Eine Seminararbeit von Tina Reichert  



 I Inhaltsverzeichnis

II Begriffbestimmung „Tier" und seine Abgrenzung

 III. Forschung an Tieren

 

IV. Tier und Tierschutz

V. Die Rechtsordnung und das Tier

 VI. Das Tierschutzrecht

 VII. Das Tierschutzgesetz in der Bundesrepublik Deutschland
  und seine Anwendung

 
VIII. Tierschutz ins Grundgesetz - ein neues Staatsziel ?

 

Einleitung

Die rechte Ordunung des Tierversuches war zu allen Zeiten ein Hauptanliegen des Tierschutzes. An dieser Stelle genügt das Wort „Vivisektion", um deutlich zu machen, woran sich der Streit der Meinungen entzündete. Die sittliche Problematik der Tierversuche gründet sich wesentlich auf den Zweifel an dem Wert ihrer Ziele und auf die Ungewißheit eines Erfolges im Zusammenhang mit einer unleugbaren Erfahrung: Hier sind die Qualen, die das Tier erleiden kann, die denkbar größten und die Praxis der Tierversuche fast in aller Welt ist bis in unsere Tage durch schlimmste Mißbräuche belastet. Was die rechtliche Seite anlangt, so geht es um die Frage, wann Versuche an Tieren erlaubt sein sollen. Tierversuche sind in allgemeiner Sicht dann rechtmäßig, wenn sie zu ernstlichen wissenschaftlichen Heil- und Forschungszwecken innerhalb der dadurch gebotenen Schranken erfolgen. Die Frage der Rechtmäßigkeit von Mittel und Ziel für die Tierversuche sind schwer zu beantworten. Sie sind bis heute nicht ganz entbehrlich und ihre zukünftige Entwicklung ist kaum absehbar. Der Gesetzgeber muß zur Bewältigung der speziellen Probleme hier besondere Wege einschlagen. Für ihn geht es um eine zunehmende Einschränkung des Leidens und Sterbens von Versuchstieren.
 
 

II. Begriffsbestimmung „Tier" und seine Abgrenzung zu anderen Lebewesen

 

1. Unterscheidung der Lebewesen

a) Das Tier

Der Begriff „TIER" entstammt der Biologie, insbesondere Zoologie, sonach dem Bereich der Naturwissenschaften. Er meint die entwicklungsgeschichtlich zwischen dem Menschen und der Pflanze stehende Form des Lebens.
 

b) Der Mensch

Er ist das höchstentwickelste Lebewesen der Erde. Er ist als einziges Geschöpf in der Lage, den Zugang zu der Welt des Geistes zu finden, und nimmt dadurch gegenüber den Tieren eine Sonderstellung ein. Im natürlichen System der Lebewesen zählt die Art (Species) Homo Sapiens neben den Primaten („Herrentiere") zur Familie der Hominiden (Menschenartige), die zur Klasse der Säugetiere (Mammalia) im Stamme der Chordatiere (Chordata) gehören. Die Unterscheidung zwischen Menschen und Tieren mag bei früheren Erscheinungen der Stammesgeschichte Schwierigkeiten bereiten, für die Gegenwart ist sie jedoch nicht zweifelhaft.
 

c) Die Pflanzen

Gegenüber den Pflanzen kann beim Tier auf ein Empfindungsvermögen, bemerkenswerte Fähigkeit zur Ortsveränderung, die Art der Ernährung und des Stoffwechsels sowie die organhafte Entwicklung hingewiesen werden. Dabei handelt es sich zwar um kennzeichnende Unterschiede, doch sind sie nicht allgemein festzustellen. Je weiter man auf der Stufenleiter des Lebens hinabsteigt, um desto geringer erscheint, äußerlich betrachtet, die Verschiedenheit. Bei einzelligen Lebewesen bereitet die Zuordnung zum Tierreich oder Pflanzenreich noch immer Schwierigkeiten.
 

2. Unterscheidungen innerhalb des Tierreiches

a) Die biologische Systematik (Taxonomie)

Sie kennt auf der Grundlage der vergleichenden Morphologie aufsteigende systematische Gruppen von Individuen. Als solche Gruppen erscheinen: Art, Gattung, Familie, Ordnung, Klasse und Stamm. Heute werden folgende Stämme unterschieden: Urtiere, Schwämme, Hohltiere, Parenchymatöse Würmer, Fadenwürmer, Gliedertiere, Weichtiere, Stachelhäuter und Chordatiere.
 

b) Gruppierungen nichtsystematischer Art

Andere Gruppierungen sind solche nichtsystematicher Art. Sie mögen gleichfalls auf natürliche Besonderheiten oder aber auf kulturelle Bezüge zurückgehen. Wegen ihrer aktuellen oder potentiellen rechtlichen Bedeutung sollen hier, ohne Anspruch auf Vollständigkeit der Aufzählung, aus der Tierwelt einige Gruppen angeführt werden: Schlachttiere, Pelztiere, Zuchttiere etc.. Zu dieser Gruppierung gehören auch die Versuchstiere, deren Status, Leben, Qual, Mißhandlung und rechtliche Position in diesem Referat etwas durchleuchtet werden soll.
 

c) Unterscheidungskriterien ohne begriffliche Bedeutung

sind Lebensalter, Geschlecht und Entwicklungsstadium, wenn es sich nur um ein lebendiges Tier handelt. Demnach gehören hierher auch Jungtiere, Larven, - einschließlich Puppen - als eine Jugendform mehrzelliger Tiere, so z. b auch Engerlinge, Kaulquappen und Maden. Auch die hier behandelten Unterscheidungen können rechtliche Bedeutung gewinnen.
 
 

d) Keine Tiere

sind nach allem tierische Eier jeder Art (anders § 1 Abs. 2 Nr. 4 Tier-SG), so insbesondere Vogelgelege und der Laich der Schnecken, Fische und Lurche. Das gleiche gilt für andere Tierprodukte im weitesten Sinne, insbesondere Tierteile. Tierembryonen sind ein Teil des Muttertieres. Tote „Tiere" sind Tierleichen (Kadaver oder Mumien); dazu Skelette und Fossilien.
 
 

III. Die Forschung am Tier

 

1. Die Geschichte des Tierversuchs

Als Begründer der westlichen Medizin gilt der griechische Arzt Hippokrates von Kos (460 - 377 v. Chr.). In dem nach ihm benannten ersten medizinischen Handbuch, dem Corpus Hippocraticum, sind bereits mehrere Tierversuche beschrieben. Sie dienten dem Ziel, eine auf philosophischer Spekulation beruhende Annahme durch Beobachtung am lebenden Tier zu überprüfen. Später schuf der Arzt Galenus (129 - 199 n. Chr.) mit Versuchen an Schweinen, Affen und Hunden die Grundlage für die Medizin seiner Zeit und vieler Jahrhunderte danach. Galenus, neben Hippokrates der bedeutendste Arzt der Antike, kam der Entdeckung des Blutkreislaufes recht nahe. Mit ihm endete auch die erste Ära der medizinischen Forschung. Für mehr als tausend Jahre verschwand dann die experimentelle Wissenschaft. Erst im 16. Jahrhundert - mit Beginn der Renaissance - lebte die experimentelle Medizin durch den aus Brüssel stammenden Andreas Vesal (1514 - 1564) wieder auf, der menschliche und tierische Leichen öffnete und seine anatomischen Beobachtungen publizierte. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gewannen physiologische Vorgänge an wissenschaftlicher Bedeutung. Der englische Arzt William Harvey (1578 - 1657) beschrieb erstmals im Jahre 1628 den großen Blutkreislauf aufgrund von Tierversuchen und Leichenbeobachtungen. Tiere galten damals nicht als empfindsame Lebewesen. Am entschiedensten vertrat diese Position der französische Philosoph René Descartes (1596 - 1650). Für ihn waren Tiere bloße Maschinen ohne Seele, Bewußtsein und Vernunft. Während der Mensch fühlen und denken könne, handele das Tier lediglich als seelen- und gefühlloser Automat. Er hielt sich hiermit an die Schlußfolgerungen der Überlegungen von Aristoteles (384 - 322 v. Chr.), der bereits damals behauptete: „Der Mensch dürfe das Tier für seine Zwecke nützen". Der Schweizer Naturforscher Albrecht von Haller entdeckte dann Mitte des 18. Jahrhunderts aufgrund systematischer Versuche an siebzehn Tierarten die Grundfunktion der Nerven.
Seit diesem Zeitabschnitt traten immer mehr Tierexperimentatoren auf, die Anzahl der Tierversuche erhöhte sich jährlich bis heute. Aufgrund des zu großen Umfangs soll hier nun nicht darauf eingegangen werden. Hinzuzufügen wäre nur noch, daß die durch Tierversuche gewonnenen Erkenntnisse in der damaligen Zeit sich oft als falsch herausstellten, oft unbrauchbar waren und außerdem keine Übertragung der Ergebnisse auf den Menschen zuließen.
 

2. Gebiete der Wissenschaft vom Tier

Die Wissenschaft vom Tier wird seit langem durch die Fächer Zoologie (Tierkunde, insbesondere Tierphysiologie) und Veterinärmedizin (Tierheilkunde) mit ihrem zahlenmäßig ansteigenden Fachrichtungen dargestellt. Neben ihnen hat in neuerer Zeit die Ethologie (Tierverhaltenskunde) eine hohe selbständige Bedeutung erlangt. Sie untersucht mit Hilfe physiologischer Methoden kausalanalytisch vor allem das durch Triebe und Instinkte als angeborene Regulationsmechanismen gesteuerte artspeziefische Verhalten der Tiere. Diese vergleichende Verhaltensforschung führt zu Aussagen über seelische Vorgänge und mündet daher in die Tierpsychologie (Seelenkunde), die aber auch das subjektive Erleben eines Tieres und damit das Tier als Individuum erfaßt. Die Tiersoziologie (Gesellschaftslehre) untersucht das Zusammenleben der Tiere untereinander und mit dem Menschen. Ein Teilgebiet der Biologie, das sich mit dem Vererbungsvermögen der Tiere befaßt, ist die Tiergenetik (Erblehre).
Auf all diesen Gebieten werden Erkenntnisse über das Tier durch Tierversuche gewonnen.
 

3. Tierversuche

Tierversuche im umfassenden Wortsinn sind sprachlich und von ihrem Wesen her alle Experimente, die mit Tieren vorgenommen werden. Allerdings wird ein Vorhaben nicht schon dadurch zum Experiment, daß es möglicherweise mißlingt - entscheidend ist der Versuchswille. Im Vordergrund steht der wissenschaftliche Tierversuch. Wissenschaftlich ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist
 
 
 

4. Praxis der Tierversuche

a) Tierversuche und Medizin

Mit dem Aufstieg der Naturwissenschaften hat die moderne Medizin große Erfolge errungen. Infektionskrankheiten, denen der Mensch vor einigen Generationen noch schutzlos ausgeliefert war, konnten inzwischen zum Beispiel durch die Entwicklung von Impfstoffen und Chemotherapeutika besiegt werden. Die Medizintechnik hat vielen Gebieten der Diagnostik und Therapie gewaltige Fortschritte erzielt. Auch ist das große Spektrum an Arzneimitteln aus unserer Gesundheitsversorgung nicht mehr wegzudenken. Die medizinischen Durchbrüche, die ungezählten Menschen in der ganzen Welt das Leben gerettet und zur Verbesserung der Lebensqualität beigetragen haben, wären nicht denkbar, wenn sie nicht auch mit Hilfe von Tierversuchen entwickelt und erprobt worden wären. Bevor ein neuer Impfstoff, ein neues Arzneimittel oder eine neue Operationstechnik beim Menschen erfolgreich angewendet werden kann, müssen ihre Wirksamkeit und ihre Sicherheit durch Tierversuche überprüft sein. Im Vorfeld der medizinischen Forschung steht das Tier als Stellvertreter für den Menschen. Würde man hier auf alle Tierversuche verzichten, müßte der Mensch ungeprüfte und somit möglicherweise giftige Substanzen zu sich nehmen. In der Klinik dürfen nur solche Substanzen am Menschen getestet werden, die den langen Weg der Sicherheitsprüfung am Tier bestanden haben. Der Tierversuch trägt somit zu unserer Sicherheit im Umgang mit Chemikalien bei. Auch wenn die gesundheitliche Versorgung bis heute bereits einen hohen Standard erreicht hat, darf nicht übersehen werden, daß noch viele Krankheiten existieren, die weder verstanden noch geheilt werden können. Eine Antwort auf diese Fragen zu finden wird eine gewaltige Aufgabe für die Zukunft sein, und man wird in absehbarer Zeit nicht auf Tierversuche verzichten können.
 

b) Genehmigung von Tierversuchen

Tierversuche sind durch das Tierschutzgesetz streng geregelt. Wer Tiere in wissenschaftlichen Versuchen einsetzen will, benötigt eine Genehmigung der zuständigen Behörden. Dabei ist die Unerläßlichkeit der geplanten Versuche wissenschaftlich begründet darzulegen; die Tiere müssen artgerecht untergebracht sein; die Versuche dürfen nur von Fachleuten ausgeführt werden; Tierversuche dürfen nur in entsprechend ausgestatteten wissenschaftlichen Einrichtungen wie zum Beispiel medizinisch-biologischen Institutionen, Hochschulen oder Industriefirmen, die sich mit medizinisch-pharmakologischer Forschung und Entwicklung befassen, durchgeführt werden; jede Institution die Tierversuche vornimmt, hat einen unabhängigen Tierschutzbeauftragten zu benennen, der unter anderem dafür verantwortlich ist für die Einhaltung des Tierschutzgesetzes bei den Tierversuchen. Die Tierversuche unterliegen nach der Genehmigung der Überwachung durch die zuständige Behörde, wobei der Tierschutzbeauftragte als Ansprechpartner eine wesentliche Rolle spielt.
 

c) Durchführung von Tierversuchen

Die Vorschriften des Tierschutzgesetzes gelten auch für die Durchführung von Tierversuchen. Tierversuche sind auf das unerläßliche Maß zu beschränken. Es dürfen jeweils nicht mehr Tiere verwendet werden als für den verfolgten Zweck erforderlich sind. Der Leidens- und Schmerzbegrenzung der Versuchstiere dienen die Vorschriften über die Betäubung der Tiere. So dürfen ohne Betäubung keine Eingriffe vorgenommen werden, die zu schweren Verletzungen führen. Ist bei einem betäubten Tier damit zu rechnen, daß mit Abklingen der Betäubung erhebliche Schmerzen auftreten, muß es rechtzeitig mit schmerzlindernden Mitteln behandelt werden. Die Anwendung lähmender Mittel zur Verhinderung oder Einschränkung von Schmerzäußerungen, wie zum Beispiel Curare, ist verboten. Grundsätzlich dürfen Versuchstiere nur noch verwendet werden, wenn sie in behördlich eingerichteten Zuchteinrichtungen für diesen Zweck eigens gezüchtet worden sind.
Nach Abschluß eines Tierversuches müssen die Versuchstiere im Hinblick auf die Belastungen, die mit ihrem Weiterleben verbunden wären, untersucht und gegebenenfalls unverzüglich schmerzlos getötet werden.
 

5. Art und Auswahl der zum Versuch geeigneten Tiere

Das Battelle-Institut hat im Auftrag des Bundesministeriums für Forschung und Technologie eine Datenerhebung zum Einsatz von Tieren in Forschung und Entwicklung durchgeführt. Insgesamt wurden 45 Institutionen erfaßt und Angaben zu 1,1 Millionen Versuchstieren ausgewertet. Auch wenn die Anzahl der Tiere, die in der Bundesrepublik Deutschland zu Versuchszwecken eingesetzt werden, höher liegt, so gibt die Erhebung auf viele Fragen eine repräsentative Antwort. So wird zum Beispiel deutlich, daß nahezu 80 % aller Tierversuche an Mäusen und Ratten vorgenommen werden, gefolgt von Kaninchen, Meerschweinchen, Fischen und Vögeln, die zusammen etwa 19 % ausmachen. Alle sonst noch eingesetzten Tierarten, wie Hunde, Hamster, Schweine, Katzen, Rinder, Schafe, Ziegen, Affen und andere belaufen sich auf einen Anteil von 1% an der Gesamtheit der Tierversuche. Diese Tierarten werden also nur selten verwendet, nur zur Klärung spezieller Fragestellungen. Welche Tierart für welchen Versuch geeignet ist, darüber entscheiden Tierversuchskundler. Tierversuchskunde ist eine eigenständige tiermedizinische Disziplin: Tierärzte mit Spezialwissen kennen die biologischen Besonderheiten und Bedürfnisse der Tierarten. Sie wissen, bei welcher Tierart die Untersuchung einer bestimmten Fragestellung überhaupt sinnvoll ist, das heißt, ob sich das Tier als Stellvertreter für den Menschen eignet und ob die anatomischen, physiologischen und verhaltensbedingten Eigenschaften der Fragestellung des Experiments entsprechen.
 

6. Ziel und Zweck der Versuche an Tieren

Tierversuche werden im Labor vor allem für die Entwicklung von Arzneimitteln und zur Erforschung von Krankheiten gemacht, aber auch für die Untersuchung von Agrar- und Industriechemikalien sowie von Kosmetik- und Haushaltsprodukten eingesetzt. Weiter werden sie in der Psychologie - und Verhaltensforschung und für eine Vielzahl anderer Zwecke verwendet.
 

a) Gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche

Der Gesetzgeber schreibt Tierversuche überall dort zwingend vor, wo die Gesundheit von Mensch oder Tier berührt wird: Rund 35 % der Experimente mit Tieren sind aufgrund gesetzlicher Bestimmungen notwendig. Aus Gründen des Verbraucher- und des Umweltschutzes, werden von einigen Gesetzen Tierversuche vorgeschrieben.
 

aa) Das Arzneimittelgesetz

Die pharmakologischen und toxikologischen Prüfungen stützen sich weithin auf Tierversuche, die das Arzneimittelgesetz verlangt. Das Arzneimittelgesetz schreibt vor, daß ein Arzneimittel nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse geprüft sein muß. Dadurch wird höchstmögliche Sicherheit für den Patienten gewährleistet. Bei der Arzneimittelentwicklung sind schätzungsweise 80 % der Tierversuche gesetzlich vorgeschrieben. Die Richtlinien für die Arzneimittelprüfung setzen die Maßstäbe und legen die Bedingungen fest, von denen die Zulassung eines Medikamentes abhängig zu machen ist. Gemäß den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes müssen die Hersteller von Medikamenten Unterlagen einreichen, anhand derer die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Wirkstoffe beurteilt werden können. Diese Arzneimittelprüfrichtlinien sind Entscheidungsgrundlage für die zuständige Zulassungsbehörde.
Die Richtlinien erfordern analytische, pharmakologisch-toxikologische sowie klinische Prüfungen. Bei den pharmakologisch-toxikologischen Prüfungen untersucht der Forscher, welche Wirkungen ein Stoff im lebenden Organismus entfaltet und ab welcher Dosis er giftig ist. Diese Untersuchungen erfolgen in der Regel an Reagenzglas-Modellen und dann in Tierversuchen. Denn derzeit ist es nur zum Teil möglich, schädliche Wirkungen potentieller Arzneimittel - etwa auf Schädigungen des Blutes, wesentlicher Organsysteme, des Erbguts, der heranwachsenden Leibesfrucht oder der Auslösung von Krebs - ohne wissenschaftlich anerkannte und behördlich geforderte Tierversuche abzuschätzen.
Für diese toxikologischen Prüfungen werden zum überwiegenden Teil Nager eingesetzt. Mehr als 90 % aller Versuchstiere auf diesem Gebiet sind Ratten und Mäuse. Alle Daten über ein neues Arzneimittel aus diesen Prüfungen müssen vorliegen, bevor das Unternehmen die Genehmigung erhält, es erstmals am Menschen einzusetzen..
 

bb) Abwasserabgabengesetz und Wasserhaushaltsgesetz

Das Abwasserabgabengesetz und Wasserhaushaltsgesetz verlangt, Daß zur Feststellung der Unschädlichkeit des Abwassers und damit zur Erkennung von möglichen Umweltgefährdungen den Fischtest, für den allerdings ein Ersatz entwickelt wird.
 

cc) Bundes-Seuchen-Gesetz

Das Bundes-Seuchen-Gesetz regelt die Prüfung von Desinfektionsmitteln, und Schädlingsbekämpfungsmitteln mit Hilfe von Tierversuchen.
 

dd) Chemikaliengesetz

Das Chemikaliengesetz verlangt, daß vor dem Inverkehrbringen einer neuen Substanz deren Unschädlichkeit im Tierversuch nachgewiesen wird.
 

ee) Futtermittelgesetz

Für die Zulassung neuer Futtermittel und Futtermittelzusatzstoffe sind nach dem Futtermittelgesetz Tierversuche erforderlich.
 

ff) Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz

Das Lebensmittel- und Bedarfgegenständegesetz schreibt Tierversuche vor, um die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Lebensmittels, Lebensmittelzusatzstoffen und Bedarfgegenständen nachzuweisen.
 

gg) Pflanzenschutzgesetz

Die Wirksamkeit von neuen Pflanzenschutzmitteln und ihre Ungefährlichkeit für Mensch und Umwelt muß nach dem Pflanzenschutzgesetz durch Tierversuche überprüft sein.
 

hh) Tierseuchengesetz

Zur Prüfung veterinärmedizinischer Sera und Impfstoffe sowie zur Diagnostik von Tierseuchen sind nach dem Tierseuchengesetz Tierversuche nötig.
 

b) Nicht-gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche

Es gibt aber auch eine Reihe von Tierversuchen, die der Gesetzgeber nicht vorschreibt.
 

aa) Biologisch-medizinische Grundlagenforschung

Hierzu gehört unter anderem der Bereich der biologisch-medizinischen Grundlagenforschung. Hier ist es weitgehend erforderlich, auf Tiermodelle zurückzugreifen, weil andere Methoden noch gar nicht oder unzureichend erschlossen sind. In der biomedizinischen Grundlagenforschung ist der Trend zur Nutzung neuer Verfahren zwar stark ausgeprägt, dennoch bleibt nach dem derzeitigen Stand des Wissens der Tierversuch sehr oft die einzige Möglichkeit, bestimmte Fragen in der Forschung zu beantworten.
 

bb) Tierversuche in der Kosmetika

In der kosmetischen Industrie wird ständig mit chemischen Stoffen experimentiert - sei es, um einen neuen Konservierungsstoff, eine neue Duftnuance oder eine neue Modefarbe zu entwickeln. Diese Stoffe sind in „Pflegenden Kosmetika", wie Hand- und Gesichtscreme, Lippenstifte, Seifen, Shampoos, und in „dekorativen Kosmetika", wie Wimperntusche, Haarfärbemittel oder Lidschatten, enthalten.
Bevor die Mittel auf den Markt kommen, wird untersucht, ob sie möglicherweise giftig sind oder ob sie Haut und Schleimhaut reizen. Man prüft außerdem, ob ein Stoff, der mit der Haut in Kontakt kommt, Allergien auslöst oder Akne erzeugt. Es wird weiterhin untersucht, ob er eine krebserregende oder erbgutverändernde Wirkung hat oder aber die Fruchtbarkeit und die Entwicklung der Nachkommen beeinflußt. In bestimmten Fällen wird darüber hinaus analysiert, ob und inwieweit äußerlich einwirkende Stoffe in den Körper aufgenommen werde, wie sie sich im Körper verteilen, sich eventuell verändern und wieder ausgeschieden werden. All diese Prüfungen erfolgen heute noch häufig an Tierversuchen.
Um dies nun etwas zu veranschaulichen, möchte ich einige Versuchsmethoden darstellen:
Beim Schleimhautverträglichkeitstest wird Kaninchen eine Probe des zu testenden Präparats in die Augen geträufelt und eingerieben. Da Kaninchen kaum Tränenflüssigkeit absondern, bleibt die Substanz mindestens 24 Stunden lang in konzentrierter Form im Auge. Starke Reizungen der Bindehaut, Verätzungen oder sogar die völlige Zerstörung des Auges können die Folge sein. Bei der Durchführung des Tests sind die Tiere entweder in Gestellen festgeschnallt, oder abdeckende Verbände oder Halsmanschetten sollen verhindern, daß sie sich belecken und kratzen können. Für den Toxizitätstest, den Test auf Giftigkeit, werden Säugetiere - heute meist Ratten und Mäuse - verwendet. Jedes Tier erhält eine genau festgelegte Dosis der zu prüfenden Substanz. Die Prüfsubstanz kann dem Futter beigemischt werden, oder aber die Tiere werden durch eine Schlundsonde gezwungen, sie zu schlucken. Andere Substanzen werden in Muskeln, Venen oder in die Bauchhöhle gespritzt, oder die Tiere müssen sie inhalieren. Über Tage hinweg werden die auftretenden Krämpfe, Lähmungen und andere Reaktionen beobachtet und protokolliert. Schließlich tötet man die Tiere, um den Grad der Schädigung an Organen und Nervensystem bestimmen zu können.
 

cc) Tierversuche in Rüstungsforschung und Wehrmedizin

Nach Mitteilungen des Bonner Verteidigungsministeriums wurden in der Zeit von 1979 bis 1983 insgesamt rund 69.000 Versuchstiere für Experimente eingesetzt. Mit Stand 1. Oktober 1992 wurden im Auftrag der Bundeswehr 75 vertragsgebundene wehrmedizinische Forschungs- und Entwicklungsvorhaben an Hochschulen und anderen zivilen Forschungseinrichtungen bearbeitet. 27 dieser Experimente sehen die Durchführung von tierexperimentellen Arbeiten vor. Die dafür bewilligten Haushaltsmittel betragen insgesamt knapp 9 Millionen Mark. Bei den Tieren handelt es sich vorwiegend um Ratten, Mäuse, Meerschweinchen und 65 Schweine. Aber nicht nur das Verteidigungsministerium läßt mit Tierexperimenten forschen. Im Sommer wurden Pläne des Bundesinnenministeriums bekannt, in drei Versuchsreihen die Auswirkungen und Behandlungsmöglichkeiten von Giftgas, radioaktiver Strahlung und schwerer Verletzungen prüfen lassen. Kampfgasversuche an Tieren sollen „aktuelle Defizite in der medizinischen Behandlung bei einem eventuellen Massenunfall von Verletzten durch Waffenwirkungen und in einem Katastrophenfall" beseitigen. Bereits 1991 hat der Bundesrechnungshof auf derartige Doppelforschung von Bundesverteidigungs- und Innenministerium im Bereich der Toxikologie hingewiesen. Die Phantasie der Wissenschaftler kennt offenbar keine Grenzen, wenn es darum geht, zum angeblichen Wohle der Soldaten und Zivilbevölkerung Viren, Bakterien, chemische und biologische Giftstoffe oder genetische Manipulationen an Tieren auszuprobieren. Die nachfolgenden Beispiele, sind nur eine kleine Auswahl dessen, was Tiere tagtäglich im Rahmen der wehrmedizinischen Forschung an Qualen zugefügt wird:
Meerschweinchen werden mit Senfgas (LOST) eingerieben, Minischweine und Ratten mit dem Nervengas VX vergiftet und Hunde mit Blausäure, Lost sowie den Nervengiften Soman und VX getötet. Angeblich zum Test eines kombinierten Impfstoffes gegen Gasbrand und Tetanus für Soldaten im Einsatz. Die Wirkung von Granaten wurde an Zwergschweinen getestet. Noch skrupelloser scheinen Forscher in den USA vorzugehen. Ende der 80er Jahre ließ das Pentagon am „Medical Center" der Universität von Louisiana in New Orleans einigen Hundert Katzen Stahlprojektile in den Kopf schießen, um neue Erkenntnisse in der Behandlung von Hirnverletzungen nach Schußverletzungen zu gewinnen. Oder Flammenwerfer werden auf lebende Schweine gerichtet, bis die Haut Blasen schlug, sich schwarz färbte, aufbrach und abblätterte. Um die Neutronenbombe entwickeln zu können mußte man die tödliche Menge an Gamma-Strahlung kennen. Diese versuchte man mit grausamsten Tierversuchen zu ermitteln: Affen wurden bestrahlt und mußten in Tretmühlen laufen. Die meisten Tiere brachen bereits nach mehreren Minuten zusammen, der Todeskampf dauerte jedoch zwischen sieben Stunden und acht Tagen.
 

dd) Tierversuche in Studium und Ausbildung

Hier möchte ich mit einem Beispiel beginnen: Der Tierexperimentator greift sich einen Frosch. Mit einer gewöhnlichen Haushaltsschere schneidet er dem unbetäubten Tier den Kopf ab. Er nimmt sich eine Nadel, zerstört stochernd das Rückenmark des Frosches. Der kleine Tierkörper wird aufgeschlitzt, sein Herz freigelegt. Dann endlich ist das Versuchsmaterial vorbereitet, der eigentliche Versuch kann beginnen. Die Studierenden sammeln sich um das zuckende Kaltblüterherz, dessen Eigenerregung und chemische Beeinflußbarkeit nunmehr demonstriert werden soll. Das geschilderte Experiment wird so oder ähnlich seit über hundert Jahren an deutschen Hochschulen reproduziert und soll nur dazu dienen, theoretisches Wissen zu veranschaulichen. In den Praktika der Physiologie und der Biologie, sowie der Medizin sind dies alltägliche Experimente.
 

ee) Gentechnik und Tierversuche

Im Zusammenhang mit Wissenschaft und Fortschritt wird in den letzten Jahren kaum ein Begriff öfter gebraucht als der der Gentechnik. Hierauf begründen sich viele Hoffnungen der Ärzte und Wissenschaftler im Kampf gegen Krebs, Aids und andere Leiden des Menschen.
 

aaa) Prinzip der Gentechnik

Durch Presse, Funk und Fernsehen ist das Prinzip der Gentechnik inzwischen den meisten bekannt: durch verschiedene Verfahren wie z.B. die Mikroinjektion werden Gene, d.h. Erbfaktoren, von einem Lebewesen in ein anderes verbracht. Allerdings wird häufig nicht erwähnt, wie das konkret vor sich geht und mit welchen Eingriffen es für die betroffenen Tiere verbunden ist. Denn da die eigentliche gentechnische Manipulation außerhalb des Körpers an befruchteten Eizellen vorgenommen wird, müssen diese zunächst einem Spendertier entnommen werden, das zuvor hormonell behandelt wurde, um möglichst viele Eizellen zu erhalten. Nach der künstlichen Befruchtung einer Eizelle werden in die entstandene sog. "Zygote" die Gene eines anderen Tieres oder sogar des Menschen gespritzt. Danach wird die befruchtete und manipulierte Eizelle, die nach der Verschmelzung mit der Samenzelle zum Embryo geworden ist, einem Empfängertier eingesetzt, das auch wieder Hormonspritzen erhielt.
 

bbb) Überschreiten der Artgrenzen

Es ist hierbei möglich, die Artgrenzen zu überschreiten, d.h. Gene z.B. von Rindern in das Erbgut von Mäusen zu spritzen. Inzwischen gibt es sogar Tiere mit menschlichen Genen. Dies ist auch der Unterschied zur herkömmlichen Züchtung, wo "ganze" Tiere miteinander gekreuzt werden. Bei der Gentechnik werden einzelne Gene aus ihrem eigenen, artspezifischen Zusammenhang im Erbgut herausgelöst. Sie verändern nun im manipulierten Tier die Wechselwirkungen der Gene untereinander - mit unvorhersehbaren Folgen.
 

ccc) "Verbrauch" unzähliger Embryonen

Ob, und wenn ja, wo die fremden Gene in das Erbgut eines Tieres eingebaut werden, darauf haben die Wissenschaftler keinen Einfluß, denn es ist nicht möglich, die Gene gezielt an eine bestimmte Stelle in die Erbsubstanz zu spritzen. Da die fremden Gene sich mitunter anstelle eines anderen, lebenswichtigen Gens einfügen, sterben die manipulierten Embryonen häufig ab. Dementsprechend liegt die Erfolgsrate bei derartigen Versuchen unter 1%. Und wenn die Embryonen nicht sterben, ist noch lange nicht sicher, ob und auf welche Weise das fremde Gen später aktiv wird, d.h. sein Produkt - ein Eiweißmolekül - erzeugt. Unzählige Embryonen werden so als Versager "verbraucht", weil sie entweder absterben, das fremde Gen nicht in ihr Erbmaterial aufgenommen haben oder dieses Gen nicht aktiv wird.
 

ddd) Riesenschweine und Turbo-Karpfen

Durch gentechnische Manipulation wird versucht, landwirtschaftliche Nutztiere so zu verändern, daß der Mensch sie noch mehr (aus-)nutzen kann als bisher. So wurden die Gene, die für die Produktion des Wachstumshormons zuständig sind, vielfältig eingesetzt: mal nahm man Gene des Menschen und übertrug sie auf Schweine; auch das Wachstumshormon-Gen von Rindern wurde in Schweine-Embryonen gespritzt; in einem anderen Fall wurden Forellen-Gene auf Karpfen übertragen. Ziel bei all diesen Versuchen, ein sog. transgenes Tier zu erstellen, war es, das Wachstum dieser Tiere unnatürlich zu steigern. Man versprach sich Riesenschweine mit Riesenschinken und Turbo-Karpfen, die erheblich größer sind als ihre normalen Artgenossen. Dabei muß man wissen, daß gentechnische Manipulationen an Schweinen schlimme Folgen für die Tiere haben können: bei den Versuchen mit menschlichen Wachstums-Genen traten Magengeschwüre, Gelenkentzündungen, Herzvergrößerung, Haut- und Nierenerkrankungen sowie Unfruchtbarkeit auf .
Ganz aktuell ist die Diskussion um das von gentechnisch veränderten Bakterien hergestellte Rinder-Wachstumshormon (rBST = recombiniertes bovines Somatotropin), das, wird es milchgebenden Kühen gespritzt, deren Milchleistung steigern kann. Im Herbst 1993 wurde rBST in den USA nach jahrelangen Auseinandersetzungen der Herstellerfirmen mit den Behörden und Gentechnik-Kritikern zugelassen.
Vor den erheblichen gesundheitlichen Risiken, die der Genuß von rBST-Milch haben kann, warnt der Umwelt- und Arbeitsmediziner Prof. Samuel Epstein (Chicago, USA). Er weist er auf ein mögliches Brustkrebsrisiko durch die Milch von rBST-behandelten Kühen hin. Frauen und Kinder seien besonders gefährdet . Epstein wirft außerdem der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA vor, sie habe "Informationen über die schädliche Wirkung dieses Stoffes gezielt unterschlagen" .
Daß rBST zahlreiche Nebenwirkungen bei den behandelten Kühen haben kann, bestreitet indes niemand. Diese gehen u.a. von erhöhter Körpertemperatur über Euterentzündungen bis hin zu Veränderungen des Blutbildes. Doch das alles spielt keine Rolle - denn hier geht es um noch mehr Leistung, mehr Fleisch, mehr Milch, mehr Profit, kurz, um mehr Geld.
 

eee) Tiere als "Proteinfabriken"

Auch im medizinischen Bereich hat die Gentechnik längst Einzug gehalten. Hier sollen transgene Kühe und Schafe nach den Vorstellungen der Gentechniker als "Proteinfabriken" dienen, als "Bioreaktoren", die in ihren Eutern billig und in großen Mengen Medikamente, ja sogar menschliche Muttermilch  produzieren. Doch die Forscher wecken hiermit bei den betroffenen kranken Menschen falsche Hoffnungen: abgesehen von den schon beschriebenen Schwierigkeiten, ein solches transgenes Tier zu "erzeugen", liefern die wenigen derzeit lebenden transgenen Schafe in ihrer Milch nicht genügend Medikamente, um tatsächlich eine größere Patientenzahl zu behandeln . Bei den Kühen sah es bislang noch schlechter aus: es gab kein einziges Rind auf der Welt, bei dem fremde Gene aktiv waren. Diese Bilanz hat sich mit Sicherheit jedoch geändert, da es mittlerweile, wie vor ein paar Tagen bekanntgegeben wurde, amerikanischen Veterinärmedizinern gelungen ist, Kühe zu klonen. Es soll also künftig Farmen mit gentechnisch erzeugten Tieren geben, die als „lebende Apotheke" dienen können - weil sie entweder wertvolle medizinische Substanzen in ihrer Milch produzieren oder als Organspender für Menschen dienen, weil ihre Zellen nach der genetischen Manipulation keine Abstoßreaktionen mehr zeigen.
Auch Lebensmittelzusatzstoffe können in Zukunft auf diese Weise hergestellt werden.
Ein Beispiel dieser Art wäre auch der Versuch eines amerikanischen Unternehmers, den menschlichen Blutfarbstoff Hämoglobin im Blut von Schweinen zu produzieren. Nach dessen Plänen hätten jährlich 100.000 gentechnisch veränderte Schweine geschlachtet werden sollen, um einen Großteil des weltweiten Hämoglobin-Bedarfs zu decken. Das Projekt wurde inzwischen jedoch wegen zu hoher Kosten eingestellt.
 

fff) Krebs- und andere mäuse

Ein weiteres trauriges Kapitel in der Geschichte der Gentechnik stellt die allgemein als "Krebsmaus" bezeichnete transgene Maus dar, die im Embryonalstadium so manipuliert wurde, daß sie später besonders anfällig für Krebs wird. An dieser Maus sollen Therapien für den Menschen entwickelt werden, wobei außer acht gelassen wird, daß die künstliche Krebserkrankung einer dafür besonders anfälligen Maus etwas völlig anderes ist, als der über Jahre entstehende Krebs des Menschen. Dessen Ursachen sind multifaktoriell bedingt und liegen u.a. in einer ungesunden Lebensweise (Rauchen, Ernährung, Alkohol), schweren psychischen Belastungen und einer zunehmend lebensfeindlichen Umwelt.
Auch mit anderen Krankheiten des Menschen werden inzwischen Mäuse ausgestattet: so gibt es z.B. die Alzheimer-, die Aids- und die Brustkrebsmaus , sowie die sog. "Knock out"-Mäuse, bei denen meist ohne Bezug zu menschlichen Erkrankungen Gene blockiert werden. Dadurch werden die Tiere mit schwersten Behinderungen geboren und sind oft lebensunfähig. Hierbei handelt es sich um eine völlig neue Dimension von Tierversuchen; Leiden und Schmerz sind unvermeidbar, der Tierversuch beginnt schon mit der Geburt des Tieres.
 

ggg) Tiere als lebende Organfabriken

Die Transplantation von Organen ist heute schon fast ein Routineeingriff. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß genug Spenderorgane vorhanden sind.
Im März 1993 wurden zum ersten Mal gentechnisch veränderte Schweine mit dem Fernziel hergestellt, „vermenschlichte" Organe zu produzieren, die bei einer Übertragung auf den Menschen nicht abgestoßen werden. Schweine werden für diese Forschungsrichtung bevorzugt, weil ihre Organe fast die gleiche Größe wie die von Menschen haben. Außerdem nimmt man an, daß das Risiko, gefährliche Tierkrankheiten zu übertragen, bei Schweinen geringer ist als etwa bei den uns nahe verwandten Affen. Im Juni 1994 wurde berichtet, daß gentechnisch veränderte Schweineherzen in Paviane verpflanzt worden seien. Obwohl die Paviane nur zwischen vier und dreißig Stunden überebten, galt dieses Resultat als großer Erfolg.
 

hhh) Gentherapie - direkter Weg vom Tierversuch zum Menschenversuch

Immer öfter erscheint in den Medien das Stichwort "Gentherapie", besonders seit Anfang Mai 1994 in Berlin und Freiburg die ersten Gentherapien an (krebskranken) Menschen begonnen haben. Jahrelange Tierversuche gingen dem voraus, was in der Presse als "nicht wirkliche Heilungsversuche, sondern Experimente mit Sterbenden"  bezeichnet wird. Gut 200 Kranke haben bisher weltweit die Genspritze bekommen. Geheilt hat sie bislang keinen einzigen, geringfügige bis zweifelhafte Besserungen konnten nur bei etwa einem Dutzend der Patienten festgestellt werden .
Im Gegensatz zu dieser Form der "somatischen Gentherapie", bei der den Kranken Zellen oder Blut entnommen, gentechnisch manipuliert und anschließend wieder gespritzt werden, steht die "Keimbahntherapie". Hierbei werden die Ei- oder Spermazellen gentechnisch verändert, d.h. alle Nachkommen des manipulierten Lebewesens tragen die Veränderung unwiederbringlich in sich.
Ein Verfahren zur Manipulation an Samenzellen haben Forscher an der Universität in Pennsylvania an Mäusen entwickelt: Bei den Tieren wird das spermaerzeugende Gewebe in den Hoden während einer wochenlangen Prozedur durch Chemikalien oder Strahlung zerstört. Anschließend werden neue, gentechnisch manipulierte Samenzellen in die Hoden verpflanzt. Diese Samenzellen können vom gleichen Tier, von anderen Tieren derselben Art oder sogar von einer anderen Tierart stammen. In dem Antrag zur Patentierung des Verfahrens weisen die Forscher ausdrücklich darauf hin, daß es bei allen Tierarten "einschließlich des Menschen" angewendet werden kann . Hier scheint man den Weg zum "künstlichen Menschen" zu bereiten. In Deutschland sind Versuche mit der menschlichen Keimbahn verboten.
 

iii) Patentierung von Leben

Um die gentechnisch veränderten Lebewesen auch finanziell grenzenlos ausschlachten zu können, versuchen die Wissenschaftler, sie patentieren zu lassen, wobei Patente auf Mikroorganismen und Pflanzen bisher meist ohne Schwierigkeiten erteilt wurden. Von dem Patent werden sowohl der veränderte Organismus und dessen Nachkommen als auch das Verfahren zu seiner Herstellung und die von ihm erzeugten Produkte erfaßt. Dies bedeutet, daß der Hersteller von all denen Lizenzgebühren verlangen kann, die mit dem veränderten Organismus oder dessen Nachkommen arbeiten (also andere Firmen) oder dessen Produkte anwenden (potentiell jeder, der z.B. Medikamente nimmt, die von genmanipulierten Bakterien stammen).
Auch auf die Krebsmaus wurde vom Europäischen Patentamt das Patent erteilt. Tatsächlich umfaßt dieses Patent alle Säugetiere (außer dem Menschen), so daß nicht nur von der "Krebsmaus", sondern auch z.B. vom "Krebsaffen" und "Krebshund" gesprochen werden muß. Über 200 europäische Organisationen legten dagegen Einspruch ein. Ob die Erteilung des Patentes zurückgenommen wird, ist noch nicht entschieden. Unabhängig davon muß jedoch in Frage gestellt werden, ob Leben - auch gentechnisch verändertes - überhaupt patentfähig ist. Schließlich handelt es sich nicht um unbelebte, industrielle Erzeugnisse, sondern um fühlende, leidensfähige Mitgeschöpfe. Patente auf Versuchstiere bedeuten, daß in Zukunft Tierversuche mit dem Ziel durchgeführt werden, patentierbare "Produkte", "Modelltiere" zu erzeugen. Das heißt: noch mehr Tierversuche aus rein ökonomischen Erwägungen.
 
 

jjj) Gefahren der Freisetzung

Was die Forscher naturgemäß ungern oder gar nicht erwähnen, ist das Gefahrenpotential, das von den aus dem Labor freigesetzten, genmanipulierten Lebewesen ausgeht. Was passiert, wenn die Turbo-Karpfen, die in den USA in Teichen gehalten werden, in offene Gewässer geraten. Wie sieht es bei den Bakterien aus ? Läßt es sich hier ausschließen, daß sie in die Natur gelangen und sich unkontrolliert vermehren ? Oder daß bei den veränderten Bakterien Mutationen stattfinden, die aus vorher für den Menschen harmlosen Keimen krankheitsauslösende Erreger machen? Niemand kann diese Fragen beantworten. Die langfristigen Gefahren der Freisetzung genmanipulierter Organismen können nicht erkannt werden.
 

kkk) Mehr Tierversuche durch Gentechnik

Angesichts der zahllosen Tiere und Tierembryonen, die bei der Erstellung transgener Tiere und bei Versuchen zum Thema Gentherapie verbraucht werden und angesichts der Tatsache, daß die meisten Ergebnisse, die an transgenen Tieren z.B. bei der Erprobung von Arzneimitteln gewonnen werden, an einer mindestens gleichen Anzahl von "normalen" Versuchstieren überprüft werden müssen , wird deutlich, daß die Zahl der Tierversuche durch den Einsatz der Gentechnik nicht vermindert, sondern ansteigen wird.
 

lll) Traum-Standort Deutschland

Vielfach wird argumentiert, Industrie und Forschung würden ins Ausland abwandern und sämtliche Arbeitsplätze mit sich nehmen, wenn hier in Deutschland die Bedingungen für den Einsatz der Gentechnik nicht besser würden. Hierzu ist auf eine Studie im Auftrag des Deutschen Bundestages zu verweisen. In dieser wurde nämlich festgestellt, daß es im vielzitierten Ausland nicht anders aussieht . In Japan z.B. fand erst ein einziges Freisetzungsexperiment statt - in der BRD sind allein für 1994 17 Freisetzungen transgener Organismen bekannt . Und in den USA gibt es zwar kein Gentechnik-Gesetz, aber erheblich strengere Genehmigungsverfahren für neuartige gentechnische Experimente. Außerdem ist dort die Haftung für Folgeschäden unbegrenzt; hierzulande dagegen beträgt sie, gleichgültig wieviele Menschen durch einen Fehlschlag geschädigt oder wieviel Natur zerstört würde, höchstens 160 Millionen DM. Daher können die Gentechniker in den USA vom Standort Deutschland nur träumen .
 

7. Anzahl der Versuchstiere nach Einsatzbereichen

Knapp eineinhalb Millionen Wirbeltier wurden nach der Statistik des Bundeslandwirtschaftsministeriums 1996 für die Tierversuche benötigt. Die Hälfte davon für die Prüfung von Arzneimitteln, 20 % für die Grundlagenforschung, 17 % für die Erforschung medizinischer Methoden, 5 % zur Erkennung von Umweltgefahren eingesetzt. Weitere 4 % werden zur Prüfung anderer Stoffe und Produkte, für deren Anmeldung oder Zulassung eine Prüfung gesetzlich erforderlich ist, benötigt. Und nach Schätzungen beträgt die Anzahl der Versuchstiere ca. 1% für Ausbildung und Lehre. Noch im Jahre 1989 wurden nach offiziellen Angaben rund 2,6 Millionen Tiere im Experiment allein in der BRD getötet. Die tatsächliche Zahl dürfte jedoch weit höher liegen, weil der Tierverbrauch für Aus- und Fortbildungszwecke an den Universitäten, sowie getötete Tiere für Zell- oder Organpräparate und zur Herstellung von Impfstoffen, Seren oder medizinischen Präparaten nicht mitgezählt wurden. Der aktuellen Statistik des Bundesministeriums für Ernährung Landwirtschaft und Forsten vom Oktober 1997 zufolge ist somit die Zahl der Tierversuche in Deutschland stark zurückgegangen. Der stärkste Rückgang wurde in der Arzneimittelforschung und späteren Qualitätskontrolle verzeichnet: Waren in diesem Bereich im Jahr 1989 noch 1,4 Millionen Tierexperimente nötig, fanden 1997 nur noch 740.000 statt.
Weltweit wird eine Anzahl von 100 Millionen Versuchstieren jährlich geschätzt, die für wissenschaftliche Zwecke gefoltert, geschnitten, am lebendigen Leib verätzt, verstümmelt, vergiftet oder radioaktiv bestrahlt werden.
 

8. Übertragbarkeit von Tierversuchsergebnissen auf den Menschen

Eine wichtige Frage ist, inwieweit die Ergebnisse aus Tierversuchen auf den Menschen übertragbar sind. Wie sicherlich hier zu erwarten war, kommt es hier alleine auf den Standpunkt an, aus welcher Perspektive man den Tierversuch betrachtet: ob aus der Sicht eines Forschers oder der eines Tierschützers, führt, wie befürchtet, zu unterschiedlichen Beurteilungen.
 

a) Der Standpunkt des Wissenschaftlers

Daß die Ergebnisse von Tierversuchen hundertprozentig auf den Menschen übertragbar sind, wird kein Wissenschaftler behaupten. Bei den Versuchen, die in der biologischen und medizinischen Grundlagenforschung durchgeführt werden, bietet die Übertragung der Ergebnisse vom Tierversuch auf den Menschen oft wenig Schwierigkeiten. Hier geht es darum, die chemischen und funktionellen Prozesse zu kennen, die bei den Lebensvorgängen beteiligt sind das Wachstum der Zellen, die Produktion von Energie und von Stoffen, die sie für sich selbst brauchen oder in die Nachbarschaft und in das Blut abgeben, verlaufen bei Mensch und Säugetieren weitgehend gleich. Die Hormone Insulin, Adrenalin und die Geschlechtshormone sind dieselben, und die Art, wie sie an die spezialisierten Zellen gelangen und dort ihre Wirkung ausüben ist bei Mensch und Tier weitgehend identisch. Die biologischen Vorgänge beim Sehen, und die Übertragung der im Auge aufgenommenen Bilder ins Gehirn verlaufen gleich.
Der Tierversuch gibt im Vorfeld der Forschung eine Orientierung über die Wirksamkeit einer Substanz oder eines Verfahrens. Der Tierversuch zeigt zum Beispiel, ob eine Substanz generell verträglich ist. Wenn die Versuchstiere durch niedrige Dosen einer Substanz sterben, wird sie für die weitere Forschung verworfen. Der Tierversuch zeigt auch an, in welche generelle Richtung die Wirkung der Substanz weist. Auch für die Dosierung gibt der Tierversuch gute Anhaltspunkte, so daß der Arzt bei den klinischen Prüfungen bereits auf Richtwerte zurückgreifen kann. Es besteht eine Verpflichtung, im Vorfeld gewissenhaft und gründlich so viele Informationen über eine Substanz zu sammeln, bis das Wirkprofil möglichst realistisch eingeschätzt werden kann. Für diese Annäherungen liefern die Tierversuche Informationen, und nur auf dieser Grundlage kann der Wissenschaftler verantwortungsvoll handeln und entscheiden, ob eine Substanz am Patienten getestet werden darf oder nicht. So gesehen dient der Tierversuch unserer Sicherheit. In dieser vorsichtigen Anwendung sind Ergebnisse aus Tierversuchen prinzipiell auf den Menschen übertragbar.
 

b) Standpunkt des Tierversuchsgegners

Bei der methodenkritischen Betrachtung der Tierexperimentforschung ist von Bedeutung, daß die Qualität einer wissenschaftlichen Erkenntnismethode nur anhand ihrer Ergebnisse beim Bezugsobjekt beurteilt werden kann, hier also am Menschen. So ist der unabhängige Mediziner mit Erfahrung am Krankenbett, in Klinik und Operationssaal zuständig, eine endgültige Beurteilung dieser Forschung für den Menschen abzugeben, ohne das Fachwissen anderer Wissenschaftsdisziplinen als Hilfe für Diagnose, Therapie und Krankheitsverlauf in Abrede zu stellen.
In keinem Forschungsbereich kann das Tierexperiment eine verwertbar-sichere Aussage darüber machen, ob sich der menschliche Organismus wie der tierische verhält. In jedem Falle muß der gleiche Versuch mit einem unbekanntem Risiko und unvorhersehbarem Resultat am Menschen wiederholt werden. Erst wenn beide Experimentergebnisse verglichen werden können, ist im Nachhinein feststellbar, ob er überhaupt, und wenn ja, in welchem Ausmaß wie das jeweils ausgewählte Labortier reagiert, toleriert und kompensiert. Vorher ist jede übertragende Aussage eine Spekulation, denn der Übertragungsquotient ist weder bekannt noch berechenbar. Die Vergleichbarkeit der Wirkungen und Reaktionen von Fremdsubstanzen zwischen Tier und Mensch ist daraus abzuleiten, daß nach allgemeiner Erfahrung von ca. 12.000 untersuchten Chemikalien letztendlich eine gefunden wird, die bei Tier und Mensch annähernd gleiche Verträglichkeiten und Wirkungen hat, um als Medikament verwendet werden zu können.
Man kann das Versuchstier auch nicht als "Modell" bezeichnen, denn dafür müßte eine berechenbare Vergleichbarkeit gegeben sein und auch die Vorgabe der Auswahl eines vergleichbar reagierenden Tieres ist irreführend. Dieses auszuwählen setzt doch die Kenntnis der Wirkungsprofile, Verträglichkeiten und Abbauprozesse der jeweiligen Substanz beim Menschen voraus! Ohne dieses Wissen kann doch das entsprechende Tier nicht ausgewählt werden.
Selbst der Gesetzgeber hält die Übertragung der Tierexperimentwerte auf den Menschen für ein unkalkulierbares und darum unzumutbares Risiko. Deshalb fordert er für die Zulassung jedes Medikamentes und jedes medizinischen Verfahrens den Nachweis über Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Unschädlichkeit am Menschen !
Entgegen anderslautenden Feststellungen sind somit weder die relativ risikofreie Dosierung und Anwendung von Arzneien noch die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen in der Humanmedizin auf die Tierversuche zurückzuführen, sondern alleine auf die notwendigerweise im Arzneimittelgesetz vorgeschriebene Erprobung am Menschen.
Ebenso wenig ist durch die tierexperimentelle Voruntersuchung unbekannter Fremdsubstanzen für neue Medikamente eine Verträglichkeitsvoraussage oder Risikominderung für diesen Menschenversuch zu erhalten. Ist der Fremdstoff nämlich am Versuchstier verträglich und wirksam, muß er sich weder bei anderen Labortieren noch beim Menschen ebenso verhalten. Dort kann er unvorhersehbar giftig sein und unter Umständen gar keine, eine ganz andere, oder sogar eine entgegengesetzte pharmakologische Wirkung haben. Wie unter diesen Umständen durch die Vorprüfung am Tier eine Verträglichkeits- und Wirkungsvoraussage für den Menschen zu erhalten sein soll, ist unverständlich.
Dazu kommt der ebenso bedeutsame wie selten angesprochene Umstand, daß im Versuch zwar die Wirkung einer Substanz im jeweiligen tierischen Organismus festgestellt werden kann, doch über das Wesentliche eines Medikamentes, nämlich seine heilende Wirksamkeit beim kranken Menschen, kann er nichts vermitteln. Diese Frage von grundsätzlicher Bedeutung für jede Arznei kann immer nur am Krankenbett beantwortet werden.
Eine Anwendungssicherheit entsteht durch Tierversuche nur für den Hersteller, indem er für schädigende Nebenwirkungen seines Produktes vom Betroffenen oder dessen Hinterbliebenen de facto nicht mehr haftbar gemacht werden kann.
Objektive Erkenntnisse über die Resultate der Tierversuchsmedizin für den Menschen liefert die Entwicklung des allgemeinen Gesundheitsstandards. Obwohl die milliardenfache Experimenttötung "zum Wohle des Menschen" geschieht, wird dieser immer kranker. Die bösartigen Tumoren und die tödlichen Herz-Kreislauferkrankungen nehmen seit langem jährlich um 4-5% zu und beide stellen heute mehr als 2/3 aller Todesursachen. Eine stetig steigende Zahl Kranker jeden Alters leidet an Allergien und asthmoider Bronchitis, jedes zehnte Kind erkrankt am Pseudo-Krupp, die kindlichen Leukämien und Krebserkrankungen haben sich zur häufigsten Todesursache der Jugendlichen bis 12 Jahren entwickelt und das ISDS, der plötzliche Kindestod mit 2,5 von Tausend zur häufigsten Todesursache der Kinder zwischen zwei und zwölf Monaten. In Übereinstimmung mit der weltweit bekannten "Bostoner Studie" über Medikamentenschäden in Amerika stellt ein Tübinger Toxikologe fest, daß 5% aller Krankenhauseinweisungen wegen Arzneimittel-Nebenwirkungen erforderlich wurden, daß bei mehr als 30% der stationär Behandelten wesentliche Medikamenten-Nebenwirkungen zu beobachten waren und daß in der (alten) BRD jährlich bis zu 30.000 Medikamenten-Tote zu beklagen seien. Das sind mehr als viermal so viel wie Verkehrstote. Jüngere Untersuchungen sprechen von bis zu 80 000 Medikamenten-Toten im Jahr.
Das Ergebnis eines Tierversuchs gilt generell nur für das eingesetzte Versuchstier und das getestete Präparat oder den überprüften Eingriff.
Alle für den Menschen abgeleiteten Rückschlüsse sind nur Interpretationen, Hypothesen und Vermutungen. Tierversuche sind unzuverlässig und täuschen eine falsche Sicherheit für den Menschen vor.
 

9. Alternativmethoden zum Tierversuch

Die Forschung an Alternativmethoden zum Tierversuch bietet Möglichkeiten, gleichzeitig dem Schutz der Tiere und dem Schutz der menschlichen Gesundheit zu dienen. Die Suche nach diesen Methoden sind gleichermaßen von wissenschaftlicher, wirtschaftlicher, gesellschafts- und gesundheitspolitischer Bedeutung. Tierschützer, Wissenschafter und inzwischen sogar Gesetze fordern die Entwicklung und den Einsatz tierversuchsfreier Testverfahren. Neuerungen und Fortschritte in den verschiedensten Forschungszweigen machen die Entwicklung neuer Methoden möglich, so u.a. Tests an menschlichen Zell- und Gewebekulturen, Computersimulationen, Untersuchungen an Bakterien, Algen, Pilzen und Pflanzen sowie die Auswertung von Informationen aus der klinischen Pharmakologie.
Aufgrund des zu großen Umfangs soll hier nicht auf die jeweiligen Möglichkeiten und ihre Verfahren eingegangen werden.
 

10. Warum werden Tierversuche immer noch durchgeführt?

Auch die Medien berichten häufig von erfolgreichen tierversuchsfreien Verfahren. Warum aber werden trotz dieser neuen Methoden noch immer so viele Tierexperimente durchgeführt?
 

a) Qualitätsanforderungen an die Testverfahren

Um diese Frage zu beantworten, ist es zunächst nötig, die unterschiedlichen Funktionen, die Tierversuche erfüllen sollen, zu betrachten:
Diese Betrachtung, warum an Tieren geforscht wird, erfolgte bereits unter dem Kapitel II 5.

Aus diesen Funktionen ergeben sich unterschiedliche Qualitätsanforderungen an die Testverfahren, die den Tierversuch ablösen sollen. Der Nachweis der "Tauglichkeit" einer tierversuchsfreien Methode wird dabei auf unterschiedliche Weise geführt.

So kann sich ein Wissenschaftler, der medizinische Techniken wie z.B. Operationsverfahren entwickelt, schon heute das tierversuchsfreie Verfahren heraussuchen, das nach seiner Auffassung leistungsfähig ist. Ein offizieller Nachweis dieser Leistungsfähigkeit ist nicht erforderlich. Ebenso ist es im Bereich der Wirkstoffindung in der Arzneimittelindustrie. Auch hier können Verfahren angewendet werden, die bisher noch nicht offiziell überprüft wurden.

Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn Tierversuche, die bislang durch Gesetze und internationale Prüfrichtlinien vorgeschrieben sind, abgelöst werden sollen. Davon sind mehr als ein Drittel aller Versuchstiere betroffen .
Hier werden umfangreiche Qualitätsprüfungen der tierversuchsfreien Tests gefordert, denn diese Methoden sollen zuverlässig schädigende Wirkungen von Chemikalien feststellen. Solche toxikologischen Untersuchungen werden bisher in einheitlichen, sogenannten standardisierten Tierversuchen durchgeführt. In Validierungsstudien (Überprüfung auf Gültigkeit) werden nun die Ergebnisse der tierversuchsfreien Verfahren mit den Daten des Tierversuchs verglichen. Hierbei soll festgestellt werden, ob die neue Methode dieselbe Beurteilung der Prüfsubstanz ergibt, wie der Tierversuch. Da verläßliche Daten aus der Humanmedizin nur unzureichend zur Verfügung stehen, haben die Wissenschaftler für die tierversuchsfreien Testmethoden kaum Vergleichsgrößen. Dies führt zu Problemen bei der abschließenden Bewertung der Methode, wodurch die Validierung zeitlich verzögert wird. Doch die Wissenschaftler sind überzeugt, daß die neuen Methoden, insbesondere mit menschlichen Gewebekulturen, Perspektiven eröffnen, die vor wenigen Jahren noch utopisch erschienen.
 

b) Zu wenig Geld für tierversuchsfreie Forschung

Ein weiterer Grund, warum tierversuchsfreie Testverfahren noch nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen - und deshalb auch weiterhin Tierversuche durchgeführt werden -, ist ihre ungenügende finanzielle Förderung. Die Bundesregierung stellt für die Entwicklung tierversuchsfreier Testmethoden nur unzureichend finanzielle Mittel zur Verfügung. So sind für den Zeitraum von 1997 bis 2000 9,5 Millionen DM pro Jahr vorgesehen . Die Gelder, die für den Bau von Versuchstieranlagen bewilligt werden, sind jedoch ungleich höher. Allein die Baukosten des Tierexperimentellen Zentrums der Universität Erlangen-Nürnberg belaufen sich auf 52 Millionen DM. Weitere 26 Millionen werden für den Neubau eines Tierstalls sowie dazugehörender Räume zum Einsatz von gentechnisch veränderten Mäusen an der gleichen Universität aufgewendet .
 
 

IV. Tier und Tierschutz

 

1. Tierschutz

An einen Schutz der Tiere vor nachteiligen Einwirkungen ist in mannigfaltiger Hinsicht zu denken. Mensch und Tier können als Lebewesen beide durch dieselbe Gefahr bedroht sein. Auch ist die Ehrfurcht vor dem Leben vom Gegenstand her nicht auf den Menschen zu beschränken. So erscheint hier der Lebensschutz als größerer Rahmen, ein Tierschutzgesetz als ein Teil der dem Schutz des Lebens dienenden Gesetze.
Thedor Heuss sagte einst: „ Eine der blamabelsten Angelegenheiten der menschlichen Entwicklung ist es, daß das Wort „Tierschutz" überhaupt geschaffen werden mußte."
 

a) Tierschutz ist Sache der Humanität

Heuss ging offenbar von der Annahme aus, daß der Tierschutz eine eigentlich selbstverständliche Sache der Humanität sei. Die Geschichte der Tierschutzethik belegt aber, daß dies bestenfalls ein Anspruch oder eine Hoffnung war. Zwar hat die Forderung, mit Tieren sorgfältig umzugehen, eine weit zurückreichende Überlieferung, aber schon das Wort „Tierschutz" ist ein Begriff des 19. Jahrhunderts, der im geistigen Umfeld des Humanitätsgedankens entwickelt wurde. Tierschutzvereine entstanden um 1824 in England und seit 1837 (durch die Stuttgarter Gründung von Pfarrer Albert Knapp) auch in Deutschland.
 

b) Ziele und Aufgaben

Tierschutz ist der umfassende Begriff für alle Bestrebungen und Maßnahmen, Leben und Wohlbefinden der Tiere gegen Eingriffe des Menschen oder vor anderen Gefahren zu schützen. In diesem umfassenden Sinn ist Tierschutz nicht in den Natur- und Umweltschutz einzubauen, aber er hat in Bezug auf die außerhalb der Obhut des Menschen lebenden Tiere dennoch mit Natur- und Umweltschutz zu tun.
Der Tierschutz hat - bei regional unterschiedlichen Schwerpunkten - Aufgaben in vielen Bereichen der Tierhaltung, Tiernutzung oder in anderen Beziehungen zwischen Mensch und Tier.
 

2. Schutz durch den Menschen

Stets handelt es sich hier um den Schutz des Tieres durch den Menschen.
a) Der Schutz kann von privater Seite ausgehen. Im Grunde ist jedermann nach seinen Kräften und Fähigkeiten dazu aufgerufen. Anzuführen sind hier Tierhalter, Tierärzte und Tierpfleger, sowie alle Tierschutzvereine.
b) Andererseits sind naturgemäß auch amtliche Stellen mit dem Schutz der Tiere befaßt. Das ist etwa bei den Veterinärverwaltungen und vieler Polizeidienststellen der Länder offensichtlich. Ebenso ist an die Gerichte und die Staatsanwaltschaften zu denken. Die Gemeinden als Träger der örtlichen Selbstverwaltung können nicht abseits stehen. Eine Sonderstellung nehmen die tiermedizinischen Fakultäten ein. In der Praxis liegt der Schwerpunkt meist bei den obersten Landesbehörden, die für die Landwirtschaft zuständig sind. Im Bund ressortiert sich der Tierschutz im engeren Sinne beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, dem damit die Spitzenstellung zukommt.
c) Hervorhebung verdient, daß sich seit einiger Zeit, nicht zuletzt auf den Anstoß von deutscher Seite hin, zugleich der Europarat in Straßburg als supranationale Institution zunehmend mit einem Schutz der Tiere befaßt und in diesem Sinne auf seine Mitgliedstaaten einwirkt. Auch die Vereinten Nationen und die Europäischen Gemeinschaften in Brüssel nehmen sich in jeweils geeigneter Weise des Gegenstandes an.
 
 

3. Motivierung eines Schutzes der Tiere

Was die Motivierung eines Schutzes der Tiere anbelangt ist sie keineswegs einheitlich. Die Komplexität des Tierschutzes kann durch Aufgliederung nach verschiedenen Gesichtspunkten übersichtlicher gemacht werden
 

a) Anthropozentrischer Tierschutz

Diese Art von Tierschutz hat seinen Ausgangs- und Mittelpunkt in bloßen menschlichen Interessen.
aa) Einem solchen können wirtschaftliche Interessen zugrunde liegen. So bei dem Nutztierhalter, der seine Tiere pflegt, weil sie für ihn einen Vermögenswert darstellen. Nicht anders liegen die Dinge in einer Volkswirtschaft, von der die auch sonst ökonomischen Prinzipien unterliegende Ware Tier als wirtschaftliches Produkt und Produktionsmittel Tier geschützt wird (ökonomischer Tierschutz)
bb) Hierher gehört weiter die Empfindsamkeit des Menschen, die bei ihm den Wunsch hervorruft, nicht Zeuge der Mißhandlung eines Tieres zu werden.
cc) Oftmals liegen auch kulturelle Interessen als Motivierung vor. Hierzu zählen z. B Menschen die Tiere zu ihrem Wohlergehen halten.
 

b) Ethischer Tierschutz

Der ethische Tierschutz nimmt hier einen anderen Standpunkt ein. In seiner Sicht ist das Tier ein lebendes und fühlendes Mitgeschöpf, dessen Achtung und Wertschätzung für den durch seinen Geist überlegenen Menschen ein moralisches Postulat darstellt. Eben dies ist der Kern jeder echten Tierliebe.
Der Tierschutz im Sinne des Grundgesetzes ist ethischer Tierschutz und nur dieser.
 

c) Religiöser Tierschutz

Auch ein Tierschutz aus dieser Motivation ist heute noch denkbar. Bekanntermaßen kennt der Buddhismus als Religion die Verpflichtung, Tiere nicht zu töten.
 

4. Individueller und kollektiver Tierschutz

Der Schutz gilt als individueller Tierschutz dem Tier als einem Einzelwesen; das kann im konkreten Fall ein Einzeltier oder eine Mehrzahl von Einzeltieren sein. Als kollektiver Tierschutz wird er einer Tiermehrheit als solcher zuteil.
 
 

5. Wovor sollen die Tiere geschützt werden ?

a) Schutz vor dem Menschen

Regelmäßig ist der Schutz der Tiere ein Schutz vor dem Menschen, wie keiner Ausführung bedarf. So liegen die Dinge auch dort, wo der Mensch ein Tier als Werkzeug seiner gegen ein anderes Tier gerichteten Pläne benützt oder Zank unter Tieren herausfordert.
 

b) Schutz vor anderen Tieren

Ein Schutz von Tieren gegen Tiere kannte § 5 Satz 1 der DVO zum RNatSchG. Nach dieser Vorschrift konnten die Anordnungen zum Schutze von nichtjagbaren Tieren sich auch gegen das Überhandnehmen von Tieren richten, die den Bestand anderer Arten bedrohen.
 

c) Schutz vor Pflanzen

Schutz vor Pflanzen bringen die Fischereigesetze der Länder dort, wo sie Vorschriften über die Räumung der Gewässer von Wasserpflanzen und über das Abmähen von Wassergräsern nicht bloß zugunsten der Fischerei, sondern auch der Fische enthalten. Im übrigen ist hier noch an das Tierseuchenrecht, soweit es sich gegen pflanzliche Krankheitserreger richtet, zu denken.
 

d) Schutz vor Umwelteinflüssen

Der Gedanke an einen Schutz vor Umwelteinflüssen, die nicht vom Lebewesen ausgehen, z. B. vor natürlicher Feuers- und Wassernot, rundet das Bild ab. Endlich kann dem Tier auch seine eigene Natur zur Gefahr werden.
 
 

V. Die Rechtsordnung und das Tier

 

1. Das Grundgesetz

Das Grundgesetz spricht in seinem Eingang von Menschen und Menschenrechten (Art. 1). Vom Tier war in diesem Gesetz lange nicht die Rede. Durch das 29. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 18.03.1971 wurde Art. 74 in Nr. 20 dahin neugefaßt, daß er sich auf den Tierschutz erstreckt. Der Artikel enthält den Katalog der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen des Bundes. In der Änderung darf auch eine Betonung des Tierschutzgedankens gesehen werden. Das BVerfG hat ausgesprochen, daß ein effektiver Tierschutz im Interesse des Gemeinwohls liegt. Die Mitverantwortung des Menschen für das in seiner Obhut stehende Lebewesen erfordert, im Bereich des Tierschutzes ethische Grundsätze und wissenschaftliche sowie wirtschaftliche Erfordernisse miteinander in Einklang zu bringen. Die Frage nach Rang und Bedeutung des Tierschutzes im Verfassungsrecht wird immer seit langem lebhaft diskutiert, worauf jedoch später erst eingegangen wird.
 

2. Zivilrechtliche Aspekte

Das Bürgerliche Gesetzbuch vom 18.08.1896 ist im gegenwärtigen Zusammenhang mehrfach von Bedeutung.
a) Zunächst einmal enthält das BGB einige Sondervorschriften, die das Tier betreffen. Es spricht nämlich im Zusammenhang mit dem Erwerb und Verlust des Eigentums von wilden und gezähmten Tieren (§§ 960 ff.), im Kaufrecht bei den Gewährleistungsansprüchen für Sachmängel (§§ 481 ff.) von der Viehgewährschaft und schließlich von der Haftung des Tierhalters und Tierhüters (§§ 833, 834). Bei dieser erscheint das Tier als Gefahrenquelle.
b) Bis vor kurzem war das Tier im bürgerlichen Sinne eine Sache. Am 01.09.1990 trat das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht vom 20.08.1990 in Kraft: Seither gilt: Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist (§ 90a BGB). Folgerichtig ist nunmehr die Annahme eines ganz allgemeinen Rechtsgedankens, daß Tiere nicht mehr Sachen im Rechtssinne sind. Das Gesetzbuch unterscheidet „Personen" und „Gegenstände". Personen sind rechtsfähig, d. h. sie können Träger von Rechten und Pflichten sein. Das Tier ist also keine Person, daher Gegenstand. Körperliche Gegenstände heißen im BGB „Sachen". Nur Sachen konnten Gegenstand des Besitzes,, des Eigentums und der anderen meisten dinglichen Rechte sein. Es war also die Sacheigenschaft eines Tieres, die zu einer Eigentumsfähigkeit führte. Ihr Zufolge mag das Tier auch Zubehör, z. B. eines Landgutes sein. Eine Diskussion um einen künftigen Rechtsstatus wurde in Gang gesetzt. Heute bilden die „Tiere" neben den „Sachen" eine selbständige und herausgehobene Kategorie der körperlichen Gegenstände.
 

3. Strafrechtliche Aspekte

Für das Strafgesetzbuch in der Form der Bekanntmachung vom 10.03.1987 ist eine ähnliche Unterscheidung möglich wie beim Bürgerlichen Gesetzbuch.
a) Das StGB erwähnt Tiere (hier auch tote) in § 184 Abs. 3 (Verbreiten harter Pornographie) sowie in § 325 Abs. 1 Nr. 1 (Luftverunreinigung) und § 326 Abs. 1 Nr. 1 (Umweltgefährdende Abfallbeseitigung) ferner spricht § 292 von Wild, § 293 von Fischen. In den Fällen der Jagd - oder Fischwilderei können Hunde und andere Tiere, die der Täter oder Teilnehmer bei der Tat mit sich führt oder verwendet hat, eingezogen werden (§ 295).
b) Darüber hinaus spricht das Strafgesetzbuch in einer ganzen Reihe von Vergehenstatbeständen von „Sachen", so vor allem in den §§ 242 (Diebstahl), 246 (Unterschlagung), 249 ff. (Raub), 259 (Hehlerei), , 303, 304 (Sachbeschädigung). Der Begriff der Sache wird hier nicht näher bestimmt. Das Reichsgericht hat aber frühzeitig klargestellt, daß Tiere Sachen im Sinne des Strafgesetzbuches sind. Auch trotz der zivilrechtlichen Veränderungen (vgl. IV. 2 bb), kann auch weiterhin an Tieren Diebstahl, Sachbeschädigung usw. begangen und ein Verstoß als Straftat geahndet werden.
 
 

VI. Das Tierschutzrecht

 

1. Entwicklung des Tierschutzrechtes

Wie der Tierschutz, so hat sich auch das Tierschutzrecht im Laufe der Zeit geläutert. Man versteht darunter seit längerem nun mehr das Recht des Tierschutzes im engeren Sinne. Diese Entwicklung ist näher zu verfolgen.
a) Bereits das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15.05.1871 bedrohte in § 360 Nr. 13 a. F. denjenigen mit Übertretungsstrafe, der „öffentlich oder in Aergerniß erregender Weise Thiere boshaft quält oder roh mißhandelt". Hier wurde nicht die Tiermißhandlung als solche bestraft, sondern die Verletzung menschlichen Empfindens, das im Mitgefühl für die Tiere sich äußert. Es handelte sich um anthropozentrischen und zwar um den sogenannten „ästhetischen" Tierschutz. Doch die Unzulänglichkeit dieser Regelung wurde schnell offensichtlich, Ansätze zu einer Verbesserung des Tierschutzrechts im Rahmen einer allgemeinen Strafrechtsnorm wurden bereits gefordert.
b) Erst das Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften vom 26.05.1933 brachte einen Wandel zum Besseren: Nach § 145 b StGB konnte jetzt derjenige bestraft werden, der „ein Tier roh mißhandelt oder absichtlich quält". Das bedeutete die grundsätzliche Bestrafung der Tiermißhandlung, die jetzt vergehen ist, als solcher und damit den Übergang zum ethischen Tierschutz. Hierbei handelte es sich jedoch um eine Zwischenlösung.
c) Das Tierschutzgesetz vom 24.11.1933, das auch als Reichstierschutzgesetz bezeichnet wird, ist ein Markstein für die Entwicklung des Tierschutzrechts. Es stellt eine bemerkenswerte gesetzgeberische Leistung dar. Die Gedanken sowohl von Tierfreunden als auch Juristen erhielten rechtliche Gestalt. Seither enthält das Strafgesetzbuch keine tierschutzrechtlichen Tatbestände mehr. Seit dem Inkrafttreten dieses Reichstierschutzgesetzes wurden im Laufe der Jahre nur Ergänzungsvorschriften und Ausführungsverordnungen hinzugefügt.
d) Bemühen, um eine Erneuerung des Tierschutzgesetzes kamen in der Mitte der fünfziger Jahre in Gang. Nach stärker werdenden Forderungen einer Verbesserung wurde dann letztendlich das Tierschutzgesetz vom 24.07.1972, jetzt in Form vom26.02.1993, erlassen.
 
 

VII. Das Tierschutzgesetz der Bundesrepublik Deutschland und seine Anwendung

 

1. Tierschutz in Bund und Ländern

Das Tierschutzgesetz ist Bundesrecht. Der „Tierschutz" ist gemäß Art. 74 Nr. 20 GG nach der Neufassung dieser Vorschrift Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung. In diesem Bereich haben die Länder die Befugnis Gesetze zu erlassen, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht (Art. 72 Abs. 1 GG). Der Bund hat dieses Recht, soweit aus den in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Gründen ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht. Die Gesetzgebung nach  Art. 74 Nr. 20 GG wird durch die Art. 1 Abs. 3 GG gebunden (Grundrechte).
 

2. Die Schutzrichtung - Unser jetziges Tierschutzgesetz

Den Tierschutz, den unser Gesetz enthält, ist individueller, unmittelbarer, ethischer Tierschutz. Die Tiere werden vor dem Menschen geschützt. Die Schutzrichtung wird dahin ausdrücklich bezeichnet, daß das Gesetz dem Schutz des Lebens und des Wohlbefindens des Tieres dient. Das Leben soll vor Vernichtung, das Wohlbefinden vor bestimmten, im Gesetz näher bezeichneten Beeinträchtigungen oder der Gefahr solcher bewahrt werden. Gleichzeitig wird die Unversehrtheit des Tieres unmittelbar geschützt, indem der Gesetzgeber der Zufügung von Schmerzen und Leiden rechtsgrundsätzlich die Verursachung von Schäden alternativ an die Seite stellt. Gesundheit, Freiheit und geschöpfliche Würde erfahren nur mittelbaren Schutz.
Bezogen auf den Teil, in dem das Tierschutzgesetz die Tierversuche behandelt, bedeutet das:
§ 7 stellt sich als Grundvorschrift im Recht der Tierversuche dar. Als solche bringt er einleitend eine Begriffbestimmung. Alle folgenden Vorschriften dienen einer Einschränkung der Tierversuche. Sie müssen allgemein für unerläßlich sein (Abs. 2), unterliegen bei Wirbeltieren überdies einer ethischen Abwägung (Abs. 3) und sind vollends in bestimmten Zusammenhängen verboten (Abs. 4, 5). § 8 besagt, daß Versuche an Wirbeltieren grundsätzlich einer Genehmigung unterliegen, die näher geregelt wird. § 9 verhält sich über die Durchführung der Tierversuche. Sinn und Zweck dieser Vorschriften ist es, Tierversuche auf das unumgänglich notwendige Maß zu beschränken, nur von besonders fachkundigen Personen ausführen zu lassen und einer strengen Kontrolle zu unterwerfen.. § 10 nimmt teilweise auf die vorausgehenden Vorschriften Bezug. Die gesetzliche Regelung stellt für die Tierversuche gleichzeitig die inhaltliche Ausfüllung des in § 1 verwendeten Begriffs „vernünftiger Grund" dar, der als Eckpfeiler das ganze Gesetz trägt.
Bei dem Gesetz ist außerdem an eine erzieherische Wirkung zu denken. In ihr liegt vorbeugender Tierschutz, der auch in den einzelnen Gesetzesbestimmungen sichtbar wird.
Der letzte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes wurde von der Bundesregierung am 21.02.1997 vorgelegt. Dieser wurde vom Deutschen Bundestag am 27.11.1997 angenommen. Daraufhin beschloß der Bundesrat am 19.12.1997, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG einberufen wird. Ob nun der neue Gesetzesentwurf angenommen wird und in welcher Form, wird sich in nächster Zukunft herausstellen.
 

3. Das Tierschutzgesetz als strafrechtliches Nebengesetz

Es handelt sich bei dem Gesetz um ein Strafgesetz (strafrechtliches Nebengesetz), als die meisten Bestimmungen des Gesetzes strafrechtliche Bedeutung haben, weil sie nämlich vor allem Tatbestände strafbaren oder ordnungswidrigen Handelns schaffen bzw. zulassen oder von diesen Verboten bzw. Geboten Ausnahmen vorsehen. Vollends steht im Mittelpunkt des Gesetzes die sittliche Ordnung in den Beziehungen zwischen Mensch und Tier als soziales Anliegen, das strafrechtlichen Schutz erfährt.

4. Frage der Rechtspersönlichkeit des Tieres

Auch die Frage der Rechtspersönlichkeit bedarf hier einer Betrachtung. Es wird klar, daß dem Tier auch durch dieses Gesetz keine Rechtspersönlichkeit eingeräumt wurde. Im geltenden Recht erscheint das Tier vielmehr als Partner eines strafrechtlich geschützten Wertes. Das bisweilen gerühmte Recht des Tieres auf Schutz ist nichts anderes als ein Ausdruck für den ethischen Tierschutz. In Wahrheit sind dem Tier keine Rechte gegenüber dem Menschen gegeben, wohl aber diesem Pflichten mit Bezug auf das Tier auferlegt. Das Tier ist nicht Rechtssubjekt, nicht einmal Träger eines Rechtsgutes. Als größerer Rahmen erscheint heute die Frage nach Eigenrechten der Natur. Der Fortfall der Sacheigenschaft hat nicht eine irgendwie geartete Rechtspersönlichkeit zur Folge.
 

5. Das geschützte Rechtsgut

Wie wir sehen bereitet die Einordnung des ethischen Tierschutzes in unserer auf den Menschen und seine Interessen abgestellte Rechtsordnung gewisse systematische Schwierigkeiten.
Geschütztes Rechtsgut war und ist weiter zuerst die sittliche Ordnung in den Beziehungen zwischen Menschen und Tieren als soziales Anliegen.
 
 

VIII. Tierschutz ins Grundgesetz - ein neues Staatsziel

Es genügt einfach nicht, daß ein Tierschutzgesetz gut ist - es muß auch funktionieren. Entgegen den Erwartungen des Gesetzgebers ist das Gesetz in wesentlichen Anliegen- wie hier in Bezug auf die Tierversuche - nicht wie notwendig zum tragen gekommen.
Immer deutlicher wird der Aufruf, das Tierschutzgesetz in unserer obersten rechtlichen Wertordnung, dem Grundgesetz verankert werden soll.
 

1. Zur bundesdeutschen Ausgangslage

Bei einer Abstimmung des Deutschen Bundestages am 30. Juni 1994 in Berlin scheiterte - vorläufig - das Bemühen, den Tierschutz ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern. Nach immerhin 10jährigen politischen Auseinandersetzungen gelang es lediglich, den Umweltschutz in einem neuen Artikel 20a Grundgesetz im Sinne des Schutzes der "natürlichen Lebensgrundlagen" in die Verfassung aufzunehmen. Obwohl die Resonanz positiv war, reichte es nicht für eine Verfassungsänderung aus, die nach deutschem Recht eine Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat erfordert.
 

2. Die Justiz geht andere Wege

Was die fehlende Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz für die Rechtspraxis bedeutet, zeigen folgende Fallbeispiele der neuesten Rechtsprechung. Hier wird offensichtlich, daß das Tierschutzgesetz aufgrund des fehlenden Verfassungsranges Tierschutz  nicht angewendet werden kann.
 

a) Konflikt zwischen Kunstfreiheit und Tierschutz

In einer Performance ging es der Künstlerin Siglinde Kallnbach anläßlich des 40jährigen Jubiläums der Bundesrepublik Deutschland darum, vor den Gefahren des Neofaschismus zu warnen und auf die Not mißhandelter Frauen, Kinder und Andersdenkender hinzuweisen. Unter den Klängen der deutschen Nationalhymne illustrierte sie ihre Absicht, in dem sie stellvertretend für leidende Menschen einen Wellensittich in eine klebrige Eimasse steckte, so daß die Federn verklebt wurden und das Tier vorübergehend flugunfähig machten. Als daraufhin Strafanzeige wegen Tierquälerei erstattet wurde, hat das Amtsgericht Kassel den Tatbestand zwar bestätigt, aber festgestellt, solange der Tierschutz nicht in einer Norm mit Verfassungscharakter geregelt sei, würden die Vorschriften des Tierschutzgesetzes durch die vorbehaltlose Verfassungsnorm des Artikel 5 Abs. 3 GG "ausgehebelt".
Ein weiterer Fall: Bei einer Theateraufführung werden Tiere auf offener Bühne unter Berufung auf die Kunstfreiheit getötet. Behörden und Gerichte können dagegen nicht einschreiten. Solange der Tierschutz nicht als Staatsziel anerkannt ist, kann nicht einmal abgewogen werden, ob im Einzelfall der Kunstfreiheit oder dem Tierschutz Vorrang gebührt.
Nach heutiger Sozialmoral und nach § 3 Nr. 6 TierSchG ist es unzulässig, ein Tier z.B. für eine Schaustellung oder aus künstlerischen Gründen heranzuziehen, "sofern damit Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind". Dieser Konsens läuft per Verfassung ins Leere.
 

b) Konflikt zwischen Wissenschaftsfreiheit und Tierschutz

Bekanntlich läßt das Tierschutzgesetz Tierversuche nur zu, wenn sie "unerläßlich" und "ethisch vertretbar" sind. Um dies bewerten zu können, wurde bisher der Behörde eine Prüfungspflicht zuerkannt. In diesem Rahmen verweigerte der Berliner Gesundheitssenator Dr. Peter Luther 1992 einem Tierexperimentator die Genehmigung von besonders qualvollen Tierexperimenten. Dem Hirnforscher Prof. Otto-Joachim Grüsser wurde untersagt, weiter Affen von Geburt an ein Auge zuzunähen, über der Bindehaut eine schmerzhafte Kupferdrahtspule zu implantieren, Schrauben in ihre Schädel zu bohren und die hochintelligenten Tiere pro Tag mehrere Stunden lang mit dem Kopf in Bändigungsapparaten zu fixieren. Derart hochentwickelte Tiere aus einem abstrakten Forschungsinteresse heraus solchen Dauerqualen auszusetzen erschien dem Berliner Gesundheitssenator, gestützt von dem Gutachten einer Sachverständigen, ethisch nicht mehr vertretbar. Aber das Bundesverfassungsgericht und das Berliner Verwaltungsgericht entschieden im Juni/Dezember 1994 ganz anders: Weil der Tierschutz vom Verfassungsgeber nicht ausdrücklich ins Grundgesetz aufgenommen wurde, so die Richter, dürfe das im Grundgesetz uneingeschränkt anerkannte Recht der freien Wissenschaft nicht durch das demgegenüber untergeordnete Tierschutzgesetz eingeschränkt werden. In der Konsequenz heißt dies: Tierversuche sind zulässig, auch wenn sie für den Menschen keinerlei Aussagekraft besitzen und wenn sie noch so qualvoll und grausam sind.

Entgegen dem Willen des Gesetzgebers darf nach dieser Rechtsprechung nur noch der Experimentator selbst, nicht mehr der Gesetzgeber und auch nicht die Behörde und die Justiz darüber bestimmen, was Versuchstieren angetan wird. Behörde und Gericht verlieren ihre eigenständige Prüfungsaufgabe und die Tierschutzethik ihren gesetzlichen Geltungsanspruch, wenn die Zulässigkeit von Tierexperimenten von den zwar nachvollziehbaren, aber im Streitfalle nicht überprüfbaren Angaben des experimentierenden Wissenschaftlers abhängig sein soll.
 

c) Konflikt zwischen Lehrfreiheit und Tierschutz

Im Jahre 1986 kam es in der Bundesrepublik Deutschland zu einer Novellierung des Tierschutzgesetzes. Hier wurden nicht nur in der Grundnorm des § 1 der Rang des Tieres als "Mitgeschöpf" betont und Tierversuche von ihrer "ethischen Vertretbarkeit" abhängig gemacht (§ 7 Abs. 3). Darüber hinaus wurde dem Vorrang tierversuchsfreier Methoden im Bereich der Ausbildung nach § 10 des Gesetzes Geltung verschafft. Auf dieser Grundlage untersagte Regierungspräsident Hartmut Bäumer in Gießen dem Hochschullehrer Prof. Gerhard Heldmaier, Studierenden der Biologie und Zoologie im Physiologiepraktikum Tierversuche an lebenden Ratten durchzuführen. Bäumer war zusammen mit Sachverständigen der Überzeugung, es sei für die vorliegenden Lehrzwecke nicht notwendig, daß die betreffenden Studenten betäubten Ratten den Bauch aufschlitzten, um die Nahrungsresorption im Dünndarm zu beobachten, bis die Tiere während des Experiments oder durch die Todesspritze sterben.

Auch hier ließ die Justiz die behördliche Gesetzesanwendung nicht zu: Im Eilverfahren betonte der Verwaltungsgerichtshof Kassel in seinem Beschluß vom 29.12.1993, der Schutz des Einzeltieres habe keinen Verfassungsrang und könne daher die Lehrfreiheit im Sinne des Artikel 5 GG auch nicht einschränken. Der in § 10 des untergeordneten Tierschutzgesetzes festgelegte Vorrang tierversuchsfreier Lehrmethoden sei verfassungskonform dahin auszulegen, daß sowohl die Bestimmung des Zwecks einer Lehrveranstaltung als auch die Methodenwahl "ausschließlich der Einschätzung des Hochschullehrers" zu überlassen sei.

Übereinstimmend damit hat auch das Verwaltungsgericht Gießen in seinem Urteil vom 24.8.1995 dem gesetzlichen Vorrang von Alternativen zum Tierversuch im Bereich der Ausbildung keine Bedeutung mehr beigemessen. Der Anwalt des Hochschullehrers konnte sich auf den Tatbestand stützen, daß das Tierschutzgesetz nur noch Appellcharakter hat und als zwingende Norm mit der Verfassung unvereinbar ist. Im Klartext: Die Überprüfung von Tierversuchen auf ihre ethische Vertretbarkeit ist verfassungswidrig. Eine Kontrolle findet nicht mehr statt!

Die Folge: Studenten, die aus Respekt vor der lebendigen Schöpfung die Fächer Biologie oder Zoologie wählen, geraten unnötig in Gewissensnot. Denn wenn sie nicht den Abbruch ihres Studiums und das Risiko einer jahrelangen Prozeßführung unter Berufung auf die Verletzung ihrer Grundrechte auf Berufs- und Gewissensfreiheit auf sich nehmen wollen, sind sie dem ethischen Gutdünken ihres Hochschullehrers ausgeliefert. Und im Falle von Prof. Heldmaier heißt dies, daß nur noch derjenige Biologe oder Zoologe werden darf, der es über sich bringt, während seiner Ausbildung im Schnitt 50 Tiere zu töten Letztlich begünstigt dies, wie zahlreiche Fälle belegen, Studenten ohne Tötungshemmung. Eine ethisch höchst bedenkliche Entwicklung.

Im Land Berlin haben die genannten Entscheidungen bereits dazu geführt, daß die Senatsverwaltung die Vollzugsbehörden angewiesen hat, bei der Frage der ethischen Vertretbarkeit von Tierversuchen nur noch darauf zu achten, ob der Wissenschaftler hierzu begründete Darlegungen macht - was immer das heißen mag. Auch soll die Frage der Unerläßlichkeit der Tierversuche nur noch einer "qualifizierten Plausibilitätskontrolle" unterliegen. Die Angaben des Experimentators sollen dementsprechend detailliert und im einzelnen nachvollziehbar, aber im Zweifel einer inhaltlichen Überprüfung durch die Behörde entzogen sein, wodurch sich der zu Überprüfende allenfalls noch selbst überprüft.
 

d) Konflikt von Religionsfreiheit und Tierschutz

Hier geht es um die Problematik des sogenannten Schächtens, also des Schlachtens von Tieren ohne Betäubung vor Beginn des Blutentzuges von bzw. für Angehörige bestimmter Religionsgemeinschaften. Das Verwaltungsgericht Berlin, das Amtsgericht Balingen und das Verwaltungsgericht Hamburg haben das Schächten ohne weiteres dem Bereich freier Religionsausübung mit Schutz des Art. 4 Abs. 2 GG zugeordnet. Folgt man dieser Auffassung, dann ist bei Ablehnung des Verfassungsranges Tierschutz die gesetzliche Regelung der Sache nach § 4a TierSchG mit Art. 4 Abs. 2 GG unvereinbar. Das für die Tiere mit großer Todesangst und Qualen verbundene betäubungslose Schächten läßt sich nur im Sinne der Ausnahmebestimmung des § 4 a TierSchG vermeiden bzw. wirkungsvoll begrenzen, wenn das Staatsziel Tierschutz anerkannt ist. Es ist jedenfalls sehr fraglich, ob die teilweise vertretene These, das Schächten habe mit der Religionsausübung nichts zu tun, vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten wird.
 

3. Der Glaubwürdigkeitsverlust des Rechts

Die Ablehnung eines Verfassungsranges des Tierschutzes bedeutet in der Praxis seine weitgehende Annullierung. Denn überall dort, wo der Tierschutz mit in der Verfassung nicht eingeschränkten Grundrechten kollidiert, ist der Tierschutz nicht mehr durchsetzbar. Das zeigen u.a. die erwähnten Gerichtsentscheidungen im Bereich der Tierversuche. Selbst die vom Gesetzgeber in § 15 Abs. 1 geforderten Kommissionen zur ethischen Beurteilung von Tierversuchen werden stillschweigend ihrer wesentlichen Aufgabe enthoben. Denn die Behörde hat sich gemäß den jüngsten Gerichtsentscheidungen allein nach einem "in sich schlüssigen Genehmigungsantrag" des Experimentators zu richten, solange der Schutz des Einzeltieres kein Rechtsgut der Verfassung darstellt. Die Verwaltungsbehörde wird damit zum verlängerten Arm des Tierexperimentators degradiert, da sie gar nicht anderes handeln kann, als dessen Genehmigungsantrag zu genehmigen, sofern dieser "plausibel", also in den Einzelheiten nachvollziehbar begründet ist. Für die eigenständige Kontrollfunktion der Behörde bleibt hiernach kein Raum.

Die gesetzliche Tierschutzethik als Teil unserer Rechtsstaatlichkeit hat damit ausgedient, denn selbst die zentrale Forderung nach Gewaltenteilung gilt nicht mehr. Dies bedeutet einen Glaubwürdigkeitsverlust des Rechts, der um so schwerer wiegt, als der Schwächere, hier das Mitgeschöpf Tier, so vollkommen der Willkür des Stärkeren ausgeliefert wird.