kodifikation der verschiedenen Tatbestände und der Beschreibung des poenalisierten Verhaltens orientierte sich der Gesetzgeber aus Gründen der Vereinfachung und der notwendigen Abstraktion stets am verantwortlich agierenden Alleintäter. Dies ergibt sich aus der Formulierung der Deliktstatbestände. Täter ist beispielsweise, wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt (§ 223 I StGB) oder wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen (§ 242 I StGB). Auch im ersten Zugriff auf einen Straftatbestand hat man als Rezipient in der exemplarischen Konkretisierung des abstrakten Normbefehls unwillkürlich einen einzelnen Täter vor Augen.

 

Aus diesem Umstand lassen sich erste wichtige Rückschlüsse auf den Täterbegriff ziehen. Zunächst muß derjenige, der den gesetzlichen Tatbestand eigenhändig verwirklicht, grundsätzlich als Täter angesehen werden. Diese Konsequenz, die sich bereits aus der sprachlichen Fassung der Straftatbestände des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches ergibt, hat der Gesetzgeber nochmals in der Vorschrift des § 25 I 1.Alt. StGB, gewissermaßen als Selbstverständlichkeit, zum Ausdruck gebracht.

 

Des weiteren wird insgesamt deutlich, daß ein innerer Zusammenhang zwischen den einzelnen Straftatbeständen und der Täterschaft besteht. Man spricht von der „Tatbestandsbezogenheit des Täterbegriffs„ oder allgemeiner davon, daß die Teilnahmelehre ein Stück der Lehre vom Tatbestand darstellt. Konkrete und wichtigste Konsequenz hiervon ist wiederum, daß eine Täterschaft - in welcher Form auch immer - dort ausscheidet, wo der einschlägige Straftatbestand eine spezifische Täterqualität voraussetzt; ein Gesichtspunkt, auf den noch zurückzukommen sein wird.

 

Ausgehend davon, daß den Straftatbeständen des Besonderen Teils das Modell oder die Vorstellung von einem alleine agierenden Täter zugrundeliegt, ergeben sich zwangsläufig Probleme, wenn mehrere Personen auftreten und tätig werden. Nunmehr ist es erforderlich, das individuelle Handlungsunrecht präzise zu erfassen, um eine an der Qualität der Tatbeiträge orientierte, im übrigen schuldangemessene (gerechte) strafrechtliche Bewertung vornehmen zu können. Hierbei stehen theoretisch zwei unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung. Mit der Lehre vom Einheitstäter könnte man jeden Beteiligten, der einen kausalen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung leistet, als Täter ansehen und weitergehende Differenzierungen auf die Ebene der Schuld und der Strafzumessung verlagern. Den Gegensatz hierzu bildet das sog. dualistische Prinzip, d.h. eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen der Beteiligung. Der Gesetzgeber des StGB hat sich bekanntermaßen für die zweite Variante entschieden, wie nicht zuletzt ein Blick in die Vorschriften der §§ 25 ff. StGB belegt. Diese Differenzierung in Täterschaft einerseits und Teilnahme andererseits hat eine lange historische Tradition, so daß man schon von einer vor- bzw. überpositiven Strukturvorgabe sprechen könnte. In diese Richtung deutet auch die Begründung Jeschecks für die Unterscheidung:

 

„Die Aufgliederung der Erscheinungsformen der Beteiligung an der strafbaren Handlung ist keine Sache des freien gesetzgeberischen oder richterlichen Ermessens. Sie ist vielmehr durch feststehende Strukturen sozialer Beziehungen vorgeprägt, von denen sich die rechtliche Bewertung nicht entfernen darf, wenn die Rechtsanwendung nicht ihre Überzeugungskraft verlieren soll.„

 

Das grundsätzlich anzuerkennende Differenzierungsprinzip, das in den Vorschriften der §§ 25 ff. StGB seinen Niederschlag gefunden hat, hat freilich den Nachteil, daß nunmehr Kriterien für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme entwickelt werden müssen. Das Gesetz enthält insofern keine näheren Angaben, wenn man von den Straftatbeständen des Besonderen Teils und der damit vorgegebenen Tatbestandsbezogenheit des Täterbegriffs sowie der bestätigenden Regelung in § 25 I 1.Alt. StGB absieht. Zur Abgrenzung der beiden Beteiligungsformen werden verschiedene Theorien diskutiert. Ausgangspunkt ist jedoch stets der Täterbegriff (sog. primärer Täterbegriff); d.h. Teilnehmer ist derjenige, der nicht Täter ist. Typische Abgrenzungsprobleme ergeben sich gewöhnlicherweise zwischen Mittäterschaft (§ 25 II StGB) und Beihilfe (§ 27 StGB) sowie zwischen mittelbarer Täterschaft (§ 25 I 2.Alt. StGB) und Anstiftung (§ 26 StGB).

 

Freilich muß berücksichtigen werden, daß die Abgrenzungskriterien, die zur Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme entwickelt wurden, in bestimmten Konstellationen nicht diskutiert werden müssen:

- Bei Fahrlässigkeitsdelikten wird - unabhängig von dem Grad der Fahrlässigkeit - nicht nach Täterschaft und Teilnahme differenziert. Täter der fahrlässigen Straftat ist jeder, der fahrlässig (sorgfaltswidrig und in zurechenbarer Art und Weise) zur Verwirklichung des Straftatbestandes beiträgt.

- Eine Täterschaft, gleich in welcher Form, scheidet generell aus, wenn dem Handelnden, der formal durch Vornahme einer geeigneten Tathandlung vielleicht den Tatbestand erfüllt, eine vom gesetzlichen Straftatbestand geforderte tatbestandsspezifische Täterqualität fehlt. Dies ergibt sich aus der bereits angesprochenen Tatbestandsbezogenheit des Täterbegriffs. Mangels Täterqualität kommt deshalb eine Täterschaft nicht in Betracht: bei sog. echten Sonderdelikten (z.B. §§ 331 ff. StGB), bei sog. eigenhändigen Delikten (z.B. §§ 153, 154 StGB), wenn der Straftatbestand eine bestimmte, individualisierende Pflichtenstellung voraussetzt (z.B. § 266 StGB: Vermögensbetreuungspflicht, § 142 StGB: Unfallbeteiligter), oder wenn bestimmte subjektive Verbrechensmerkmale vorhanden sein müssen (z.B. § 242 StGB: Zueignungsabsicht).

 

Im übrigen werden bei den sog. Allgemeindelikten zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme die im folgenden dargestellten Theorien diskutiert. Diese lassen sich - grob eingeteilt - in subjektive und objektive Ansätze, die ihrerseits mit dem extensiven und dem restriktiven Täterbegriff korrespondieren, einteilen:

- die formal-objektive Theorie: In strenger Orientierung an den Wortlaut der jeweils einschlägigen gesetzlichen Straftatbestände ist Täter nur derjenige, der selbst das im Tatbestand umschriebene Verhalten (vollständig) erfüllt. Andere kausale Tatbeiträge können nur eine Strafbarkeit wegen Teilnahme begründen.

 

Schwächen: die mittelbare Täterschaft kann nicht erklärt werden; die Mittäterschaft ist nur möglich, wenn jeder Tatbeteiligte (zumindest teilweise) auch den gesetzlichen Tatbestand erfüllt; bei den Erfolgsdelikten führt jedes kausale Verhalten zur Erfüllung des Tatbestandes, womit die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme aufgehoben wird.

- die (ältere) materiell-objektive Theorie: Diese Theorie ergänzte die zuvor erörterte Theorie mit normativen Gesichtspunkte, um die erkannten Schwächen zu beheben. Berücksichtigt werden sollte die Gefährlichkeit des Tatbeitrages sowie die Intensität der Kausalbeziehung zwischen Tathandlung/Tatbeitrag und Taterfolg.

- die subjektive Teilnahmetheorie: Täter ist danach, wer einen kausalen Tatbeitrag mit Täterwillen (animus auctoris) erbringt, wer die Tat „als eigene„ will. Teilnehmer ist hingegen, wer bei Erbringung seines Tatbeitrages mit Teilnehmerwillen (animus socii) handelt, wer die Tat „als fremde„ will.

 

Schwächen: Jedenfalls in ihrer streng bzw. extrem subjektiven Variante, in der objektive Kriterien völlig ausgeblendet bleiben, ist dieser Theorie durch die Vorschrift des § 25 I 1.Alt. StGB (Tatbezogenheit des Täterbegriffs) der Boden entzogen.

- die Lehre von der Tatherrschaft oder auch die materiell-objektive Theorie: Diese Theorie beruht auf der Erkenntnis, daß nur mit subjektiven und objektiven Kriterien Täterschaft und Teilnahme sinnvoll gegeneinander abgegrenzt werden können. Sie hat sich in der Literatur durchgesetzt und auch der BGH hat sich ihr angenähert. Ausgehend vom restriktiven Täterbegriff wird die Täterschaft nicht durch jede beliebige Mitverursachung des Taterfolgs, sondern nur durch die Vornahme einer tatbestandsmäßigen Handlung begründet. Allerdings ist nicht erforderlich, daß formal der gesetzliche Straftatbestand erfüllt wird. Entscheidend ist vielmehr, wer Tatherrschaft hat. Tatherrschaft ist nach einer geläufigen Definition „das vom Vorsatz umfaßte In-den-Händen-halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs„. Bei der Alleintäterschaft (§ 25 I 1.Alt. StGB) ist dies die sog. Handlungsherrschaft. Bei der mittelbaren Täterschaft (§ 25 I 2.Alt. StGB) spricht man von der sog. Wissens- oder Willensherrschaft. Und bei der Mittäterschaft (§ 25 II StGB) spricht man von der sog. funktionellen Tatherrschaft.

 

 

 

C. Die einzelnen Erscheinungsformen der Täterschaft

 

Innerhalb der Täterschaft kann man - wie schon verschiedentlich angedeutet - unter Zugrundelegung der gesetzlichen Regelung in § 25 StGB zwischen Alleintäterschaft, mittelbarer Täterschaft und Mittäterschaft. Vernachlässigt werden kann die sog. Nebentäterschaft, die eine Form der Alleintäterschaft darstellt.

 

 

 

I. Die (Allein-) Täterschaft nach § 25 I 1.Alt. StGB

 

Täter ist nach § 25 I 1.Alt. StGB, wer die Straftat selbst begeht. Damit wird klargestellt, daß derjenige, der eigenhändig und verantwortlich sämtliche Tatbestandsmerkmale eines gesetzlichen Straftatbestandes verwirklicht, als Täter zu qualifizieren ist. Mithin ist in solchen Konstellationen, in denen ein Beteiligter trotz Erfüllung der Tatbestandes kein greifbares eigenes Tatinteresse hat und mit animus socii handelt, eine Teilnahme ausgeschlossen. Entscheidungen wie etwa der vom Reichsgericht entschiedene „Badewannen-Fall„ oder wie der vom BGH entschiedene „Stachynskij-Fall„ sind deshalb kaum mehr zu begründen.

 

 

 

II. Die mittelbare Täterschaft nach § 25 I 2.Alt. StGB

 

Mittelbarer Täter ist nach § 25 I 2.Alt. StGB, wer die Straftat durch einen anderen begeht. Der (mittelbare) Täter bedient sich zur Ausführung der tatbestandsmäßigen Handlung eines sogenannten Werkzeugs. Demzufolge ist diese Form der Täterschaft dadurch gekennzeichnet, daß zwei Personen an der Begehung einer Straftat beteiligt sind: Der Tatmittler, der - zumeist ohne eigenes Tatinteresse - die Tat an einem Dritten (oder auch an sich selbst) begeht und der Hintermann, der das Geschehen initiiert.

 

Die mittelbare Täterschaft hat daher zwei Voraussetzungen. Zum einen muß der Tatmittler Werkzeugqualität haben, d.h. er muß einen „tatbestandlichen Defekt„ aufweisen und sich etwa qua Irrtum, Zwang oder Schuldunfähigkeit in einer unterlegenen Stellung befinden. Anerkannt, wenn auch im einzelnen umstritten, sind folgende Fallgruppen:

- der tatbestandslos handelnde Tatmittler (z.B. Selbstmord)

- der vorsatz- oder absichtslos handelnde Tatmittler

- der rechtmäßig handelnde Tatmittler

- der schuldlos oder -unfähige Tatmittler

- der Tatmittler, der im unvermeidbaren Verbotsirrtum handelt

- der unfrei handelnde Tatmittler

 

Zum anderen muß der Hintermann Tatherrschaft haben. Dies bedeutet, daß er den Ablauf des Geschehens kraft seines planvoll lenkenden Willens (und damit vorsätzlich) in den Händen hat. Die Tatherrschaft beruht demnach auf eines Willens- oder Wissensherrschaft über den Tatmittler, die bewußt instrumentalisiert wird. In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann sich die Tatherrschaft des weiteren auch aus organisatorischen Strukturen ergeben, deren sich der Täter zur Tatbegehung zur Verwiklichung eigener Interessen (vorsätzlich) bedient.

 

Daneben gibt es aber - wie bereits bei dem Aspekt der Tatbestandsbezogenheit des Täterbegriffs angesprochen - Konstellationen, in denen die Täterschaft und damit auch die mittelbare Täterschaft ausgeschlossen ist. Dies ist der Fall, wenn der Tatmittler selbst voll verantwortlich handelt (str.) sowie bei echten Sonderdelikten und bei sog. eigenhändigen Delikten.

 

Besondere Probleme, die hier allerdings nicht vertieft werden sollen, ergeben sich bei der mittelbaren Täterschaft, wenn der Hintermann über die (Nicht-) Werkzeugqualität des Tatmittlers irrt oder dem Vordermann bei Vornahme der Tathandlung Irrtümer unterlaufen. Schwierigkeiten ergeben sich daneben bei der Bestimmung des Versuchsbeginns.

 

 

 

III. Die Mittäterschaft nach § 25 II StGB

 

Sofern nach § 25 II StGB mehrere Personen eine Straftat gemeinschaftlich begehen, sind sie als Mittäter und somit als Täter anzusehen. Was unter gemeinschaftlicher Tatbegehung zu verstehen ist, wie das Merkmals angesichts der spärlichen gesetzlichen Regelung auszulegen ist, ist bislang nicht abschließend geklärt. Vieles wird noch kontrovers diskutiert, so daß man sagen kann, daß die einzelnen Voraussetzungen der Mittäterschaft umstritten sind.

 

Charakteristisch für die Mittäterschaft ist der gemeinsame (vorherige) Entschluß zur Begehung einer Straftat - der sog. Komplott - und das arbeitsteilige Vorgehen der Beteiligten bzw. die funktionelle Rollenverteilung bei der Tatausführung. Als klassisches Beispiel mag der Banküberfall gelten, den der „Bandenchef„ A minuziös plante und der sodann von B, C und D ausgeführt wurde, wobei D im Fluchtfahrzeug vor der Bank wartete, während B den Fluchtweg absicherte und C sich unter Androhung von Waffengewalt das Geld aushändigen ließ.

 

Die Mittäterschaft setzt ausgehend von § 25 II StGB in subjektiver Hinsicht einen gemeinsamen Tatentschluß voraus, der gewöhnlich vor der Tatausführung gefaßt wird, dem Beteiligte aber auch noch während der Tat bis zu ihrer Beendigung beitreten können (sog. sukzessive Mittäterschaft). Über dieses Merkmal besteht weitgehend Konsens, weshalb sich hier kaum grundsätzliche Probleme ergeben. In objektiver Hinsicht erfordert die Mittäterschaft im Rahmen der gemeinschaftlichen Tatausführung einen (objektiven) Tatbeitrag eines jeden Beteiligten. Außerhalb der unproblematischen, jedoch seltenen Fälle, in denen jeder an der tatbestandlichen Ausführungshandlung beteiligt ist, ist umstritten, welche (Mindest-) Qualität der Tatbeitrag aufweisen muß, damit von einer Mittäterschaft gesprochen werden kann. An dieser Stelle werden die oben angesprochen Teilnahmetheorien wieder relevant. Favorisiert man eher den subjektiven Ansatz, genügt es zur Annahme von Mittäterschaft, wenn in irgendeinem Stadium der Tat ein kausaler Beitrag mit Täterwillen erbracht wird. Demgegenüber ist nach der Tatherrschaftslehre zumindest ein die Tat fördernder Tatbeitrag erforderlich; d.h. der (täterschaftlich) Beteiligte muß Einfluß auf das Ob und Wie der Tatausführung haben (sog. funktionelle Tatherrschaft). Gleichwohl ist auch innerhalb der Tatherrschaftslehre in Einzelfällen umstritten, welche Anforderung präzise an den (fördernden) Tatbeitrag zu stellen sind. Zum Teil wird in Anlehung an die objektive Theorie eine maßgebliche Mitwirkung im Ausführungsstadium verlangt. Überwiegend wird jedoch darauf verwiesen, daß sich die Mittäterschaft nicht auf eine Mitwirkung im Versuchs- oder Vollendungsstadium beschränken kann. Unter Zugrundelegung des restriktiven Täterbegriffs ist deshalb anhand einer wertenden Betrachtung zu klären, ob Tatherrschaft gegeben ist.

 

 

 

D. Die Teilnahme

 

Die beiden durch das Gesetz vorgegebenen Erscheinungsformen der Teilnahme sind die Anstiftung (§ 26 StGB) und die Beihilfe (§ 27 StGB). Die Vollendung des Unrechtstatbestandes der Teilnahme und damit die Strafbarkeit des Teilnehmers ist jedoch abhängig vom Vorliegen einer Haupttat. Diese Abhängigkeit bezeichnet man als Akzessorietät. Unter welchen Voraussetzungen eine Haupttat als Anknüpfungspunkt für die Entstehung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Teilnehmers in Betracht kommt, läßt sich streiten. Nach dem Grundsatz der strengen Akzessorietät muß der Täter tatbestandlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. Demgegenüber ist nach dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät, der in den Vorschriften der §§ 26, 27 StGB verwirklicht wurde, ein schuldhaftes Verhalten nicht erforderlich. Anstiftung und Beihilfe setzen demnach „nur„ eine vorsätzlich begangene rechtswidrige (vgl. § 11 Nr.5 StGB) Haupttat voraus.

 

 

 

I. Die tatbestandliche Struktur der Teilnahmedelikte

 

 

1. Die Anstiftung (§ 26 StGB)

 

Im objektiven Tatbestand setzt die Anstiftung zunächst das Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat voraus (sog. limitierte Akzessorietät), wobei diese zumindest in das Stadium des (strafbaren) Versuches gelangt sein muß.

 

Tathandlung ist das Bestimmen. Hierunter versteht man ganz allgemein das Hervorrufen des - konkreten - Tatentschlusses. Die Mittel der Anstiftung sind im Gesetz allerdings nicht genannt, so daß vieles in Frage kommt. Einige Anhaltspunkte ergeben sich insofern durch einen Rückgriff auf § 48 StGB a.F., in dem, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Beispiele genannt wurden: Geschenke, Versprechen, Drohung, Mißbrauch des Ansehens, Mißbrauch von Gewalt (im Sinne eines Subordinationsverhältnisses), Herbeiführung eines Irrtums, Überredung, Anregung, Erteilung von Ratschlägen. Im übrigen wird freilich darum gestritten, wie das Tatbestandsmerkmal „bestimmen„ auszulegen ist. Überwiegend geht man in der Literatur davon aus, daß es sich um Mittel der geistigen bzw. der intellektuellen Beeinflussung handeln muß (sog. Theorie des geistigen Kontakts). Gefordert wird eine kommunikative Beeinflussung des Täters. Mithin genügt - nach diesem Ansatz - das Darbieten einer verlockenden Gelegenheit bzw. das Schaffen einer provozierenden, zur Tatbegehung anreizenden Sachlage nicht. Auch ansonsten muß das Bestimmen „Aufforderungscharakter„ haben.

 

Die Tathandlung des Bestimmen muß des weiteren (mit-) ursächlich für den Tatentschluß beim Täter und die anschließende Tatbegehung geworden sein. Demzufolge scheidet eine (vollendete) Anstiftung aus, wenn der Täter bereits konkret zur Tat entschlossen ist: omnimodo facturus. Abgesehen von den Sonderfällen der sog. Auf-, Ab- und Umstiftung kommt in diesen Konstellationen nur noch eine versuchte Anstiftung (§ 30 StGB) oder eine psychische Beihilfe in Betracht.

 

In subjektiver Hinsicht setzt die Anstiftung den sog. doppelten Anstiftervorsatz voraus. Dies bedeutet, daß sich der Vorsatz des Teilnehmers auf die eigene Anstiftungshandlung sowie auf die Ausführung bzw. Vollendung einer bestimmten Haupttat richten muß. Probleme ergeben sich häufig im Hinblick auf die Bestimmtheit des Anstiftervorsatzes. Diskutiert wird darum, wie konkret die Vorstellungen des Teilnehmers bezüglich der Haupttat und deren Begehungsmodalitäten sein müssen. Erforderlich ist, daß der Anstifter im Sinne eines „umrißhaften Tatbildes„ die wesentlichen objektiven und subjektiven Verbrechensmerkmale sowie die die Rechtswidrigkeit begründenden Umstände in seinen (Eventual-) Vorsatz aufgenommen hat. Die Tat muß in ihren wesentlichen Grundzügen konkretisiert sein. Dies setzt zumindest voraus, daß die Tat und der Täter hinreichend konkret bestimmt sind. Nicht erforderlich ist aber, daß die Tatausführung in allen Einzelheiten vom Vorsatz erfaßt wird.

 

 

 

2. Die Beihilfe (§ 27 StGB)

 

Parallel zum objektiven Tatbestand der Anstiftung setzt die Beihilfe gleichfalls das Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat voraus (§§ 27, 11 Nr.5 StGB). Auch hier genügt es, wenn die Tat in das Stadium des strafbaren Versuchs gelangt ist.

 

Tathandlung ist das Hilfeleisten. Sehr allgemein gehalten bedeutet dies, daß der Gehilfe durch sein Verhalten den Täter unterstützt und dadurch die Begehung der Haupttat gefördert haben muß. Näherhin unterscheidet man zwischen einer psychischen (= intellektuellen) und einer physischen (= technischen) Unterstützung. Die Mittel der Beihilfe sind demnach nicht beschränkt. Nach § 49 StGB a.F., der wiederum eine erste Orientierung geben kann, kann Beihilfe durch Rat und Tat geleistet werden. Darüber hinaus ist indessen umstritten, was unter einer Hilfeleistung zur Haupttat zu verstehen ist. Anschaulich hat Kühl das Problem formuliert:

 

„Der Begriff „Hilfeleisten„ könnte nach dem natürlichen Wortsinn auch so verstanden werden, daß eine Handlung erbracht werden muß, die dem Täter und seiner Tat zugute kommen soll. Das „Hilfeleisten„ kann aber auch so verstanden werden, daß sich die Unterstützung in der Tat einschließlich des Erfolgs dieser Tat niedergeschlagen haben muß.„

 

Im Kern geht es bei diesem Streit darum, ob der Tatbeitrag des Gehilfen für den Erfolg der Haupttat in einem „aufgelockerten„ Sinne ursächlich - condicio sine qua non - sein muß oder ob es genügt, daß der Tatbeitrag die Begehung der Haupttat gefördert hat. Nach der in der Literatur vertretenen sog. Erfolgsverursachungstheorie setzt das Hilfeleisten voraus, daß in dem Zeitraum zwischen Vorbereitung und Beendung ein für die Begehung der Haupttat kausaler Tatbeitrag erbracht wird, der die eingetretene Rechtsgutsverletzung ermöglicht oder verstärkt bzw. die Tatbestandsverwirklichung erleichtert oder abgesichert hat. Demgegenüber vertreten die Rechtsprechung und Teile der Literatur die sog. Föderungstheorie. Danach reicht es aus, wenn die Begehung der Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt durch einen Tatbeitrag des Gehilfen gefördert wurde. Nicht erforderlich ist hingegen, daß der Taterfolg durch diesen Beitrag des Teilnehmers kausal mitbewirkt wurde. Freilich wird einschränkend gefordert, daß die Gehilfenhandlung die Tatbegehung tatsächlich gefördert hat. Beide Ansätze sind sachlich nicht weit voneinander entfernt, so daß in vielen Fällen die gleichen Ergebnisse erzielt werden. Gleichwohl gibt es Fallkonstellationen, in denen die unterschiedliche Interpretation des Tatbestandsmerkmals über die Strafbarkeit des Teilnehmers entscheiden kann.

 

Im subjektiven Tatbestand ist ebenfalls der sog. doppelte Gehilfenvorsatz erforderlich. Auch hier ist umstritten, welche Anforderungen an die Konkretsierung der Haupttat zu stellen sind. Allgemein gilt zunächst, daß auch der Gehilfe die wesentlichen Merkmale der Haupttat in seinen Vorsatz aufgenommen haben muß. Freilich sollen an der Gehilfenvorsatz geringere Anforderungen zu stellen sein. Es soll genügen, daß das Vorstellungsbild des Gehilfen den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der von ihm geförderten Tat erfaßt. Der Gehilfe muß also nicht notwendigerweise über die Tatmodalitäten und das Tatopfer informiert sein; auch den Täter muß er nicht kennen.

 

 

II. Die Akzessorietätslockerung (§ 28 StGB)

 

Mit zu den schwierigsten Komplexen innerhalb der Teilnahme gehören die Akzessorietätslockerung, die verschiedlich auch als Akzessorietätsdurchbrechung oder -verschiebung bezeichnet wird, und die damit verbundenen Detailfragen. Der tragende Gedanke, der der Vorschrift des § 28 StGB zugrundeliegt, fußt auf Gerechtigkeitserwägungen. Jescheck/Weigend führen insoweit einleitend aus:

 

„Eine starre Regelung der Akzessorietät, die jedes die Haupttat qualifizierende oder privilegierende Unrechtsmerkmal unbesehen auf alle Beteiligten ausdehnte, würde indessen ungerecht wirken, weil das die Strafbarkeit ändernde Moment in so hohem Maße an die Person gebunden sein kann, daß es nur denjenigen Beteiligten belasten oder entlasten darf, bei dem es auch tatsächlich vorliegen.„

 

Vor dem Hintergrund, daß sich als Folge der (limitierten) Akzessorietät die Strafe für den Teilnehmer grundsätzlich nach der für den Täter geltenden Strafdrohung richtet, sieht die Vorschrift des § 28 StGB deshalb bei Nichtvorliegen strafbegründender (§ 28 I StGB) oder strafmodifizierender (§ 28 II StGB) besonderen persönlichen Merkmalen eine Akzessorietätslockerung vor. Bei besonderen persönlichen Merkmalen, die die Strafe begründen, ist die Strafe nach §§ 28 I, 49 I StGB zu mildern. Bei besonderen persönlichen Merkmalen, die die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, gilt dies nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

 

Umstritten ist, was unter „besonderen persönlichen Merkmalen„ zu verstehen ist. In der Vorschrift des § 14 I StGB sind diese Merkmale, jedenfalls soweit es sich um strafbegründende handelt, umschrieben: persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände. Entscheidend ist mithin der höchstpersönliche Charakter des Merkmals. Tatbestandsspezifisch unterscheidet man daher zwischen tatbezogenen Verbrechensmerkmalen, die nicht unter § 28 StGB fallen, und täterbezogenen Merkmalen, eben den besonderen persönlichen Merkmalen im Sinne von § 28 StGB. Im Einzelfall kann die Abgrenzung zwischen tatbestands- und täterbezogenen Merkmalen allerdings Schwierigkeiten bereiten. Nicht zu den täterbezogenen Merkmalen gehören der Vorsatz und besondere Absichten (Zueignungs-/Bereicherungsabsicht). Kontrovers sind die Auffassungen darüber, ob die Garantenpflichten bei den unechten Unterlassungsdelikten als tatbestands- oder täterbezogene Merkmale einzuordnen sind.

 

Klausurrelevant wird die Vorschrift des § 28 StGB vor allem bei den Tötungsdelikten. Deshalb sollte man wissen, daß die Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe als täterbezogene Merkmale angesehen werden. Die Mordmerkmale der 2. Gruppe sind hingegen tatbezogen. Infolgedessen werden sie nach den Regeln der Akzessorietät behandelt; d.h. die Zurechnung erfolgt, soweit beim Beteiligten ein entsprechender Vorsatz vorhanden ist. Fehlen bei einem Teilnehmer jedoch Merkmale der 1. und 3. Gruppe, die beim Täter vorhanden sind, kann es zu Akzessorietätsverschiebungen kommen. Entscheidend ist nunmehr, ob es sich bei diesen Merkmalen um strafbegründende oder strafmodifizierende Merkmale handelt. Dies hängt wiederum davon ab, wie der Tatbestand des § 211 StGB eingeordnet wird - eine alte Streitfrage -: Soweit es sich um eine Qualifikation handelt, greift § 28 II StGB, soweit es sich um einen eigenständigen Straftatbestand handelt, ist § 28 I StGB anzuwenden.

 

 

 

E. Die versuchte Beteiligung (§ 30 StGB)

 

Die Vorschrift des § 30 StGB, die wenig aussagekräftig mit der Überschrift „Versuch der Beteiligung„ versehen ist, erfaßt ganz verschiedene Konstellationen. Wie in dem Abschnitt über den Versuch angesprochen, werden mit § 30 StGB ausnahmsweise Verhaltensweisen poenalisiert, die als Vorbereitungshandlungen zu charakterisieren sind und die im übrigen grundsätzlich straflos sind. Bestraft werden Vorbereitungshandlungen, die sich auf ein Verbrechen beziehen und an denen mehrere Personen beteiligt sind. In diesem Zusammenhang ergeben sich sodann auch die Verbindungen zur Täterschaft und Teilnahme sowie zu den Vorstadien hierzu.

 

In § 30 I StGB ist die versuchte Anstiftung (§ 30 I 1.Alt. StGB) sowie die versuchte Kettenanstiftung (§ 30 I 2.Alt. StGB) geregelt. Damit ist die Strafbarkeit der versuchten (Ketten-) Anstiftung vom Gesetzgeber anerkannt und positiviert worden. Hieraus ergibt sich aber auch - e contrario -, daß die versuchte Beihilfe bewußt nicht unter Strafe gestellt worden ist.

 

In § 30 II StGB sind demgegenüber die Fälle der konspirativen Willensbildung erfaßt. Der klausurrelevanteste und somit wichtigste Fall ist in § 30 II 3.Alt. StGB geregelt. Hierin geht es um die Verbrechensverabredung und somit um eine Vorstufe der Mittäterschaft. Daneben wird das Sich-Bereiterklären (§ 30 II 1.Alt. StGB) sowie die Annahme des Erbietens (§ 30 II 2.Alt. StGB) unter Strafe gestellt. Verkürzt, jedoch aus Gründen der Einrägsamkeit ansatzweise zivilechtlich betrachtet, handelt es sich bei der ersten Variante sowohl um das Angebot, ein Verbrechen zu begehen, als auch um die Annahme einer entsprechenen Aufforderung. Bei der zweiten Variante geht es um die Annahme eines Angebots, ein Verbrechen zu begehen; mithin korrespondiert diese Variante mit der Angebots-Variante von § 30 II 1.Alt. StGB.